Autos mit Verbrennungsmotor? Gibt es nicht mehr bei Vispiron. Das IT-Unternehmen aus Berlin entwickelt zwar noch Software für Steuergeräte, mit denen die Fahrzeugelektronik zum Beispiel an Bord eines BMW M3 funktioniert. Aber im Fuhrpark des Unternehmens sind nur noch Elektroautos im Einsatz. Selbst Firmengründer Amir Roughani, der viele Jahre mit viel Freude hochkarätige Sportwagen durch das Land bewegte, ist inzwischen auf einen Stromer umgestiegen: „Man muss Vorbild für seine Mitarbeiter sein.“ Selbst „Autopapst“ Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach, hat die Energiewende auf der Straße bereits vollzogen. Seit wenigen Wochen ist er von einem Diesel auf ein Tesla Model 3 umgestiegen. Und hat er es bereut? „Ich vermisse nichts.“

Im gewerblichen Einsatz, als Dienstwagen oder Flottenfahrzeuge zum Transport von Menschen und Gütern, ist der Dieselmotor zwar immer noch Antriebskraft Nummer eins. Über 80 Prozent der Pkw und Transporter, die seit Jahresbeginn in Deutschland neu zugelassen wurden, hatten noch einen Selbstzünder an Bord. Ein Grund: In der genannte „Car Policy“ vieler Unternehmen, die definiert, wer einen Dienstwagen bewegen darf und wie dieser auszusehen hat, kommen alternative Antriebe noch nicht vor. Aber der Wind dreht sich – der Dieselskandal und die öffentliche Diskussion um den Klimawandel und die Schadstoffbelastungen in den Städten setzen die Flottenmanager unter Druck, ihre Mobilitätskonzepte zu überprüfen. Dies zeigte sich dieser Tag auch auf dem bfp Fuhrpark-Forum am Nürburgring, einem der größten Fachmessen für diese Zielgruppe. Bei einem EDISON-Talk diskutierten dort Vispiron-Gründer Roughani, Verkehrsforscher Bratzel und Henrik Zölzer beim Hamburger Startup 25 ways unter Leitung von Franz Rother, was jetzt getan werden muss, um Mobilitätswende voranzutreiben.

Mobilität neu gedacht

Denn mit dem Austausch des Fahrzeugantriebs ist es nicht getan: „Davon allein wird die Zahl der Autos auf unseren Straßen nicht geringer“, so Zölzer. Wichtig sei vielmehr, die unterschiedlichen Verkehrsträger miteinander zu vernetzen und den Zugang zu Car- und Ridesharing-Services, zu Leihfahrrädern, Rollern – und zum Öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern – für Berufspendler, aber auch für die Beschäftigten in einem Unternehmen. Zölzer und sein Team haben dafür eine Smartphone-App entwickelt, die dem Traum von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schon sehr nahe kommt: Der Nutzer gibt seinen Startpunkt und sein Ziel ein – und erfährt dann in wenigen Sekunden, mit welchem Verkehrsmittel er am kostengünstigsten, am schnellsten oder am umweltverträglichsten zum Ziel kommt. Und nicht nur das: Auch das Buchen der Fahrzeuge oder das Lösen eines Fahrscheins automatisiert die Plattform mit dem ermutigenden Namen „Rethink Mobility“. Gerade im gewerblichen Bereich sieht Zölzer hier große Potenziale durch die Zusammenführung von Job-Tickets, Diensträdern mit dem Dienstwagen-Pool oder auch dem Busverkehr auf weitläufigen Werksgeländen – „für die gibt es oft nicht mal Fahrpläne.“ Eine erste Pilotanwendung wird 25ways in Kürze in Hamburg vorstellen. Realisiert wurde sie mit der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), die dafür das firmeneigene E-Bike-Programm, die Profi-Card für den öffentlichen Nahverkehr sowie eine Reihe von Elektroautos und E-Bikes einbringt.

„Umdenken und angreifen“

Nach Ansicht von Vispiron-Chef Roughani muss in der Richtung noch wesentlich mehr passieren. „Es ist wie beim Fußball: Wenn man zurückliegt, kommt man mit einer defensiven Strategie nicht weiter. Man muss schnell umdenken und angreifen.“ Das gilt aus Sicht von Bratzel in besonderem Maße auch für die deutsche Autoindustrie. Die Folge: Das Angebot an Fahrzeugen mit alternativen Antriebe weist derzeit noch große Lücken auf: „Aktuell leidet die alternative Mobilität unter Defiziten bei Reichweite, Infrastruktur und Preis.“ Zusammen ergebe das ein, wie er es nannte, „RIP“-Problem, das zu einer Existenzgefahr für die gesamte Branche führen könne. Kritik äußerte er aber auch an der Politik. Diese habe es nicht nur versäumt, rechtzeitig bessere Strukturen etwa für das Laden von E-Mobilen aufzubauen. Sie habe auch eine Gesetzgebung durchgewunken, die Plug-in-Hybridautos eine größere Klimafreundlichkeit bescheinige als diese tatsächlich besäßen. Er warnte die anwesenden Fuhrparkbetreiber davor, größere Stückzahlen dieses Typs in die Flotte zu nehmen: Die grüne Tünche, die derartige Fahrzeuge tragen, könnten kritische Umweltorganisationen schnell abwischen. Als Beitrag zu einem CO2-neutralen Fuhrpark seien derartige Fahrzeuge nur bedingt geeignet.

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