Will ich für den Termin jetzt wirklich in den Zug steigen? Eine Frage, die sich Sebastian Bernbacher normalerweise gar nicht gestellt hätte. Der Marketingleiter beim Tiefkühlkost-Hersteller Frosta fährt nämlich bei Geschäftsreisen grundsätzlich lieber Zug als Auto – „viel bequemer, und man kann nebenbei arbeiten“.
Aber im Corona-Winter 2020 ist einfach alles anders. Der Vor-Ort-Termin bei Kollegen im rheinland-pfälzischen Bobenheim war wichtig, ließ sich nicht verschieben. „Aber in den Zug steigen, mit 70 Leuten in einem Großraumabteil, und am nächsten Tag dreht meine Corona-App durch?“ – Nein, lieber nicht, beschloss Bernbacher. Und stieg am Firmensitz in Hamburg dann doch lieber ins Auto und navigierte nach Rheinland-Pfalz.
Wie Bernbacher geht es zurzeit vielen Menschen: Selbst wenn das Auto gerade gar nicht die bequemste oder klügste Art der Fortbewegung ist, fühlen sie sich auf dem Fahrersitz sicherer als im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Schließlich ist kaum jemand im Corona-Winter gerne auf engstem Raum mit vielen anderen Menschen unterwegs. Nur zuhause bleiben, das geht bei vielen aber auch nicht. Anders als während der ersten kritischen Pandemie-Phase im Frühjahr sind im Winterhalbjahr Schulen und Kitas weiter geöffnet. Und längst nicht jeder Arbeitnehmer kann ganz auf das Pendeln verzichten und stets im Homeoffice bleiben. Gefragt sind daher smarte Mobilitätslösungen, die Pendlern dabei helfen, den jeweils sichersten Weg ins Büro oder zum Kundentermin zu finden.
Mit dem Lastenrad auch im Winter fit
Bei Bernbachers Arbeitgeber Frosta sorgt ein Mobilitätsbudget für die nötige Flexibilität. Alle Führungskräfte können monatlich eine fixe Summe für Mobilität ausgeben – und dabei frei entscheiden, ob sie diese in Fahrten mit dem privaten PKW investieren, in ein neues Fahrrad, für Carsharing-Fahrten, einen Mietwagen oder für Bus- und Bahntickets. Das Budget ist für private ebenso wie für berufliche Mobilität nutzbar.
„Ich habe es zum Beispiel gerade genutzt, um mein privates Lastenrad für den Winter fit zu machen, mit neuen Bremsen und einem neuen Licht“, berichtet Bernbacher. So kann er auch im Winter sicher durch den Hamburger Stadtverkehr navigieren, unterwegs die Kinder an der Kita absetzen und mit dem Rad weiter ins Büro fahren.
Das Mobilitätskonzept, das Frosta mit dem Mobility-Dienstleister Belmoto umsetzt, soll eigentlich vor allem den CO2-Fußabdruck des Unternehmens minimieren, indem es den klassischen Dienstwagen ersetzt.
Jetzt in der Corona-Zeit hilft es den Mitarbeitern aber auch dabei, ihre Pendelwege flexibel anzupassen, wenn sich mal wieder die Rahmenbedingungen im Verkehrs- und Arbeitsalltag ändern. „Viele Kollegen in Hamburg weichen für den Weg ins Büro zurzeit auf Carsharing-Angebote oder ein Fahrrad aus, statt wie sonst mit der U-Bahn zu fahren“, berichtet Bernbacher.
Auch smarte neue Angebote wie etwa den autonom fahrenden Shuttle-Minibus, der seit Oktober in Hamburg unterwegs ist, könnten die Frosta-Angestellten mit ihrer Mobilitätskarte finanzieren. Das eigentlich für zehn Personen ausgelegte Shuttle darf allerdings zurzeit nur jeweils drei Personen gleichzeitig transportieren.
In der aktuell geringen Auslastung liegt auch ein Grundproblem für viele Mobilitätsdienstleister. In vielen Städten mussten die Anbieter etwa von Carsharing- oder Carpooling-Angeboten und von E-Scootern herbe Umsatzeinbußen hinnehmen oder ihre Angebote sogar zeitweise ganz einstellen, weil sich der Betrieb nicht mehr lohnte. Kommunale Anbieter im öffentlichen Nahverkehr lassen ihre Busse und Bahnen oft nur noch deshalb im gewohnten Takt weiterfahren, weil sie eine Betriebspflicht haben. Sie fahren damit aber Verluste in Millionenhöhe ein. Pilotprojekte für neue, innovative Mobilitätsangebote können derweil kaum noch umgesetzt werden.
