Wer einmal Elektroauto gefahren ist, der möchte es immer wieder tun. Neben der Stille und dem guten Gewissen gegenüber der Umwelt ist es vor allem die unerwartet drehmomentstarke Beschleunigung, die E-Auto-Neulinge begeistert: Ökologisch korrekt den Porsche beim Ampelstart abzuhängen, das ist einfach ein faszinierender Widerspruch.
BMW treibt diese Kombination aus Vernunft und Unvernunft bei seinem Modell i3 vier Jahre nach dessen Marktstart nun auf die Spitze: Mit dem i3 „S“, einer besonders starken (und natürlich teureren) Variante, die 184 PS leistet und den Sprint von 0 auf 100 km/h in 6,9 Sekunden schafft. Von 0 auf 60 km/h sind es nur 3,7 Sekunden. Ein billiges Vergnügen ist das allerdings nicht: Mitsamt Reichweitenverlängerer kostet der viertürige Hecktriebler 46.000 Euro, mit einigen schönen Extras kommt man leicht auf mehr als 50.000 Euro.
Dass ausgerechnet BMWs ökologisch korrekte Klientel den alten i3 zu schwach auf der Brust fand und Mehrleistung forderte, das verwundert schon. Denn auch die normale Version ist im reinen Zahlenvergleich mit der Konkurrenz richtig stark. Nissan Leaf, VW e-Golf und Renault Zoe hängte der i3 in Sachen Leistung und Reichweite schon immer ab. Vor allem, wenn der kleine Rollermotor als Reichweitenverlängerer mit an Bord war.
Auch für die linke Spur auf der Autobahn
Gut nachvollziehen kann man diesen sportlichen Anspruch der Kunden, wenn man beim neuen „S“ erst mal den Sport-Fahrmodus gewählt hat und den Gasfuß voll durchdrückt. Dann pressen bis zu 270 Newtonmeter die Passagiere schlagartig in die Sitze und der Schub ist – für einen E-Motor ungewöhnlich – auch in den hohen Drehzahlbereichen immer noch beeindruckend.
Erst bei 160 Kilometern pro Stunde ist Schluss mit der Raserei. Aber das reicht, um sich schon mal auf die linke Spur deutscher Autobahnen zu wagen, zumal BMW dem „S“ eine ausgeprägte Spurtstärke im überholsensiblen Bereich spendiert hat: Von 80 auf 120 km/h dauert es nur 4,3 Sekunden.
Unabhängig von der Geschwindigkeit fällt im überarbeiteten i3 die Nähe zum 5er-BMW auf: Zahlreiche Assistenten, Sicherheits- und Komfortsysteme stehen auf Abruf bereit, die Technik ist in puncto Konnektivität und Multimedia auf dem allerneuesten Stand, der Zentralmonitor ist nun größer und die Bedienung per Stimme, per Touch oder Tastendruck von der Mittelkonsole aus etwas einfacher geworden.
Design-Mischmasch mit Wolle und Leder
Wer sich das Interieur im Detail betrachtet, wird kaum glauben, dass der erste i3-Serienentwurf schon sieben Jahre alt ist, so zeitlos-modern wirkt der vier Meter lange Kompaktwagen. So öffnet beispielsweise eine geschwungene Echtholzspange über das ganze Armaturenbrett optisch den Raum nach vorne und in der Breite: Wer hier Platz nimmt, fühlt sich wie in einer modern gelayouteten Lounge. Im Testwagen mit „Lodge“-Innenausstattung trifft Wolle auf Leder, was für sich genommen sehr nett ist, nur leider überhaupt nicht zur schwarz-weiß-blauen Außenfarbgebung passt. Nennen wir es mal Künstlerpech.
Und nun kommen wir zum Alltag. Und damit zu den Nachbarn, Freunden, Bekannten und Kollegen, die alle eine Meinung zum Elektroauto haben und neugierig sind. Sie stimmen nur in einem Punkt überein: Der i3 ist kein typischer und kein schöner BMW. Die einen sagen, er demonstriere sein Anderssein zu auffällig nach außen. Die anderen finden, er sehe mit seiner klobigen Van-Form und breiter Spur auf dünnen 155er Winterreifen aus wie ein Krabbel-Insekt.
