In 15 Jahren werde grünes Methanol genauso selbstverständlich sein wie heute das Smartphone, meint Frank Obrist, Gründer und Vorsitzender der Obrist Group mit Sitz im österreichischen Lustenau und in Lindau am Bodensee. Das Unternehmen entwickelt Lösungen für die Lösung des Klimaproblems. Methanol ist für den rührigen Unternehmer die Quelle für die Erzeugung von grünem Strom in Dunkelflauten, Heizwärme für Wohnungen, Büros und Unternehmen, Chemierohstoff und als Treibstoff für den Straßenverkehr, die Schiff- und Luftfahrt sowie die Eisenbahn.

„In der Zwickmühle zwischen der zunehmenden Erderwärmung durch die weitere Nutzung fossiler Energien und den Unwägbarkeiten einer bloß von Wind und Sonne abhängigen Energieversorgung gibt es einen Ausweg, nämlich Sonnenenergie, aber nicht in Form von elektrischem Strom, der sich nur schwer speichern und transportieren lässt, sondern als grünes Methanol“, meint Obrist.

Tesla teilelektrisch
Frank Obrist nutzt ein Tesla Model 3 als Demonstrationsträger für seine Technologie. Der Akku hat hier nur noch eine Kapazität von 17,3 kWh. Mit Strom gefüttert wird er von einem mit Methanol betriebenen Zweizylinder. Foto: Marcel Hagen/Obrist Group
Tesla teilelektrisch
Frank Obrist nutzt ein Tesla Model 3 als Demonstrationsträger für seine Technologie. Der Akku hat hier nur noch eine Kapazität von 17,3 kWh. Mit Strom gefüttert wird er von einem mit Methanol betriebenen Zweizylinder. Foto: Marcel Hagen/Obrist Group

Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) in Berlin denkt über Methanol nach. Anders als ursprünglich geplant dürfen nach 2035 auch in der Europäischen Union noch Autos mit Verbrennungsmotor verkauft werden – wenn diese ausschließlich klimaneutralen Sprit tanken. Grünes Methanol wäre eine von mehreren Optionen. Benzinmotoren müssen dazu nur in geringem Maß umgerüstet werden. Ähnlich äußert sich die Deutsche Energieagentur (dena) in Berlin. Alternativ lässt sich Methanol auch in speziellen Brennstoffzellen nutzen, die Strom für die Elektromobilität erzeugen.

Methanol billiger herzustellen als E-Fuels

Methanol bietet sich als Alternative zu fossilen Treibstoffen an, weil es billiger herzustellen ist als E-Fuel – synthetischer Sprit auf Wasserstoff-Basis mit gleichen Eigenschaften wie Diesel oder Benzin. Im vergangenen Jahr gingen in Deutschland („Leuna 100“) und Süddänemark bereits zwei Anlagen in Betrieb, die Methanol für die Luft- und Schifffahrt aus Wasserstoff und CO2 herstellen. Die Anlagen haben allerdings eher Forschungscharakter, die hier produzierten Mengen sind deshalb nur sehr klein.

Mit kleinen Mengen aber gibt sich Obrist nicht zufrieden. Gemeinsam mit Ewu-Tech in Minnetonka im US-Bundesstaat Minnesota, Entwickler von Technologien, die ohne Emissionen von Klimagas auskommen, und dem Finanzierer Global Enterprises in Abu Dhabi will er unzählige „Modern Forests“ (moderner Wald) im Sonnengürtel der Erde aufbauen. Wälder produzierten, so Obrist, aus Solarenergie und Kohlenstoffdioxid (CO2) Zucker zur Energieversorgung. Seine modernen Wälder nutzten praktisch den gleichen Prozess, allerdings um Methanol herzustellen.

Er denkt unter anderem an Standorte in Namibia in Südwestafrika und Saudi-Arabien – Länder, die von der Sonne verwöhnt sind und ausreichend Platz für gigantische Solarkraftwerke haben. Der erzeugte Strom soll genutzt werden, um Wasser zu spalten. Der erzeugte Wasserstoff wird mit aus der Luft vor Ort gewonnenem CO2 zu Methanol verschmolzen.

