Schwefelgeruch liegt in der Luft. Doch der streng an faule Eier erinnernde Geruch hat auch seine Vorteile: Die Quellen, aus denen der Schwefelgeruch steigt, binden CO2 und können in neue, CO2-neutrale Kraftstoffe umgewandelt werden, wie in E-Methanol.
Rund um einen Geysir in Island steht die erste Anlage, die CO2 binden und dank erneuerbarer Energien einen nahezu CO2-neutralen Kraftstoff umwandeln kann: E-Methanol. Der Leichtkraftstoff entsteht mit Hilfe von Sonnen- oder Windkraft, speichert effektiv erneuerbare Energien und lässt sich einfach transportieren. Die kohlenstoffneutrale Alternative zu fossilen Brennstoffen bietet ähnliche Eigenschaften wie herkömmliche Kraftstoffe und reduziert den CO2-Ausstoss, da sie bei der Produktion CO2 aus der Atmosphäre entzieht und bindet.
Zudem ist E-Methanol günstiger als Wasserstoff, kann über die Tankstellen-Infrastruktur verteilt werden und besitzt eine höhere Klopffestigkeit (höhere Oktanzahl) als Benzin. Dazu kann E-Methanol herkömmlichem Kraftstoff beigemischt werden oder dient als Ausgangsstoff für chemische Produkte. Bei der Produktion werden keine giftigen Nebenprodukte erzeugt, da lediglich Sauerstoff und Wasser freigesetzt werden, die Produktionsanlagen benötigen nur Strom, CO2 und Wasser. Aus dem Wasser lässt sich per Elektrolyse Wasserstoff erzeugen. Der wird anschließend mit CO2 in Methanol umgewandelt und kann zu einer speziellen Kraftstoffsorte weiterverarbeitet werden.
Auf Island kommt die Energie aus dem Boden
Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn wie bei allen E-Fuels wird auch bei der E-Methanol-Erzeugung sehr viel Strom benötigt. Anlagen für die Produktion von E-Methanol gibt es nur wenige, bisher produzieren nur kleine Forschungsanlagen E-Fuels. Die 2019 installierte Kopernikus-P2X-Anlage des Karlsruher Forschungsinstitut (KIT) produziert als erste Anlage in vier Schritten Kraftstoff aus Kohlendioxid, Wasser und Ökostrom. Zuerst gewinnt die Anlage Kohlendioxid mithilfe eines speziell behandelten Filtermaterials aus der Umgebungsluft. Danach erfolgt die gleichzeitige elektrolytische Spaltung von Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf. Diese Elektrolyse produziert Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid. Im dritten Schritt bildet die Anlage aus dem Synthesegas langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle – als Rohprodukt für Kraftstoffe. Zum Schluss wird beim Hydrocracken die Qualität des Kraftstoffes optimiert, so dass verschiedene Kraftstoffsorten entstehen.
Carbon Recycling International (CRi), gegründet 2006 in Reykjavik, Island, entwickelte 2012 die erste zertifizierte E-Fuel-Anlage der Welt, die CO2 in flüssigen Brennstoff verwandelt. Es ist gleichzeitig die größte Anlage zur Umwandlung von CO2 zu E-Methanol. Im Land von Feuer und Eis kommt die Energie direkt aus dem Boden und ist immer verfügbar. CRi hat in der Nähe der Blauen Lagune und dem Kraftwerk Svartsengi in Island dazu ein Verfahren entwickelt, bei dem unter anderem Gas aus Abfall eingesetzt wird, um „direct hydrogenation of CO2“ in Methanol zu verwandeln. Das George-Olah-Werk (benannt nach dem gleichnamigen Nobelpreisträger) in Svartsengi kann rund 6.000 Tonnen CO2 aus einem geothermischen Kraftwerk in der Nähe in 4.000 Tonnen Methanol mithilfe von Alakline-Elektrolyse umwandeln. Das CO2 würde sonst in der Atmosphäre gelagert.
„Vulcanol“ treibt Fahrschiffe an
Als CO2-Quellen dienen Geothermal-Quellen aus einem geothermischen Kraftwerk. Die Energie stammt aus dem isländischen Stromnetz, das aus Wasserkraft und Geothermie gewonnen wird. Logischer Name des E-Methanols: Vulcanol für Kraftstoff und Chemie für Abwasserbehandlung. Es dienst als Kraftstoffquelle für Fahrzeuge von Geely du Koenigsegg, dazu für Fähren von Stena Line und Ausflugsschiffen. „Die Anlage ist ein Versuchsprojekt. Wir zeigen seit 2012, dass es möglich ist, E-Methanol wirtschaftlich zu produzieren, sagt Omar Sigurbjörnsson von CRi.
Dass die Technik das Versuchsstadium schon längst verlassen hat, zeigen weitere Anlagen. CRi hat in China für die Henan Shuncheng Group die erste kommerzielle CO2-zu-Methanol-Fabrik entwickelt. Aus 165.000 Tonnen CO2 entstehen hier bis zu 110.000 Tonnen Methanol pro Jahr. Als CO2-Quelle dient allerdings Kohleofen-Gas aus einer Stahlgießerei, der Kraftstoff ist für Nutzfahrzeuge gedacht. Eine zweite Anlage produziert seit September 2023 im chinesischen Jiangsu. Aus 150.000 Tonnen CO2 entstehen dort rund 100.000 Tonnen Methanol im Jahr. Als H2-Quelle dient Propan beim Recyceln von Kunststoffen einer petrochemischen Anlage, als CO2-Quelle Ethylen-Oxid.
Auch Porsche setzt auf E-Fuels
Porsche betreibt seit einem knappen Jahr die Forschungsanlage Haru Oni im Süden Chiles. Ab 2024 soll die mit HIF (Highly Innovative Fuels) sowie mit Siemens Energy entwickelte Anlage rund 350 Tonnen E-Methanol und 130.000 Liter E-Fuels – hochoktaniger Superkraftstoff auf Wasserstoff-Basis – produzieren. Ab 2026 plant Porsche mit einem jährlichen Ausstoß von 55 Millionen Liter und einer Million Liter E-Methanol. Die Energie zur Produktion des Öko-Sprits kommt von einer Windkraftanlage, zudem wird das für die Herstellung von Wasserstoff benötigt Kohlendioxid aus der Luft geholt. Und zwar in größeren Mengen als bei der späteren Verbrennung freigesetzt wird. Damit ist der Kraftstoff nicht nur klimaneutral, sondern sogar klima-positiv. Für 2027 plant HIF zwei weitere Anlagen, eine in den USA und eine in Australien.
Bis zu 315.000 Tonnen CO2 können von der Pilotanlage in Chile derzeit pro Jahr verarbeitet werden. Daraus entstehen bis zu 210.000 Tonnen Methanol. Das klingt nach einer großen Menge, die aber bei weitem nicht reicht: Derzeit fahren rund 1,3 Milliarden Autos mit Verbrennungsmotor durch die Welt. Allein in Deutschland wurden 2022 rund 52,2 Millionen Tonnen Kraftstoff getankt.
Methanol soll Wankelmotor von Mazda antreiben
Omar Sigurbjörnsson schätzt, dass bis 2050 der jährliche Bedarf allein an Methanol bei bis zu 500 Megatonnen (Mt) liegt, davon 115 Mt fossiles Methanol, 135 Mt Bio-Methanol und 250 Mt E-Methanol. „Der Trend geht zu erneuerbarem Methanol und ist ideal für Schifffahrt, Flugzeuge, Industrie und Autos mit Verbrennungsmotor“, sagt Omar Sigurbjörnsson. Wie Autos von Mazda und Porsche.
Die beiden Hersteller gehören zur eFuel-Alliance und glauben fest an E-Kraftstoffe. In der im Sommer 2020 gegründeten Allianz arbeiten Organisationen und verschiedene Parteien zusammen, um CO2-neutrale, synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff als Beitrag zur Emissionsminderung zu fördern. Mazda sieht Vorteile in der Kombination von verschiedenen Technologien und hält (vorerst) an seinen Verbrennern fest. Zum E-Auto MX-30 R-EV gesellt sich ein Range Extender (Link FB), der nach dem Wankel-Prinzip arbeitet und E-Methanol tanken kann.
Zwar will auch Mazda bis 2030 alle neu zugelassenen Modelle elektrifizieren – aber nicht nur als BEV, sondern auch als PHEV, Autos mit einem wiederaufladbaren Hybridantrieb. Damit auch diese CO2-neutral fahren können, vor allem in Ländern außerhalb der EU und Japan, forciert Mazda die Entwicklung von E-Fuels. Porsche will vor allem für seine Bestandsflotte einen CO2-neutralen Kraftstoff bieten, damit die künftigen Oldtimer noch weiterfahren dürfen, wenn Benzin und Dieselkraftstoffe längst verboten sind.