Tatsache ist aber auch, dass BMW den i3 zur Mitte seines Modell-Lebenszyklus optisch dezent überarbeitet hat und er jetzt minimal tiefer und breiter daherkommt, mit bis zu 20 Zoll großen Rädern sowie einigem Dekor und Farbelementen, die seinen sportlichen Anspruch unterstreichen.
Kopfeinziehen beim Einsteigen
Wer mitkommen durfte auf die Probefahrt, der war dank feinem Innenraum und beeindruckenden Fahrleistungen zwar schnell versöhnt mit der etwas exotischen Optik, doch die Fondpassagiere stießen sich im wahrsten Wortsinn am Türkonzept.
Die hinteren Türen sind an der C-Säule befestigt, sie schließen also „verkehrt herum“ und öffnen sich nur, wenn zuvor die vorderen Türen geöffnet wurden. Trotz fehlender B-Säule ist wegen des schmalen Türzuschnitts der Einstieg nach hinten aber eine orthopädisch bedenkliche Übung. Kopf und Kniefreiheit im Fond gehen dank der hohen Van-Form zwar in Ordnung. Aber der Passagier stellt sich unweigerlich eine typische Coupé-Frage: Wie komme ich im Falle eines Unfalls hinten raus? Auch die fummelige und versteckte Verstellung der Rücksitzlehnen schafft hier wenig Vertrauen.
Wenig alltagstauglich ist auch der Kofferraum. Das vordere Abteil wird von zwei verschiedenen Ladekabeln samt Zubehör und Tasche belegt, was BMW extrem praktisch und sauber gelöst hat. Hinten bleibt aber nur Raum für 260 Liter Gepäck. Erst mit dem Abklappen der hinteren Sitzlehnen wächst der Stauraum auf alltagsverträglichere 1100 Liter.
Nicht jedem Testfahrer gefiel zudem der Fahrkomfort, es fiel häufiger mal das Wort „Schlaglochsuchgerät“. Auf erstklassigem Asphalt wirkt die Federung nur trocken abgestimmt. Doch wenn er mit seinen schmalen Reifchen über die von der klammen Kommune vernachlässigten Pisten dritter Ordnung hoppelt, dann wird es innen ungemütlich im i3. Wie auf einem Fahrrad, dessen Reifen zu prall gefüllt sind.
Intuitives Laden
Lob verdienen andererseits die bei niedrigem Tempo extrem leichtgängige Lenkung sowie die neue Traktionskontrolle, die auch in sehr optimistisch angesteuerten Kurven Vertrauen schafft.
Zu den typischen Alltagserfahrungen im Elektroauto zählt die Rekuperation beim Ausrollen und Bremsen. Die sinnvolle Rückgewinnung von Bewegungsenergie fällt beim i3 je nach gewähltem Fahrmodus zwischen EcoPlus und Dynamic unterschiedlich stark aus. Wissen sollte man, dass einigen Beifahrern von diesem – mit einer starken Motorbremse vergleichbaren – Effekt übel wird, sie sind also auf die Gnade des i3-Piloten angewiesen.
Richtig ausgereift beim i3 ist der Ladevorgang. Alle Handgriffe sind intuitiv, sicher, und weitestgehend sauber auszuführen, egal ob an der Schnellladestation oder an der Steckdose im heimischen Carport. Die vom Display angezeigten Ladezeiten zum Erreichen voller Akkuleistung (33,2 kWh) wurden nie überschritten und mittlerweile lässt sich mit der Alltagsreichweite von rund 200 Kilometern zuverlässig planen. Außerdem hatte der Testwagen für Notfälle ja noch den Reichweitenverlängerer an Bord, der in unserem Alltagstest stets für 180 weitere Kilometer gut war.
Auspuff unter dem Auto versteckt
Dieser zusätzliche Rollermotor an Bord sorgt dafür, dass der i3 ein weiteres exotisches Element bekommt: Er ist ein Elektroauto mit Auspuff, den der Hersteller allerdings schamhaft unter dem Chassis verbirgt. Von außen und hinten betrachtet soll kein rußverfärbtes Röhrchen das makellose E-Image verdüstern. In der Hauptsache treibt der unten im Heck mitreisende Benziner ab 70 Prozent Akkustand auf Wunsch den Generator an, der die Akkus während der Fahrt nachlädt.
