„Da muss man doch irgendetwas machen können“ – ein Gedanke, der sicher vielen Angehörigen von Demenzerkrankten durch den Kopf geht. So auch den Gründern von ichó, die mit ihrer interaktiven Therapiekugel tatsächlich aktiv an einer Methode arbeiten, die Demenz zwar nicht aufhalten, ihren Verlauf jedoch verlangsamen soll.

Angefangen hat die Forschung an ichó 2015 in einem interdisziplinären Forschungsseminar zu gestalterischen Lösungsansätzen für Menschen mit Demenz. Schnell erkannten die befreundeten Studenten Eleftherios Efthimiadis, Steffen Preuß und Mario Kascholke, dass sie in eine ähnliche Richtung dachten. Sie entschieden sich an Efthimiadis Projekt weiterzuarbeiten: einer Kugel, die mit verschiedenen Signalen auf Kontakt reagiert.

„Eine Kugel hat ohnehin schon einen hohen Aktivierungscharakter, wenn man sie in der Hand hält, fängt man sofort an damit zu spielen. Dieses Potential haben wir uns zu Nutze gemacht und mit moderner Technik kombiniert“, erklärt Mitgründer Preuß.

Eine leuchtende, singende Kugel, die bei Demenz helfen soll

Ichó ist individuell auf die Vorlieben eines Patienten programmierbar. Die Kugel leuchtet, spielt Geräusche und Musik ab und erzählt Geschichten. Bei der Entwicklung arbeiteten die Studenten mit dem heilpädagogischen Konzept der basalen Kommunikation: Das wird angewandt, um den kommunikativen Austausch mit Menschen auszubauen, die sich nicht durch Sprache ausdrücken können. Studien zufolge hilft bei Demenz außerdem eine Kombination aus psychischen und motorischen Trainingseinheiten, die Alltagsfunktionen länger aufrechtzuerhalten, und den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen.

Zu der Wirkung von ichó selbst gibt es bisher keine empirischen Studien. Doch wenn die Kugel im Mai in einer ersten Serie auf den Markt geht, sollen darüber langfristig Ergebnisse zum Therapieerfolg gesammelt werden. Dafür arbeitet das Start-up unter anderem mit dem paritätischen Dienst NRW zusammen, der über das nötige Netzwerk verfügt und die medizinische Expertise mitbringt.

Bisher konnten die Gründer erste kleine Erfolge bei Testpersonen selbst beobachten. „Für meine Oma haben wir auf die Kugel zum Beispiel ein Lied von Roy Black aufgespielt. Wenn ichó das spielt, merkt man sofort, wie sie sich über ihre Lieblingsmusik freut. Ihr Gemütszustand wird wacher und sie ist besser erreichbar“, berichtet Preuß.

Neben der Lieblingsmusik können auf ichó zum Beispiel auch Stimmen aufgenommen und gespeichert werden. Inhalte sollen über eine Plattform ähnlich eines App Stores zur Verfügung stehen. Darüber hinaus haben Nutzer auch die Möglichkeit, eigene kleine Programme zu entwickeln und anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen.

Erzähl mir doch keine Märchen

Gerade für die Interaktion in der Gruppentherapie werden solche Programme gerne genutzt. So können die Patienten beispielsweise Memory mit Tierlauten spielen. In etwas fitteren Gruppen werden die Spiele jedoch deutlich komplexer. „Dort können mehrere Bälle miteinander kombiniert werden. Beim Märchen ‚Der Froschkönig‘ wird ein Ball zur goldenen Kugel gemacht, die durch Bewegung aus dem Brunnen geholt werden muss und dann leuchtet“, beschreibt Preuß ein beliebtes Therapiespiel, das standardmäßig auf ichó installiert ist.

Ein weiteres Einsatzgebiet für ichó besteht außerdem in der vollstationären Pflege. Hier kann die Kugel zur Beruhigung von Patienten in ansonsten stressigen Situationen wie dem morgendlichen Waschen, Kämmen und Anziehen genutzt werden. „Es gibt Patienten, die darauf aggressiv reagieren. Ichó spielt ihnen ihre Lieblingsmusik vor und beruhigt sie damit“, so Preuß.

Durch das handliche Format könnten die Pfleger die Kugel auf ihren morgendlichen Gängen mitnehmen und für jeden Patienten die passende Musik abspielen. Noch wird ichó vor allem bei Demenzpatienten eingesetzt. Die Gründer wollen ihr Konzept in Zukunft jedoch auch auf andere mentale Erkrankungen ausweiten.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert