Der Leapmotor B10 ist das neueste Mitglied in der schnell wachsenden E-Auto-Familie des chinesischen Herstellers. Unter dem Dach von Stellantis soll er nun den europäischen Markt erobern – mit moderner Technik, viel Platz und einem Preis, der selbst eingefleischte Opel- oder Peugeot-Fahrer ins Grübeln bringen könnte: 29.900 Euro kostet bei uns das schon komplett ausgestattete Basismodell, das Modell mit großem Akku nur 2500 Euro mehr. Damit macht er nicht nur dem Opel Frontera (ab 31.990 Euro mit 54 kWh-Akku) Konkurrenz, sondern könnte auch dem ähnlich großen und ebenfalls heckgetriebenen Skoda Elroq gefährlich werden: Mit 52 kWh großem Stromspeicher kostet der wenigstens 33.900 Euro. Aber viele Extras wie etwa eine Wärmepumpe oder ein Soundsystem müssen hier noch dazugekauft werden, um auf das gleiche Ausstattungsniveau des China-Imports zu kommen. Und Stellantis dürfte bei dem Preis und trotz EU-Strafzoll noch ordentlich Gewinn machen: In China wird der B10 schon für umgerechnet etwas mehr als 12.000 Euro angeboten, das Topmodell – das dort sogar über ein Lidar-System für das hochautomatisierte Fahren auf Level 3 umfasst – für umgerechnet 15.600 Euro.

Déjà-vu
 Insbesondere das Heck des erfreulich kompakten Leapmotor B10 erinnert an den Porsche Cayenne. Sicher kein schlechtes Vorbild.
Déjà-vu
Insbesondere das Heck des erfreulich kompakten Leapmotor B10 erinnert an den Porsche Cayenne. Sicher kein schlechtes Vorbild.

Optisch gibt sich der 4,52 Meter lange B10 zurückhaltend-elegant. Ein wenig erinnert uns das Heck an den Porsche Cayenne – was dem Auftritt sicher nicht schadet. Der Auftritt ist modern, aber nicht aufdringlich-aggressiv. „Wir wollen keine Provokation, sondern ein Auto, das in Europa funktioniert“, sagt Tianshu Xin, CEO von Leapmotor International. Und das tut der B10: klare Linien, schmale Leuchten, stimmige Proportionen.

Innen zeigt sich der Leapmotor hell und freundlich. Ein riesiges (serienmäßiges) Panoramadach bringt Licht in den Innenraum, das 14,5-Zoll-Infotainmentdisplay dominiert das Cockpit. Bedient wird per Touch oder per Smartphone, das sich in einen digitalen Fahrzeugschlüssel verwandeln lässt. Der Kofferraum fasst 420 bis 1.300 Liter, dazu gibt es vorne noch einen kleinen Frunk – praktisch für die Unterbringung des Ladekabels, unpraktisch aber durch den Verzicht auf einen Gasdruckdämpfer, der beim Verpacken des Kabels die Fronthaube hoch hält. Die Materialqualität insgesamt bewegt sich zwischen solide und ordentlich, Soft-Touch gibt es an den richtigen Stellen, der Stil ist klar chinesisch: funktional, aber nicht billig.

Hightech aus Hangzhou

Unter dem Blech steckt Leapmotors neue Plattform 3.5, ein technisches Highlight, das zeigt, wie sehr die Marke auf Effizienz setzt. Nur 22 Steuergeräte und 966 Meter Kabel – etwa ein Drittel dessen, was bei vielen europäischen Herstellern üblich ist. Das spart Gewicht, Energie und Kosten. „65 Prozent der Wertschöpfung entstehen bei uns im eigenen Haus“, erklärt Xin. „Das ist der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit – wir optimieren vom ersten Entwurf bis zur Produktion.“

Platz da
Mit einer Länge von 4,51 Metern ist der Leapmotor B10 drei Zentimeter länger als ein Skoda Elroq. Zum C10 fehlen ihm 23 Zentimeter.
Platz da
Mit einer Länge von 4,51 Metern ist der Leapmotor B10 drei Zentimeter länger als ein Skoda Elroq. Zum C10 fehlen ihm 23 Zentimeter.

Zwei Batteriegrößen stehen beim Leapmotor B10 zur Markteinführung zur Wahl:

  • 56,2 kWh für rund 360 Kilometer Reichweite
  • 67,1 kWh für bis zu 434 Kilometer (WLTP)

Geladen wird der Akku mit 11 kW an der mit Wechselstrom betriebenen Wallbox oder mit bis zu 168 kW am mit Gleichstrom betriebenen Schnelllader – viel mehr bieten die 400-Volt-Stromer europäischer Hersteller in dieser Preisklasse auch nicht. Der Heckmotor leistet in beiden Versionen 218 PS (160 kW) und 240 Nm Drehmoment – gut genug für einen Sprint von 0 auf 100 km/h in 8,8 Sekunden und eine Spitzengeschwindigkeit von 170 km/h. Die Technik ist damit klar auf Alltag und Effizienz ausgelegt, nicht auf Rennstreckenambitionen.

Fahrverhalten: Entspannt elektrisch

Hinter dem Steuer vermittelt der Leapmotor B10 vor allem eines: Ruhe. Die Lenkung ist leicht und direkt, das Fahrwerk mit Unterstützung von Stellantis komfortabel, aber nicht zu weich abgestimmt – ideal für den Stadtverkehr und lange Pendelstrecken. Die Rekuperation lässt sich variabel einstellen, ebenso Motorcharakteristik und Lenkung. Geplant ist zudem, einen Teil der Assistenzsysteme über einen Direktwahlknopf zu deaktivieren – gut so!