Der Reichweitenverlängerer, den BMW „Rex“ nennt und der seinerzeit auch dem ersten Opel Ampera nicht zum Erfolg verhelfen konnte, ist die vielleicht merkwürdigste Erscheinung am i3: Man will eigentlich ein sauberes E-Auto fahren, schleppt aber für die Energiegewinnung das Gewicht eines zweiten Motors mit. Der wird die meiste Zeit nicht genutzt. Und wenn doch, zerstört er mit klassischen Abgasen die saubere Ökobilanz des i3.
Zu viele Widersprüche
Weil E-Autos im Vergleich zu Benzinern teuer sind, möchte man eigentlich irgendwo sparen. Doch den Zugewinn der Reichweite erkauft man sich extrem teuer: 4600 Euro kostet der Rex, dafür kaufen sich manche einen Zweitwagen oder einen Roller.
Last but not least: Wer E-Auto fährt, genießt die Stille im Innenraum und das allenfalls straßenbahnähnliche Summen des Motors. Der deutlich brummende und vibrierende Benziner stört diese Stille erheblich, das passt also nicht zusammen.
Für mich als klassischen Pendler käme der i3 S nur ohne Rex infrage, weil ich täglich kaum mehr als 60 Kilometer fahre. In puncto Reichweite fand ich den Wagen für meine Zwecke komfortabel ausgelegt, zumal die Restreichweiten sehr genau und kontinuierlich berechnet werden. Dass ich ihn trotzdem nicht kaufen würde hat einen einfachen Grund: Er steckt mir zu sehr voller Widersprüche, ist mir zu wenig BMW und dafür dann doch zu teuer. Aber fahren möchte ich ihn natürlich jederzeit sofort wieder.
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum muss es ausgerechnet der sein?
Weil weder Nissan Leaf, noch VW e-Golf, Opel Ampera-e oder Renault Zoe an seine Leistung und Reichweite (als „Rex“) herankommen.
Wie fährt er sich?
Sehr spurtstark, absolut wendig und agil, aber auch sehr empfänglich für Fahrbahnunebenheiten.
Wo gehört er hin?
Natürlich in die Stadt und in die Carsharing-Flotten, da ist er am sinnvollsten. Überrascht hat er aber auch auf der Autobahn.
Was nervt?
Ein Elektroauto soll ruhig sein, nur summen wie eine Straßenbahn. Der Reichweitenverlängerer im i3 stört diese Stille. Er brummt und vibriert störend im Heck, das passt nicht zusammen. Und das spezielle Türkonzept wird nur noch von zwei Herstellern angeboten. Warum wohl?
Was sagt der Nachbar?
Wer hat denn diese Innenausstattung ausgesucht? Braunes Leder, beige Wolle und offenporiges Naturholz zur schwarz-weiß-blauen Lackierung, das geht ja gar nicht.
Das schönste Detail?
Das geschwungene Holzelement im Armaturenbrett. Wirkt natürlich und elegant und macht den Innenraum optisch größer. Ein bisschen Lounge auf Rädern.
Technische Daten (mit Reichweitenverlängerer):
Länge: 4,01 Meter, Breite: 1,79 Meter, Höhe: 1,59 Meter, Kofferraumvolumen: 260 – 1100 Liter, Leergewicht: 1340 kg
Motor: Hybrid-Synchron-Elektromotor mit Generatorfunktion, Nennleistung: 75 kW / 102 PS, Spitzenleistung: 135 kW / 184 PS Drehmoment: 270 Nm, Rekuperationsleistung: max 50 kW, Energiegehalt Hochvoltspeicher: 33,2 kWh, maximales Drehmoment: 270 Nm ab 1 U/min, Beschleunigung: 0 – 100 km/h: 6,9 s
Durchschnittsverbrauch: 14,3 kWh/100 km, CO2-Ausstoß: 0 g/km, Batteriekapazität: 33,2 kWh, Alltagsreichweite: bis 200 Kilometer
Preis: ab 41.150 Euro, Reichweitenverlängerer: 4.600 Euro