Science Fiction in Ingolstadt: Seit mehr als drei Jahren testet der Automobilkonzern Audi die Wirksamkeit von Exoskeletten. Rund 40 Mitarbeiter in den Werken Ingolstadt und Neckarsulm schnallen sich die Metallrahmen von Hersteller Laevo auf die Rücken, die sie zu körperlichen Höchstleistungen befähigen sollen – fast wie ein Iron-Man-Anzug.

Exoskelette sollen insbesondere den Mitarbeitern in Logistik und Produktion helfen, Bauteile aus Kisten zu heben und schwere Gegenstände zu tragen, ohne dabei ihren Rücken zu stark zu belasten. Dabei sehen diese zwar komplex aus, funktionieren aber ziemlich einfach: Der Arbeiter zieht sich das System wie einen Pullover über den Kopf, die Gurte schnallt er fest um seine Hüfte. Der drei Kilogramm schwere Metallrahmen des Exoskeletts sitzt dabei ähnlich wie ein Rucksack, an den Oberschenkeln klemmen zwei faustgroße Platten.

Wenn der Arbeiter nun schwer hebt, lenkt das Exoskelett durch einen Federmechanismus die Belastung vom Rücken in die Beine um. Die Tragehilfe soll so nicht nur den Rücken schonen, sondern auch für eine bessere Haltung sorgen. Audi verzeichnet bereits erste Erfolge: Die Exoskelette entlasten die Rückenmuskulatur der Logistikmitarbeiter dem Autobauer zufolge um 20 bis 30 Prozent.

Vorteile für das komplette Unternehmen

Von der geringeren Belastung profitieren nicht nur die einzelnen Mitarbeiter, sondern das komplette Unternehmen. 23 Prozent aller Krankschreibungen betreffen nämlich Muskel-Skelett-Erkrankungen, hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin errechnet. Umgerechnet kostet der durch Krankheit entstandene Produktionsausfall rund zehn Milliarden Euro pro Jahr.

Den positiven Effekt der Exoskelette hat nicht nur Audi erkannt. Auch Ford setzte Tragehilfen bereits probeweise in seinem Werk in Valencia ein. Dort sollen sie vor allem bei Überkopfarbeit helfen. Mercedes und MAN testen Exoskelette ebenfalls immer wieder.

Auch außerhalb der Automobilbranche profitieren Industriearbeiter, Logistiker und Bauarbeiter gleichermaßen von den Helfern auf dem Rücken. Im vergangenen Jahr wurden nach Schätzungen des Forschungsunternehmens ABI-Research bereits 5000 Exoskelette verkauft, bis zum Jahr 2025 könnte sich der Absatz mit 108.500 Stück mehr als verzwanzigfachen.

Neben den sogenannten passiven Exoskeletten, wie Audi sie einsetzt, gibt es auch aktive Tragehilfen: Die sogenannten Wearable-Roboter haben einen Elektromotor, der am Hüftgelenk des Trägers sitzt. Er soll 40 Prozent der Muskelarbeit des Menschen übernehmen.

„Es geht hier nicht darum, Übermenschen für die Produktion zu erschaffen“, erklärt Peter Heiligensetzer, CEO vom Exoskelett-Hersteller German Bionic Systems. „Vielmehr sollen Mitarbeiter vor gefährlichen Bewegungen geschützt werden, die mittel- und langfristig zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems führen können.“

Die Mensch-Maschinen-Systeme sind allerdings noch sehr teuer: Für ein Exoskelett von German Bionic Systems werden 39.000 Euro fällig.

Hoffnung für Querschnittsgelähmte

In der Industrie eingesetzte Exoskelette verhelfen Menschen also zu körperlichen Höchstleistungen. Doch im medizinischen Bereich haben sie sogar einen noch größeren Nutzen. Die Schön Klinik Bad Aibling etwa setzt Exoskelette ein, um Querschnittsgelähmte wieder laufen zu lassen. Mit dem Roboter auf dem Rücken können sie nahezu selbstständig gehen. Das Exoskelett bewegt dabei die Beine des Patienten und berechnet über dessen Gewichtsverlagerung seine optimale Schrittlänge. Ein Physiotherapeut sorgt dafür, dass der Patient nicht das Gleichgewicht verliert.

Exoskelette befinden sich momentan noch mitten in der Entwicklung. Für die Forscher geht es nun darum, die Tragehilfen noch leistungsfähiger zu machen. Audi jedenfalls ist überzeugt: Der Autobauer plant, nach der Testphase Exoskelette schrittweise an allen weltweiten Audi-Standorten einzusetzen.

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