Tesla-Hybrid fährt auch mit Methanol
„Die Kosten für weitere Anlagen zur Produktion von e-Fuels werden weiter sinken und damit auch der Preis für den Kraftstoff. Mit erneuerbaren Energien wie in Island ist der Kraftstoff wettbewerbsfähig“, sagt Omar Sigurbjörnsson. Für ihn sind E-Fuels keine Zukunftsmusik, sondern längst Realität.
Mit der Meinung steht er nicht allein: In einem neuen Buch „Wohlstand und Wirtschaftswachstum ohne Reue“ spricht sich auch der bekannte Kölner Wissenschaftsjournalist Jean Pütz dafür aus, fossile Kraftstoffe durch Methanol zu ersetzen: Der grüne Sprit sei „energetisch viel besser als Strom und sicherer als reiner Wasserstoff.“ Statt die Flotte von über eine Milliarde Autos, die heute mit Verbrennungsmotoren rund um den Globus unterwegs sind, in den kommenden Jahrzehnten durch batteriebetriebene Elektroautos zu ersetzen, sei es klima-, umwelt- und sozialverträglicher, die bestehende Fahrzeugflotte mit E-Fuels zu betanken“, argumentiert Pütz.
Sehr zur Freude der UNO-Denkfabrik „Diplomatic Council“ aus Wiesbaden, aber auch des Erfinders und Unternehmens Frank Obrist aus Lustenau in Österreich: Der Ingenieur, der seine Karriere am Wankel-Institut begann, hat einen „Hyper-Hybrid“ genannten Elektroantrieb entwickelt, bei dem – ähnlich wie bei Mazda – ein mit synthetischem Methanol gefütterter Verbrenner als Generator arbeitet. Erprobt hat er das Antriebskonzept an einem Tesla Model 3, wo der 75 kWh große Akku durch einen Stromspeicher von nur 17 kWh Kapazität sowie einen Zweizylinder als Reichweitenverlängerer ersetzt wurde. Das Fahrzeug wurde dadurch um 250 Kilogramm leichter – und ließe sich nach den Kalkulationen von Obrist schon für 22.000 Euro realisieren.
‚Der grüne Sprit sei „energetisch viel besser als Strom“‚ ist physikalsich einfach nicht haltbar. Wir werden soviel E-Fuels für die Dekarbonisierung von Prozessen benötigen, für die es keine andere Alternativen gibt, da bleibt für die Mobilität kurz- bis mittelfristig nichts übrig.
Auch gibt es eine Ressourcen-schonende Alternative zum Ersetzen von Verbrenner-Autos durch E-Autos: das Nachrüsten (retrofit machen): Verbrenner-Motor raus, Batterie+E-Motor rein und fertig.
Energiedichte Lithium-Ionen-Akku: 140–180 Wh/kg, 190-500 Wh/L
Heizwert Methanol: 5,5 kWh/kg, 4,4 kWh/L (KILOWattstunde wohlgemerkt)
Ist wenigstens das physikalisch haltbar?
Es muss folglich deutlich weniger Masse in Bewegung gebracht werden, und der reduzierte Rollwiderstand spart ebenfalls einen Haufen Energie ein. Demnach kann man sich einen gewissen Wirkungsgrad-Verlust leisten, insbesondere auch da der Energieverbrauch für Produktion/Recycling des Akkus verringert wird.
Was die Produktionsmengen von grünem Methanol betrifft: Vor so ca. 8 Jahren wurde noch beim Thema BEV berichtet: Ich fahre zur Tanke und lade 1,5 Stunden. Dann kamen die DC-Ladesäulen und es hieß: Ach, das dauert doch Jahrzehnte, bis das alles Flächendeckend steht. Und wo bitte soll der ganze Strom herkommen?
Als vor 120 Jahren die ersten Benzin-Autos aufgekommen sind hieß es: Ja abe es gibt doch gar nicht genug Benzin, und wo sollen die Tanken? Ein Paar Jahre später kam das Model T und hat all diese Behauptungen zunichte gemacht.
Was das Retrofit von E-Autos betrifft: Die Preise liegen zwichen 7500 und 30000€! Da kann man viel Methanol für Tanken. Hier mal eine kleine Kostenkalkulation: http://www.c3-mobility.de/news/gruenes-methanol-erfolgreiche-kostenkalkulation/
Letztlich kann man niemandem vorschreiben, wem er seinen Kraftstoff verkauft. Das entscheiden die Unternehmen selbst, von dem her geht die Argumentation mit der Produktionsmenge nicht auf.