Sun Chao muss fast schreien an diesem Vormittag, um verstanden zu werden. Ein paar Kunden sind gerade in den Karaoke-Raum gewechselt. Nun grölen sie laut ein Liebeslied. Die junge Managerin stört das nicht. „Hier können Kunden ihren Spaß haben“, sagt sie.
Sun arbeitet in Chinas größtem Solar-Ladecenter, das nach zwei Jahren Bauzeit in Shanghai eröffnet hat. Weil das Laden von E-Autos so lange dauert, sollen Kunden ihre Zeit gerne in Tankstellen verbringen, so die Idee des Betreiberunternehmens Tellus Power.
In der 2.500 Quadratmeter großen Anlage im Westen Shanghais gibt es deshalb nicht nur Ladestationen, sondern auch zwei Räume, in denen Virtual-Reality-Spiele gespielt werden können. Daneben ist ein Café mit kostenlosem Internet. Im obersten Stockwerk sind Karaoke-Räume, ein Kinosaal sowie mehrere VIP-Räume, in denen man privat einen Film schauen kann. Im Erdgeschoss zieht gerade ein Autoverkäufer ein, der dort Neuwagen ausstellen wird.
Keine Emissionen dank Solarstrom
Die Tankstelle selbst hat 44 Ladestationen, 13 Gleichstrom-(DC)-Lader, 29 Wechselstromgeräte und zwei Tesla-Ladestationen. Die DC-Lader haben eine Leistung von 60 Kilowatt (kW) und ermöglichen ein Aufladen innerhalb von 20 Minuten, so Sun. Die übrigen Lader brauchen drei bis vier Stunden. 400 Autos können am Tag an der Tankstelle geladen werden.
Der Strom für die Anlage kommt nicht aus der Dose, sondern vom Dach des Gebäudes. Auf dem sind 90kW-Solarmodule installiert, die 400 Kilowattstunden (kWh) pro Tag liefern, rund 80.000 kWH pro Jahr. Ein Teil des produzierten Stroms wird auch ins öffentliche Netz eingespeist. „Unser Konzept ermöglicht Null-Emission“, sagt Sun stolz.
Das Vorzeige-Projekt wird von der chinesischen Regierung unterstützt. China treibt die Förderung von Autos mit alternativen Antrieben massiv voran. Die Regierung baut tausende Ladestationen pro Monat. Jedes neu gebaute Gebäude muss inzwischen auch Ladestationen einplanen. Dazu subventioniert die Regierung die Entwicklung und den Verkauf von E-Autos. Bereits 2020 will das Land fünf Millionen E-Fahrzeuge auf der Straße haben.
Im Fall der Solar-Tankstelle haben die Behörden des Stadtteils Songjiang das Gelände kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auch die Genehmigung für den Betrieb kam schnell. In den ersten Tagen nach der Eröffnung ist es zwar noch vergleichsweise leer. Im Café sitzen nur einige Menschen an ihren Laptops, während unten ihre Fahrzeuge laden. Selbst die lauten Gäste im Karaoke-Raum sind bereits weitergezogen. Doch Sun glaubt, dass sich das bald ändert.
Zehn Ladestationen will das Unternehmen in den kommenden Jahren allein in Shanghai eröffnen. Mehr noch: „Wir halten das Konzept auch in Deutschland für möglich“, sagt Sun. Bald wolle man sich dort nach geeigneten Standorten umschauen.