Corporate Carsharing bei der Telekom
„Wenn man bei den aktuell niedrigen Fahrgastzahlen auf eine wirtschaftliche Auslastung kommen muss, wird es schwierig“, weiß auch Olga Nevska. Die Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions GmbH ist verantwortlich für den Fuhrpark und die Mobilitätsangebote des Bonner Telekommunikationskonzerns. Die Flotte ist beachtlich: Nevska hält 23.000 Fahrzeuge vor, darunter klassische Dienstwagen ebenso wie speziell ausgerüstete Lieferfahrzeuge für die Techniker, außerdem betreibt sie mehr als 60 Carsharing-Stationen, an denen Telekom-Mitarbeiter mit einer App Autos buchen und leihen können. „Grundsätzlich wollen wir eher wegkommen von den individuellen Dienstwagen und hin zu effizienteren und ganzheitlicheren Mobilitätsangeboten“, erklärt Nevska. Schließlich habe sich auch die Telekom ehrgeizige CO2-Ziele gesetzt. „Der Fuhrpark spielt für das Erreichen dieser Ziele eine wichtige Rolle.“
Im Pandemiejahr geht es aber nun vor allem um die Sicherheit der Mitarbeitenden. „Viele arbeiten natürlich im Homeoffice. Für die Techniker und auch viele Fachkräfte wollen wir aber dafür sorgen, dass sie, wenn nötig, weiter sicher pendeln und reisen können.“ Telekom-Techniker müssen die Pool-Fahrzeuge nun zum Beispiel nicht mehr auf dem Firmengelände abstellen, sondern können nach der Arbeit damit direkt bis nach Hause fahren. Und wer kein eigenes Auto hat, kann sich eines der Corporate-Carsharing-Fahrzeuge auch für einen längeren Zeitraum ausleihen, um es für Fahrten ins Büro zu nutzen. „Außerdem haben wir gerade auf dem Firmengelände in Bonn spezielle Hubs für Leihfahrräder aufgestellt, die Mitarbeiter per App buchen und für Wege zwischen den verschiedenen innerstädtischen Standorten oder in den Pausen nutzen können“, berichtet Nevska.
Firmen-Shuttle statt Bus und Bahn
Stolz ist die Mobility-Expertin der Telekom außerdem auf ein neues Projekt: Seit Mai können Mitarbeiter per App eines von fünfzehn On-Demand-Shuttles buchen, die sie etwa vom Fernbahnhof oder vom Flughafen abholen und von dort aus direkt ins Büro an einem der Telekomstandorte in Bonn, Köln, Darmstadt oder Frankfurt bringen. „So lassen sich viele Anschlussfahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln vermeiden“, erklärt Nevska. Den Shuttle-Service gab es zwar schon länger, allerdings fuhren die Vans bislang nur zu festen Zeiten an festen Standorten ab. „Mit Beginn der Corona-Krise waren aber auf einmal insgesamt viel weniger Menschen unterwegs“, sagt Nevska. Die Herausforderung war also nicht mehr, zu Stoßzeiten das Shuttle mit acht Plätzen möglichst vollzupacken und die Mitarbeiter ohne Umwege schnell an den Arbeitsplatz zu bugsieren. „Jetzt ist es so, dass wir aus Sicherheitsgründen nur noch maximal vier Personen pro Fahrt im Shuttle aufnehmen, und auch die reduzierten Plätze sind selten ausgebucht.“
Zwischen den Fahrten wird der Innenraum desinfiziert, es herrscht Maskenpflicht, und die Fahrerkabine ist mit einer Plexiglasscheibe abgetrennt. „Müssten wir mit den Shuttle-Fahrten Geld verdienen, wäre das unter diesen Umständen unmöglich“, sagt Nevska. Das sei aber auch nicht das Ziel: „Wir wollen vor allem in der Lage sein, auf individuellen Mobilitätsbedarf zu reagieren und Verantwortung für die Sicherheit der Pendler übernehmen.“ Deshalb fahren die Shuttles im Corona-Winter nicht mehr nur bis zum Flughafen oder zur nächsten Bahnstation. Sie sammeln Mitarbeiter, wenn nötig, auch direkt an ihrem Wohnort ein. Dazu geben diese in der App ihren Standort frei, das Shuttle navigiert dann direkt zum gewünschten Abholort und fährt sie bis auf das Firmengelände.
Computerprogramm steuert die Auslastung
Von den Erfahrungen mit dem On-Demand-Modell ist die Telekom-Mobility-Chefin begeistert. „Digital gesteuerte Lösungen wie unsere Shuttles haben jetzt viele Vorteile“, sagt sie. Abgesehen davon, dass sie flexibel einsetzbar seien, „können wir auch die Kontakte und Infektionsrisiken nachvollziehen, die unterwegs entstehen, und die Auslastung sauber steuern.“
Bleibt die Frage: Was tun, wenn der eigene Arbeitgeber keine so ausgefeilten Mobilitätsangebote macht, es ganz ohne Pendeln aber auch im Corona-Winter nicht geht? Ein gutes Hilfsmittel für alle, die nicht ins eigene Auto oder aufs Fahrrad steigen können oder wollen, kann dann zum Beispiel ein Angebot von Google sein: Der Kartendienst Google Maps zeigt nicht nur an, welche Haltestellen und Mobilitätsangebote in der Nähe liegen. Inzwischen gibt die App auch Hinweise darauf, wie voll Busse und Bahnen und Haltestellen gerade sind. So lassen sich Stoßzeiten umgehen. In immer mehr Städten gibt es zudem Mobility-as-a-Service-Plattformen, die es den Nutzern ermöglichen, sich einen Überblick über alle örtlichen Mobilitätsangebote zu verschaffen – und diejenigen auszuwählen, die ihnen am sichersten erscheinen.