„Don’t pay the ferryman, before you are on the other side…“, ermahnte einst singend Chris de Burgh. Das war vor genau 20 Jahren. Die Zeiten haben sich seitdem radikal geändert. Chris de Burgh, 74, singt zwar immer noch. Aber Fährleute wird es in Zukunft nicht mehr geben. Und selbstverständlich werden die Boote von Elektromotoren angetrieben. Bezahlt wird ohnehin längst mit Kreditkarte via Smartphone. Zumindest in Skandinavien.

Schon im kommenden Sommer werden in der schwedischen Hauptstadt Stockholm die ersten Fährboote automatisch verkehren. 25 Passagiere sollen an Bord des zwölf Meter langen Bootes gehen können, mit sechs Minuten Fahrtzeit wurde die Überfahrt im Liniendienst von Kungsholmen in der Nähe des Rathauses nach Sødermalm über den verkehrsreichen Riddarfjärden berechnet. Dort sind im Sommer zahlreiche Segelschiffe und Motoryachten unterwegs, außerdem Touristendampfer in Richtung des Königsschlosses Drottningholm und nach Mariefried mit Schloss Gripsholm. Es ist also allerhand los.

250 kWh-Akku an Bord

Betreiber des innovativen Dienstes ist die in Norwegen führende Fährgesellschaft Torghatten AS aus Brønnøysund, die mit ihren rund 7.000 Beschäftigten im Fjordland sowie im Inselreich des Hordalandes entlang der Atlantikküste mehr als 80 Fährdienste – Autofähren und Schnellboote – durchführt. Umweltschonend auch der elektrische Antrieb der Personenfähre: Power für 15 Stunden Betriebszeit werden Batterien mit einer Kapazität von 250 kWh an Bord liefern – nachts werden die mit grünem Landstrom wieder aufgeladen.

Zeabuz

Entwickelt hat die volldigitale und vollelektrische Personenfähre das norwegische Unternehmen Zeabuz. „Weltweit wird es die erste kommerzielle Nutzung unserer autonomen Fähre sein“, so Zeabuz-CEO Erik Dyrkoren (49) im Gespräch mit EDISON über das Projekt in Stockholm. Das Fährboot wird in der Werft Brødrene Aa AS in Hyen am Nordfjord an der norwegischen Westküste als Katamaran gebaut. Die Fertigstellung ist für April 2023 geplant.

Brødrene Aa AS gilt als besonders erfahrene Werft im Bau von Fähren aus Carbon Fibre-Teilen. So entstand dort auch die erste Elektrofähre „Future of the Fjords“. Sie verkehrt seit Mai 2018 zwischen Flåm und Gudvangen durch das UNSECO-Welterbe Nærøyfjord, einen der landschaftlich schönsten Fjorde in Norwegen, 20 Kilometer lang und an der schmalsten Stelle nur 250 Meter breit.

„milliAmpere 2“ hat Tests bestanden

Vor drei Jahren wurde mit dem Zeabuz-Projekt in Trondheim begonnen. Ursprünglich war es eine Entwicklung des maritimen Forschungsbereichs der norwegischen Universität der Wissenschaft und Technologie (NTNU) in Trondheim. Zur Einsatzreife gebracht wurde das Projekt in einem Spin-off der Hochschule von Dyrkoren und seinen heute 17 Beschäftigten. Erik Dyrkoren kam im Januar 2020 zu dem Start-up Zeabuz, nachdem er zuvor unter anderem als Logistikmanager für die internationale Raumstation bei der ESA tätig war.

„Wir halten die Zeabuz-Technologie heute für marktreif“, erklärt Dyrkoren selbstbewusst. Nach Labor- und Modellversuchen wurde im September 2022 der zweite Prototyp gelauncht, ausgestattet mit Radar, Lidar, GPS, optischen Kameras und Infrarotsensoren. Innerhalb von 14 Tagen beförderte die 8,5 mal 3,5 Meter große Zeabuz-Fähre mitdem Namen „milliAmpere 2“ bei 400 Fahrten rund 1.500 Passagiere über einen Kanal in der Nähe des Trondheimer Hauptbahnhofes – völlig problemlos, ohne jedwede technische Störung.

Nächster Einsatz bei Olympia 2024 in Paris?

Doch Störungen könnte es in Zukunft theoretisch durchaus geben. Stichwort: Cyber-Angriffe. Sie machen immer häufiger den Betreibern von E-Werken, Verwaltungen und Krankenhäusern zu schaffen. Unlängst wurde auch der Düsseldorfer Handelskonzern Metro Opfer einer solchen Attacke aus dem Internet. Mit dem Ergebnis, dass in den Märkten des Unternehmens in Österreich, Deutschland und Frankreich Kassen und Barcode-Scanner nur noch sporadisch funktionieren. „Das ist ein guter Einwand“, muss Dyrkoren zugeben. Doch die Trondheimer Entwickler sehen ihre autonomen Fähren gut gewappnet und abgesichert gegen solche Angriffe. Bei Fragen nach Details wird Dyrkoren allerdings recht wortkarg, wohl aus gutem Grund. Deshalb wird in der Anfangsphase der autonomen Fähre auch ein Kapitän an Bord sein, vom Kontrollraum werden die Fahrten überwacht.

Viel lieber redet er über Pläne für weitere Einsätze der selbstfahrenden Fährboote. Etwa in knapp zwei Jahren während der Sommer-Olympiade in Paris. „Wir sind in Gesprächen mit den Behörden und einer lokalen Fährgesellschaft“, so Dyrkoren. Im ersten Quartal 2023 werde es eine Entscheidung geben. Gebaut würden die Fährboote dann in einem Betrieb in der französischen Hauptstadt.

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