Klimanegatives aFuel

Obrist nennt sein Produkt aFuel (atmospheric fuel). Ein Teil des CO2 soll verfestigt und somit dauerhaft aus der Atmosphäre entfernt werden. Der entstehende Kohlenstoff lässt sich endlagern oder technisch nutzen, etwa zur Herstellung von Elektroden für Batterien oder die Stahlindustrie. Damit ist der Prozess klimanegativ. Der Atmosphäre wird mehr CO2 entzogen als später bei der Nutzung des grünen Methanols wieder frei wird.

Obrists Berechnungen klingen märchenhaft, scheinen aber nicht unrealistisch zu sein. Auf rund 280 Quadratkilometern Grundfläche soll jeder „Modern Forest“ knapp vier Millionen Tonnen Methanol im Jahr herstellen. Das entspricht bei heutigen Energiepreisen einem Wert von etwa zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf rund 340 Millionen Dollar. Die Baukosten für eine Gigaplant in Höhe von kalkulierten 18,6 Milliarden Dollar wären demnach in weniger als zehn Jahren eingespielt.

Die Nutzung von Methanol in den Industriestaaten ist deutlich billiger als die von Wasserstoff. Das liegt an den weitaus geringeren Transportkosten. Methanol lässt sich wie Benzin oder Erdöl einfach in Tankschiffen transportieren, während Wasserstoff tiefgekühlt oder unter extremem Druck transportiert werden muss. Alternativ kann er in Form von Ammoniak seine Bestimmungsorte erreichen – eine Möglichkeit, die derzeit von vielen Experten favorisiert wird. Dieses Verfahren benötigt allerdings möglicherweise mehr Energie als die Methanol-Variante.

Produktion in Afrika zur Wiedergutmachung

„Die einfachste und ökologisch unbedenklichste Form ist die Verwandlung von Wasserstoff in Methanol“, sagt Jean Pütz, renommierter Wissenschaftsjournalist und studierter Elektroingenieur. Er bricht eine Lanze für die Produktion in den oft armen Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung. Das Argument, dass diese Staaten politisch oft instabil und deshalb für die Energieversorgung der Welt ungeeignet sind lässt er nicht gelten. „Wenn ein Familienoberhaupt nicht weiß, wie er seine Kinder ernähren soll, dann haben Terroristen keine Probleme, ihn mit ihrer unmenschlichen Ideologie umzufunktionieren“, sagt er. Das werde sich ändern, wenn diese Länder als Energieproduzenten mit den Industrieländern gleichberechtigt werden. Das komme sogar dem Weltfrieden zugute.

Zweizylinder im Frunk 
Der im Tesla verbaute Verbrennungsmotor dient als Generator. Betrieben wird er mit Methanol. Der Clou: Das beim Verbrennen erzeugte Kohlendioxid wird bei der Herstellung von aFuel durch den Entzug von CO2 aus der Atmosphäre überkompensiert. 
Zweizylinder im Frunk
Der im Tesla verbaute Verbrennungsmotor dient als Generator. Betrieben wird er mit Methanol. Der Clou: Das beim Verbrennen erzeugte Kohlendioxid wird bei der Herstellung von aFuel durch den Entzug von CO2 aus der Atmosphäre überkompensiert. 

Pütz hält es für angebracht, Entwicklungsländern Photovoltaik kostenlos zur Verfügung zu stellen, damit sie zu den Industrieländern aufschließen können, „auch als Reparation vergangener Untaten“, womit er auf die koloniale Vergangenheit vieler dieser Länder abhebt.

Solarparks in Namibia

Indirekt folgt Deutschland bereits den Forderungen von Pütz: Die staatseigene KfW-Gruppe in Frankfurt hat der namibischen Energiegesellschaft NamPower einen Kredit über 70 Millionen Euro für einen 100-Megawatt-Solarpark gewährt. Gebaut wird der allerdings von einem chinesischen Konsortium, das von der Chint New Energy Development geführt wird.

„Bei Energieprojekten geht das immer so: KfW finanziert und China liefert und baut“, beklagt Conrad Roedern, Chef von Solar Age Namibia. Sein Unternehmen ist seit 1989 in Namibia tätig, um die Abhängigkeit des Landes von Ölimporten zu verringern. Womit er nicht ganz richtig liegt. Enertrag im brandenburgischen Dauerthal will in Namibia zehn Milliarden Dollar in eine Anlage zur Herstellung von solarem Ammoniak investieren. Es könnte auch Methanol werden.

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