Ganz entspannt 
Der Leapmotor B10 mag stilistisch punktuell an Porsche erinnern, ist aber kein Sport-SUV. Fahrkomfort wird groß geschrieben.
Ganz entspannt
Der Leapmotor B10 mag stilistisch punktuell an Porsche erinnern, ist aber kein Sport-SUV. Fahrkomfort wird groß geschrieben.

Im Test zeigte sich der B10 mit einem Durchschnittsverbrauch von 18,9 kWh/100 km als effizienter Begleiter, was in der Praxis rund 400 Kilometer Reichweite bedeuten würde. Nur bei schnellen Autobahnetappen steigt der Stromhunger spürbar an. „Unsere Kunden wollen ankommen, nicht rasen“, sagt Xin lachend. „Deshalb liegt unser Fokus auf Komfort, Zuverlässigkeit und smarter Technik.“

Leapmotor: Der Aufsteiger mit Stellantis-Power

Leapmotor ist einer der Shootingstars der chinesischen E-Auto-Szene. 2015 gegründet, 2022 an der Hongkonger Börse gelistet – und schon über eine Million verkaufte Fahrzeuge. Hinter dem rasanten Wachstum steckt nicht nur clevere Technik, sondern auch ein erfahrenes Managementteam.

Seit Stellantis (Opel, Peugeot, Fiat) 2023 1,5 Milliarden Euro investiert und eine 51:49-Joint-Venture-Struktur für Europa geschaffen hat, läuft der Markteintritt in Rekordzeit. Innerhalb eines Jahres entstanden über 700 Verkaufsstellen weltweit, 120 davon in Deutschland.

Tesla lässt grüßen 
Bei der Gestaltung des Innenraums hat sich Leapmotor offensichtlich am Elektro-Pionier aus Kalifornien orientiert: Die meisten Funktionen werden über den 14,5 Zoll großen Touchscreen über der Mittelkonsole gesteuert. Der Fahrhebel sitzt hinterm Lenkrad.
Tesla lässt grüßen
Bei der Gestaltung des Innenraums hat sich Leapmotor offensichtlich am Elektro-Pionier aus Kalifornien orientiert: Die meisten Funktionen werden über den 14,5 Zoll großen Touchscreen über der Mittelkonsole gesteuert. Der Fahrhebel sitzt hinterm Lenkrad. Vor dem Beifahrer gibt es Befestigungspunkte für Zubehörteile – die aber in Europa vorerst nicht angeboten werden. Fotos: Leapmotor

Angeboten werden in Deutschland derzeit der elektrische „Volkswagen“ T03 zum Einstiegspreis von 18.900 Euro sowie der C10 – ein 4,74 Meter langer Midsize-SUV zum Startpreis von 36.400 Euro. Vertrieben werden sie über ausgewählte Opel-, Peugeot und Citroen-Händler. Ohne dass es dort zu Kannibalisierungs-Effekten kommt. „Leapmotor-Kunden ziehen neue Kundengruppen in die Showrooms – und am Ende profitieren davon auch Opel und die anderen Konzernmarken“, sagte Opel-Chef Florian Huettl, der seit dem Jahreswechsel das Deutschland-Geschäft sämtlicher Stellantis-Marken verantwortet, kürzlich in einem Presse-Gespräch.

Zukunft: Lokale Produktion und neue Modelle

Auch das Ersatzteil-Geschäft sowie der Service läuft in Europa über das Stellantis-Netz. „Wir wissen, dass Vertrauen entscheidend ist“, sagt Xin. „Deshalb haben wir vor dem Marktstart alle Teilelager, Diagnosetools und IT-Systeme in Europa eingerichtet. Wenn ein Händler heute ein Ersatzteil braucht, bekommt er es am nächsten Tag. Das unterscheidet uns von anderen chinesischen Marken.“

Um Strafzölle der EU zu vermeiden, plant Leapmotor zudem eine Fahrzeugproduktion im ehemaligen Opel-Werk Saragossa – die Entscheidung darüber soll bis Ende des Jahres fallen.

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Leapmotor B10

Elektroantrieb: Heckmotor mit 160 kW (215 PS) Leistung, max. Drehmoment: 240 Nm;
Batteriekapazität: 56,2 kWh oder 67,1 kWh; Reichweite (WLTP): 360 bzw. 434 km;
Ladeleistung AC: 11 kW; Ladeleistung DC: 140/168 kW; Ladezeit 30-80%: 20 Minuten;
Länge/Breite/Höhe (mm): 4515/1885/1655; Radstand (mm): 2735:
Basispreis: 29.900 Euro (56,2 kWh-Akku), 32.400 Euro mit 67,1 kWh-Akku.

Parallel arbeitet das Team in Hangzhou an der Range-Extender-Version des B10, die mit Benzingenerator und 1.000 Kilometer Reichweite vor allem Langstreckenfahrer ansprechen soll. Auch kleinere Modelle wie der sportliche Kompaktwagen B05 sind bereits in der Pipeline – das Konkurrenzmodell zum VW ID.3 wurde kürzlich bereits auf der IAA Mobility in München präsentiert.

Fazit: Preis-Leistungs-Held mit Zukunftspotenzial

Der Leapmotor B10 ist ein echter Alltagssieger. Er bietet Platz, Komfort, moderne Software und eine ordentliche Reichweite – und das zu einem Preis, bei dem selbst etablierte Hersteller ins Grübeln kommen dürften. Leapmotor beweist, dass Made in China längst nicht mehr billig heißt, sondern smart, schnell und skalierbar. Mit dem Rückhalt von Stellantis im Rücken dürfte die Marke in Europa noch einiges bewegen. Wer ein modernes Elektro-SUV für unter 35.000 Euro sucht, sollte sich den Leapmotor B10 auf jeden Fall einmal ansehen.

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