Die erste Ottobahn soll 2023 schweben
Vorteil von vorhandener Technik sei, dass sie bereits zugelassen sei, sagt Schindler. So müsse Ottobahn am Ende nur das ganze System zertifizieren lassen, nicht aber jede Komponente einzeln. So will das Unternehmen seinen ehrgeizigen Zeitplan schaffen: Bis 2023 soll die erste Ottobahn im Einsatz sein.
Derzeit gibt es nur eine kurze Strecke im Büro. Als nächstes soll in einem Gewerbegebiet im Süden von München eine einen Kilometer lange Teststrecke gebaut werden. Der Bau soll in Kürze beginnen. Dort sollen dann auch die zwei Hauptkomponenten getestet werden, die Ottobahn für dieses System entwickelt und die überhaupt erst den Betrieb ermöglichen.
Eigene Steuerungssoftware
Das eine sind die Weichen: Die Idee von Ottobahn ist, ein stadtweites Schienennetz zu errichten. Da ist es unvermeidbar, dass es auch es Kreuzungen und Abbiegestellen geben muss. Dafür hat das Unternehmen eine spezielle Weiche entwickelt. Die Weiche selbst ist passiv. Die Steuertechnik ist im Antrieb und lenkt die Kabine in die richtige Richtung. Wie das genau funktioniert, will Schindler nicht verraten: Diese Technik hat das Startup gerade erst beim Patentamt angemeldet.
Doch das Kernstück der Ottobahn ist die Software, die das gesamte Verkehrssystem intelligent steuert. Sie sorgt dafür, dass eine Kabine zur richtigen Zeit beim Fahrgast ist, dass die Bestellungen an Bord sind, sie sorgen für das Routing der Kabine zum Ziel und einen reibungslosen Ablauf. „Wir positionieren uns als Software-Unternehmen“, sagt Schindler. „Der Unterschied wird nicht sein, dass wir die schönste Kabine bauen, sondern dass wir den Verkehrsfluss da oben effizient steuern werden.“
Die Kabine wird per App bestellt
Das Konzept sieht so aus: Der Fahrgast bestellt per App eine Kabine, etwa morgens für den Weg zur Arbeit. Als Zusatzdienst bucht er sich das Frühstück gleich mit, Kaffee und Croissant beispielsweise. Zum verabredeten Zeitpunkt fährt die Kabine bei ihm vor, sinkt ab und lässt ihn einsteigen. Dann fährt sie wieder hoch und macht sich auf den Weg.
Das zumindest ist die Vision, wenn ein Stadt-umfassendes Netz verfügbar ist. Zu Anfang werden sich die Fahrgäste noch zum nächstgelegenen Punkt der Trasse begeben müssen. Letzte-Meile-Dienstleister wie Scooter-Verleiher könnten da einspringen.
Die Software sorgt dabei dafür, das es keine Konflikte mit anderen Kabinen gibt: Niemand muss warten, während ich in meine gebuchte Kabine steige. „Das System sortiert die Kapseln so ein, dass es keinen Stau gibt“, erläutert Schindler. Denn es wisse zu jedem Zeitpunkt, wo sich die Kabinen befänden und zu welchem Ziel sie unterwegs seien.
Ottobahn lässt keine Staus entstehen
So sei es möglich, dass zur Stauvermeidung die Kapsel umgeleitet werde, erzählt Schindler. Statt die Straße entlangzufahren, in der gerade ein Fahrgast ein- oder aussteige, werde sie durch die Parallelstraße geleitet und diese ohne Verzögerung passieren. Wollen zwei Fahrgäste in dieselbe Straße, sortiert das System die Kabinen so, dass derjenige, der zuerst aussteigen will, als zweiter in die Straße einbiegt.
Um das System effizienter zu machen, sollen Kabinen gruppiert werden. Ähnlich wie beim Platooning von Lkw auf der Straße sollen die Kabinen zu Zügen zusammengestellt werden, um die Aerodynamik zu verbessern. Für den Stadtverkehr mag das nicht so relevant sein. Aber Ottobahn plant, dass die Trassen auch Städte miteinander verbinden sollen und dass Fahrgäste mit den Kabinen irgendwann mit Tempo 250 auch über Land reisen. Dann ist ein Platooning sicher sinnvoll.
Mehr als 15 Städte haben Interesse
Ob Ottobahn die Chance für ein größeres Projekt über die Teststrecke hinaus bekommt, wird die Zukunft zeigen. Technisch, sagt Schindler, sei das kein Problem. Etwa 15 Städte, erzählt er, hätten sich schon gemeldet und um Detailinformationen gebeten – aus Deutschland, aber auch aus dem Ausland, etwa den USA. Es habe auch schon Gespräche mit Vertretern des Münchner Landkreises Dachau über den Bau einer Ottobahn gegeben.
Aber in Deutschland gehen die Uhren recht langsam. Eine der interessierten Städte, erzählt Schindler, wolle unbedingt eine Ottobahn in ihr Verkehrskonzept für das Jahr 2040 integrieren. Das ist aber zu spät für das Startup: „Bis dahin reicht unser Geld nicht“, sagt Schindler.
„Die größte Herausforderung sehe ich darin, die notwendige Lobby-Arbeit zu machen, dass das Baureferat einer Stadt mutig sagt: Wir probieren das mal aus.“ Und das möglichst vor Ende des Jahrzehnts.
Am Ende wird es wohl darauf hinauslaufen, dass die erste reguläre Ottobahn nicht in heimischen Gefilden schwebt, sondern eher im Mittleren oder Fernen Osten.