Manchmal wird man von der Entwicklung neuer Technologien regelrecht überrannt. Und manchmal entsteht ein Hype um neue Errungenschaften, der dann innerhalb weniger Jahre verpufft. Die Euphorie um das Brennstoffzellenauto gehörte vor einigen Jahren dazu – heute kämpft die Branche an ganz anderen Fronten. Aber auch um Paketdrohnen ist es deutlich stiller geworden. Von der Vision eines mit einer riesigen Drohnen-Flotte herrschenden Handelskonzerns, die US-Autor Rob Hart in seinem Roman „The Store“ schildert, scheinen wir derzeit jedenfalls noch Jahrzehnte entfernt.

Wie hielt die Logistikszene den Atem an, als am 7. Dezember 2016 Amazon erstmals die Bestellung eines Kunden mit einer Drohne auslieferte. Vom Klicken der Maus zur Bestellbestätigung bis zur Empfangnahme der Ware dauerte es gerade einmal 13 Minuten. Gut, bis zu dem in Cambridge, Großbritannien, ansässigen Kunden war der Weg auch nicht weit und im Hintergrund war alles generalstabsmäßig organisiert. Kurze Zeit später brüstete sich die US-amerikanische Lebensmittelkette 7-Eleven sogar damit, für die Auslieferung weniger als zehn Minuten zu brauchen.

Per "Paketkopter" auf die Insel 
2014 nahm die DHL einen Drohnenliniendienst auf die Insel Juist auf. 2021 wurde der Service wieder eingestellt. Foto: DHL
Per „Paketkopter“ auf die Insel
2014 nahm die DHL einen Drohnenliniendienst auf die Insel Juist auf. 2021 wurde der Service wieder eingestellt. Foto: DHL

Die Euphorie, die sich damals breitmachte, kam nicht von ungefähr. Natürlich geht es beim Einsatz von Drohnen zu logistischen Zwecken nicht um volumenstarke Massentransporte, sondern um die besonders heikle letzte Meile: die Auslieferung an den Endkunden. Sie ist schwer disponierbar, oft zeitkritisch und im Ablauf von schlecht kalkulierbaren Faktoren abhängig – allen voran Verkehrsstaus.

Drohnen-Verordnung schaffte nur teilweise Klarheit

Staus kennen Drohnen natürlich nicht. Zudem sind sie leise und batteriebetrieben – wunderbar also für Nachhaltigkeitszertifikate. Und gab es in den 2010er-Jahren noch Unsicherheiten wegen der grundsätzlichen Zulassungsfähigkeit der Luftkuriere, schaffte die Einführung der EU-Drohnenverordnung zum 31. Dezember 2020 wenigstens teilweise Klarheit: Ein kommerzieller Einsatz ist grundsätzlich möglich, je nach ermittelten Risikofaktoren aber mit sehr aufwändigen Zulassungsprozeduren verbunden.

Naheliegend, dass nach dem Vorpreschen von Amazon auch andere Lieferdienste die große Chance witterten, Paketdrohnen für sich zu nutzen. Deutschland war sogar ein wenig voraus: Im Juni 2014 nahm DHL einen Drohnenliniendienst auf. Er führte von Norden in Ostfriesland auf die Insel Juist. Der „Paketkopter“, wie DHL ihn taufte, belieferte die dortige Seehundapotheke mit Medikamenten. Für die zwölf Kilometer lange Strecke benötigte er rund 16 Minuten – konkurrenzlos schnell. Die Route war fest vorgegeben, die Drohne flog automatisch, aber überwacht. Alles bestens.

DHL stieg wieder aus

Dennoch schaltete der Paketdienstleister von anderthalb Jahren den Akku ab – obwohl die infrastrukturellen Bedingungen grundsätzlich passten, weil Inseln nun mal schwer zu beliefern sind. Andere Pilotversuche von DHL, etwa die Belieferung der oberbayrischen Winkelmoosalm und Medikamententransporte in Tansania, wurden teilweise sogar noch früher beendet.

