Die New York Times berichtete am 30. Mai, dass „die weltweiten Kohlendioxidemissionen im vergangenen Jahr ihren Höhepunkt erreicht haben könnten“. Die Times führte die aufsehenerregende Feststellung auf einen neuen Bericht der Analysten von BloombergNEF (New Energy Finance, BNEF) zurück, der zwei glaubwürdige Szenarien entwirft: eines, in dem die Regierungen aggressive Maßnahmen ergreifen, um bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen – und eines, in dem die Emissionen nur durch wirtschaftliche Kräfte und technische Innovationen zurückgehen. In beiden Szenarien geht BNEF davon aus, dass die „energiebezogenen“ globalen CO2-Emissionen bereits im Jahr 2023 ihren Höhepunkt erreicht haben und für den Rest des Jahrzehnts sinken werden.
Diese Prognosen müssen natürlich durch reale Messungen bestätigt werden. Die weltweit tätige Nichtregierungsorganisation Climate Analytics veröffentlichte jedoch letztes Jahr einen Bericht, in dem sie eine 70-prozentige Chance errechnete, dass die CO2-Emissionen noch in diesem Jahr zu sinken beginnen, „wenn die derzeitigen Wachstumstrends bei den sauberen Technologien anhalten und gewisse Fortschritte bei der Reduzierung der Nicht-CO2-Emissionen erzielt werden“. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert bereits, dass die weltweite Nachfrage nach fossilen Brennstoffen – dem Hauptverursacher von CO2-Emissionen – im Jahr 2025 ihren Höhepunkt erreichen wird.
Erderwärmung schreitet trotzdem weiter fort
Das wären gute Nachrichten auch mit Blick auf die nächste Weltklimakonferenz, die derzeit in Bonn vorbereitet wird. Es gibt allerdings ein paar wichtige Vorbehalte. Im Text des BNEF-Berichts wird nicht ausdrücklich erwähnt, dass die Emissionen im Jahr 2023 ihren Höhepunkt erreicht haben – und es besteht immer noch die Möglichkeit, dass sich diese Prognosen ändern könnten. Der Spitzenwert bezieht sich zudem nur auf Emissionen aus Kraftwerken, Fahrzeugen, Gebäuden und anderen Elementen des Energiesystems, die etwa 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ausmachen.
Nichtsdestotrotz könnte der CO2-Peak eine große Sache sein. Der BNEF-Bericht zeigt, dass zusätzliche Maßnahmen die Emissionen des Klimagases bis 2050 durchaus bis auf Null reduzieren könnten, obwohl die globalen Temperaturen in den kommenden 25 Jahren immer noch um 1,75 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigen würden – das im Pariser Abkommen festgelegte Ziel von plus 1,5 Grad Celsius würde damit gerissen.
CO2 verschwindet nicht einfach
Die Begrenzung der jährlichen CO2-Emissionen ist allerdings auch nur ein erster Schritt, um die Überhitzung des Planeten zu vermeiden. Denn auch wenn die CO2-Emissionen weltweit nicht mehr ansteigen – bis das Kohlendioxid in der Atmosphäre durch die natürlichen physikalischen und biogeochemischen Prozesse wieder abgebaut wird, vergehen noch viele Jahre. Nach 1000 Jahren, hat das Umweltbundesamt ermittelt, sind noch etwa 15 bis 40 Prozent der vom Menschen produzierten Treibhausgase in der Atmosphäre vorhanden. Und erst nach mehreren hunderttausend Jahren wäre nichts mehr messbar. Es braucht also zusätzlich Anstrengungen, um das Kohlendioxid aus der Luft zu filtern und unschädlich zu machen. Durch Anpflanzungen von Wäldern und der Renaturierung von Mooren, aber auch durch technische Verfahren und die Speicherung von CO2 im Untergrund. Die Bundesregierung hat dafür in Deutschland kürzlich den Weg frei gemacht.