Mit radikalen Einschnitten will Oslo den Autoverkehr im Stadtzentrum reduzieren. Das 1,3 Quadratkilometer große Gebiet zwischen Oper, Rathaus und der Touristenmeile Aker Brygge innerhalb der Ringstraße R 1 „soll zu einer Zone urbanen Stadtlebens umgestaltet werden, in der Individualverkehr nicht länger dominierend ist.“ So erklärt es uns Oslos Vize-Bürgermeisterin Hanna E. Marcussen.

In einem ersten Schritt sollen dort 300 Parkplätze an den Straßenrändern wegfallen, so die 40-Jährige. Im kommenden Jahr dann noch einmal 700. Ursprüngliche Pläne, den Autoverkehr – bis auf Lieferautos und Behindertenfahrzeuge – komplett aus dem Stadtzentrum zu verbannen, musste die Stadtverwaltung nach Protesten aus Wirtschaftskreisen fallen lassen. So kamen die Stadtmütter und -väter auf die Idee, den Parkraum entlang zahlreicher Citystrassen abzuschaffen.

„Wir haben zuvor die Verkehrssituation in den Zentren von 16 europäischen Städten untersucht, so etwa in Kopenhagen, Brüssel und in Freiburg“, sagt die Grünen-Politikerin. Die City nicht länger mit Parkplätzen auszustatten, schien der Politik am Ende die praktikabelste Lösung zu sein.

Berufspendler und Touristen werden damit gezwungen, ihre Fahrzeuge in einem der privat bewirtschafteten Parkhäuser oder in Tiefgaragen abzustellen. 9.000 Stellplätze stehen dort nach Worten von Marcussen bereit. Keine preiswerte Lösung für Autofahrer: So schlagen beispielsweise die 24 Stunden Parkzeit im zentralen Parkhaus Paleet gegenüber vom Hauptbahnhof mit 295,00 norwegischen Kronen (NOK), etwa 32,00 Euro, zu Buche.

Noch deutlich teurer in der Relation ist dort das Kurzparken: Für 30 Minuten verlangt der Betreiber Indigo Parking Group 30,00 NOK (rund 3,20 Euro). Immerhin – für diesen Tarif bietet das Parkhaus freies W-LAN.

Blumenkästen statt Parkplätze

Wo früher Autos den Straßenrand zuparkten, wurden nach dem Motto Car free city life bereits an einigen Straßen wie in der Tordenskioldsgate nahe dem Rathaus Blumenkästen installiert und blaue Ruhebänke aus Plastik hingestellt. Das ist nett anzuschauen und wirkt heute noch wie ein zaghafter Versuch, sich im Jahr 2019 als „Grüne Hauptstadt Europas“ präsentieren zu können.

Bänke und Blumenkästen – nach der Idee der Politikerin Marcussen steckt dahinter viel mehr. „Wir wollen unser Stadtzentrum lebenswerter machen. Menschen sollen wieder in der City wohnen.“ Heutzutage leben gerade mal 1000 der rund 660.000 Osloer im Stadtzentrum, in dem Verwaltungsgebäude und Bürohäuser vorherrschen. Tagsüber lebendig, ist die City abends ausgestorben, düster und wirkt auf manchen Besucher unsicher. Helles Licht rein, die funzeligen Straßenlampen raus, so lautet der Plan. Ob das allerdings ausreicht, um mehr Menschen in der Innenstadt anzusiedeln scheint derzeit unklar. Von bezahlbarem Wohnraum spricht die Stadtpolitikern nämlich nicht.

Mit der Reduzierung des Parkraumes will die Stadtverwaltung die vielen Berufspendler dazu bewegen, für die Fahrt zur Arbeit die Eisenbahn, U-Bahn, Straßenbahnen oder die öffentlichen Busse zu nutzen. Verkehrsexperten bescheinigen diesem Netz in der kompakten Osloer Innenstadt einen besonders guten Ausbau.

So soll der individuelle Autoverkehr im Stadtzentrum zwischen 2015 und 2019 um 20 Prozent reduziert werden, bis 2030 um 33 Prozent. Alle neuzugelassenen Autos und leichte Lieferfahrzeuge sollen ab 2020 mit erneuerbarer Energie (etwa Strom aus Wasserkraft) fahren oder Plug-in Hybrids sein.

Hunderte Kilometer Radweg

Der ÖPNV wird ab 2020 ebenfalls mit erneuerbarer Energie fahren. Osloer sollen mehr und mehr aufs Fahrrad umsteigen. Das Netz der heute etwa 200 Kilometer langen und gut gekennzeichneten Fahrradpisten wird bis 2019 um 60 Kilometer ausgedehnt, weitere 100 Kilometer sollen bis 2025 hinzukommen.

Für Touristen in Oslo – 2016 kamen 234.000 Übernachtungsgäste aus Deutschland, 20 Prozent mehr als 2015 – ändert sich durch den Wegfall der Parkplätze so einiges. Zwar können sie die Hotels im Stadtzentrum weiterhin mit ihren Autos anfahren und das Gepäck ausladen, müssen danach aber eines der Parkhäuser nutzen und zu Fuß gehen. Das ist am Ende sogar die preiswertere Lösung als in Oslo ein „Knöllchen“ zu bekommen. Denn wer einmal am Straßenrand die Parkzeit auch nur um wenige Minuten überschritten hat und ein Verwarngeld (über 60 Euro) zahlen musste, der nutzt freiwillig die Parkhäuser.

Wer mit dem Auto auf einer der Fähren aus Kiel, Kopenhagen und Frederikshavn in Oslo ankommt und weiterreist, merkt von dem neuen Citykonzept nur wenig: Die Fernstraßen nach Westen (E 18) und nach Norden (E 6) leiten den Durchgangsverkehr schon seit Jahren in einem kilometerlangen Tunnelsystem unter der Innenstadt hinweg.

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