Paket kommt per Fallschirm 
Der Logistikdienstleister Zipline sorgt in Ruanda dafür, dass Blut- und Plasmakonserven aus der Hauptstadt Kigali schnell zu den Krankenhäusern in der Provinz gelangen. Foto: Zipline
Paket kommt per Fallschirm
Der Logistikdienstleister Zipline sorgt in Ruanda dafür, dass Blut- und Plasmakonserven aus der Hauptstadt Kigali schnell zu den Krankenhäusern in der Provinz gelangen. Foto: Zipline

Auch wenn DHL offiziell keine Gründe für das Aus nennt und stattdessen darauf verweist, dass ein Regelbetrieb ohnehin nie geplant gewesen wäre, sind hierzulande die grundsätzlichen Probleme der Drohnenzustellung unübersehbar. Zwar gibt es die formale EU-Verordnung, doch der Luftraum ist in Deutschland streng reguliert.

Frachtflüge über Wohngebiete kritisch

Besonders heikel wird es, wenn Wohngebiete überfolgen werden müssen. Ohne Zustimmung der Grundstücksbesitzer dürfen das nur Drohnen, die maximal 250 Gramm wiegen – schon das ist ein K.O.-Kriterium für Frachtflüge. Außerdem dürfen sie weder Fotos, Videos und Sounds aufzeichnen können. Auch das ist problematisch, denn der Drohnenpilot fliegt auf Grund der Distanz natürlich nicht auf Sicht, sondern per Kamera.

Natürlich sind Ausnahmeregelungen möglich, doch eine ganze Logistiksparte auf Ausnahmeregelungen zu bauen, scheint wenig sinnvoll. Damit ist offensichtlich, dass die Drohne in unseren Breiten bis auf weiteres nicht massentauglich ist: Sie kommt wirtschaftlich nur dann in Frage, wenn die politischen Rahmenbedingungen passen und es die Infrastruktur nicht nur zulässt, sondern geradezu fordert.

Drohnen bringen Blutkonserven

Wie das funktionieren kann, zeigen die Schweiz – und ausgerechnet Ruanda. In dem ostafrikanischen Land werden vom Logistikunternehmen Zipline bereits seit vielen Jahren Blut- und Plasmakonserven von der Hauptstadt Kigali aus in Provinzkrankenhäuser geflogen, wo sie an Fallschirmen abgeworfen werden. So verkürzt sich die Transportdauer von durchschnittlich vier Stunden auf eine. Der Vertrieb funktioniert erfolgreich, profitiert aber von der schlechten Bodeninfrastruktur.

Vielversprechend ließ sich auch ein Pilotprojekt in der Schweiz an, das sogar über dicht bebaute Gegenden führte. Autonome Lieferdrohnen von Jedsy flogen regelmäßig medizinische Produkte und Blutproben zwischen Lugano, Bern und Zürich – mit drastischer Zeitersparnis gegenüber der Straße. Nachdem binnen kurzer Zeit zwei Zehn-Kilogramm-Drohnen abgestürzt waren, wurde das Projekt aber gestoppt.

UPS testet Drohneneinsätze in Texas

Aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte geht man in den USA mit solchen Szenarien lässiger um. Denn während in Europa die Begeisterung für die Thematik merklich abgekühlt ist, geht es großen US-Logistikunternehmen – allen voran Amazon und UPS – nicht schnell genug. Wieder preschte der Versandriese vor und führte vergangenes Jahr in den Städten Lockeford, Kalifornien, und College Station, Texas, den Amazon Prime Air Service ein. Doch inzwischen regt sich in der Gemeinde 150 Kilometer östlich von San Francisco Widerstand. Es geht um Sicherheitsbedenken und prinzipielle Ängste gegenüber der Drohnentechnologie.

Abheben zur letzten Meile
UPS nutzt bei einem Feldversuch in Texas seine elektrischen Lieferwagen als als Start- und Ladebasen. Drohnen übernehmen hier den Transport von Paketen zu den entlegenen Farmen, was Zeit, Strom und Geld spart. Foto: UPS

Wer jedoch glaubt, das Thema Drohnen für die Logistikbranche vorläufig doch wieder ad acta legen zu können, irrt gewaltig. Auch wenn in Europa Lieferdrohnen vorläufig nur bei sehr speziellen Aufgaben wirklich sinnvoll sind, erschließt sich ein neues Einsatzgebiet: die Intralogistik auf dem eigenen Betriebsgelände, auf dem keine Luftraumkontrollen gelten.

Noch geht es hier viel um Warenüberwachung und Sortimentskontrolle, doch Pick-up-Drohnen in Großlagern sind bereits in der Erprobung. Angesichts der geringen Anschaffungs- und Unterhaltskosten von Drohnen ist nur zu wahrscheinlich, dass auch hier bald schon neue Möglichkeiten gefunden werden.

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