Die Logistikbranche verlangt von ihren Mitarbeitern einiges ab. Die Warenhäuser von großen Unternehmen wie Amazon, Saturn oder auch Supermarktketten wie Edeka oder Rewe bestehen meist aus meterlangen und -hohen Regalen, die prallgefüllt mit den unterschiedlichsten Gütern sind. Inventuren bedeuten dementsprechend einen großen Zeit- und Arbeitsaufwand. Das zwingt viele Unternehmen dazu, Mitarbeiter aus bestimmten Bereichen abzuziehen oder zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen. Der US-Einzelhandelsriese Walmart hat beispielsweise angegeben, dass die Inventur seiner Lagerbestände bis zu einen Monat dauern kann. Deshalb kündigte er bereits 2016 an, künftig Drohnen für die Erfassung der Lagerbestände nutzen zu wollen.
Die Drohnen sollen dabei mit Kameras ausgestattet werden. Mit ihrer Hilfe kann ein Pilot die Warennummern erfassen. Da es sich bei einem geschlossenen Warenlager um einen nicht-öffentlichen Luftraum handelt, gibt es für das Unternehmen keinerlei rechtliche Bedenken. Alle Probleme lösen die Drohnen jedoch nicht: Das Prozedere wird zwar vereinfacht, aber nicht erheblich verkürzt. Schließlich braucht das manuelle Übertragen der Warennummern ebenfalls seine Zeit. Außerdem kann ein Piloten auch schnell mal Waren übersehen.
Drohnen können sich selbst orientieren
Das Start-up „doks. Innovation“ hat deshalb ein neues System entwickelt, das die Inventur via Drohne wesentlich erleichtert. Der aktuelle Prototyp des Unternehmens entstand im Rahmen des Forschungsprojekts „InventAIRy“ in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) förderte es.
„Der heutige Prototyp von InventAIRy vereint drei Komponenten: Fluggerät, Sensorik und Software“, erklärt der Geschäftsführer von „doks. Innovation“ Benjamin Federmann. „Die Drohne fliegt in einem Lagerbereich beispielsweise Palettenregale ab und nimmt mit Hilfe visueller Sensoren relevante Daten auf und scannt vorhandene 1D- und 2D-Codes (Bar- und QR-Codes).“ Zur Erfassung der Daten nutzen die Drohnen sogenannte „Long Range Scanner“ – einfache Barcodescanner.
Das größte Problem stellt die räumliche Orientierung der Drohnen dar. In geschlossenen Räumen funktioniert ein GPS-System nicht zuverlässig. „Statt GPS nutzen wir Simultaneous Localization and Mapping für die Navigation unserer Drohnen“, erklärt Federmann. „Das ist eine Methode, mit der eine Drohne ihre Umgebung zunächst kartiert und gleichzeitig ihre eigene Position innerhalb dieser Karte einordnen kann. Auf Basis dieser Einordnung kann die Drohne GPS-frei – innen wie auch außen – durch unbekanntes Terrain navigieren. Zur Orientierung dienen die Sensoren der Drohne.“ Diese Methode hat den Vorteil, dass die Drohne sich stets neuorientieren kann und so nicht an strukturelle Gegebenheiten gebunden ist. Es muss also nicht jedes Mal neue Software für eine unbekannte Lagerhalle geschrieben werden – die Drohnen sind autonom.
Europaweite Kooperationen
Die Codes, die in den Warenlagern verwendet werden, sind standardisiert. So ist es auch möglich, europaweit zu arbeiten. „Unser Unternehmen agiert zu 30 Prozent in Deutschland und zu 70 Prozent international“, sagt Federmann. „Dabei orientieren wir uns am westeuropäischen Raum.“ Außerhalb von Europa setzt das singapurische Unternehmen „Intelligent Flying Machines“ auf ein ähnliches System zur Erfassung von Lagerbeständen. „Momentan ist es finanziell allerdings nicht möglich, den europäischen Markt zu verlassen“, sagt Federmann.
Im Moment arbeitet „doks. Innovation“ mit zehn Pilotkunden aus Bereichen wie der Autoindustrie zusammen. Die Drohnen sowie die zugehörige Hard- und Software werden von dem Start-up vermietet. So können die Unternehmen, die sich für das System entscheiden, ein paar Mitarbeiter entlasten und Kosten eindämmen.