Diesel als fossiler Kraftstoff wird auch im Schwerlastverkehr über kurz oder lang abgelöst werden. Kalifornien will Lastwagen mit Verbrennungsmotor sogar gänzlich abschaffen und gibt synthetischen Lösungen offensichtlich keine Chance. Die Aufsichtsbehörde CARB (California Air Resources Board) hat jetzt beschlossen, dass ab dem Jahr 2036 keine Diesel Trucks mehr gekauft werden dürfen.

Wasserstoff-Truck auf dem Brenner
Volldampf voraus
So sieht es zumindest aus. Denn statt der üblichen Abgase eines Diesel ist das Verbrennungsprodukt eines Brennstoffzellen-Lkw reines Wasser.

Daimler Truck wäre für diesen Fall schon jetzt gewappnet. Die rein batterie-elektrischen Mercedes-Benz eActros sind in Serie oder kommen demnächst in Serie. Zwar handelt es sich im Falle der Wasserstoff-Lastwagen mit dem Arbeitstitel Mercedes-Benz GenH2 noch um Prototypen, die einerseits gasförmigen, andererseits flüssigen Wasserstoff tanken können. Doch die Serienreife steht „ad portas“, wäre einsatzfähig und wartet darauf, trotz 40Tonnenlast behände unterwegs sein zu dürfen.

Flaschenhals Infrastruktur

Die Schwachstelle liegt immer noch in der Infrastruktur, das Tankstellennetz ist bisher mangelhaft. Deshalb werden die GenH2 wohl erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts in Serie gehen. Der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur für Lkw wie Pkw wird von Herstellern wie Daimler Truck, BMW, Hyundai, Toyota zügig vorangetrieben werden.

Tankvorgang eines Wasserstofftanks an einem Lkw
Technologie in der Nische
Aktuell fristen Wasserstoffantriebe ein Nischendasein. Die Technologie selbst funktioniert jedoch bereits tadellos und ist erwiesenermaßen leistungsfähig genug für den breiten Einsatz.

Zulieferer Mahle sieht sich global aufgestellt und ist davon überzeugt, dass E-Mobilität alleine den Transformationsprozess zur CO2-Neutralität im globalen Kontext nicht gelingen kann. Deshalb betreibt das Stuttgarter Unternehmen ein eigenes Wasserstoffprüfzentrum am Hauptstandort in Stuttgart Bad-Cannstatt. Bis 2035 werden weltweit noch circa 60 Prozent des Lkw-Verkehrs mit einem Verbrenner unterwegs sein, zehn Prozent hybrid, 30 Prozent als BEV oder mit Brennstoffzelleantrieb, so der Zulieferer.

„Wir glauben, dass die Wasserstoffnutzung, insbesondere im Schwerlastverkehr, eine große Rolle spielt und auch technisch sinnvoll ist […] und zwar überall da, wo es mit schweren Fahrzeugen weite Strecken zurückzulegen gilt.“

Mahle Unternehmenssprecher

In seinem Prüfzentrum entwickelt Mahle zu diesem Zweck Wasserstoffmotoren und die Brennstoffzelle im Parallelbetrieb – zu letzteren liefert Ballard die Stacks. Der Wasserstoffmotor kann schneller unterwegs sein als die Lösung mit Brennstoffzellen. „Momentan testen wir einen Stack mit 120kW pro Stack. Für einen Truck nimmt man davon zwei bis drei.“

Wasserstoff wird kommen

Mahle sieht sich auf dem richtigen Weg, genau wie Daimler. Einstweilen mehren sich die Stimmen, die nach Wasserstoff als alternative Antriebsform rufen. Auch die Beratungsgesellschaft Arthur D. Little kommt in ihrem aktuellen Expertenpapier „Hydrogen: Trucking’s alternative fuel of the future“ (Wasserstoff: Der alternative Kraftstoff der Zukunft für den Lkw-Verkehr) zu dem Schluss, dass Wasserstoff im Schwerlastverkehr definitiv kommen wird und schon bald viele Wasserstoff-Lkw unterwegs sein werden. Tendenz rasant steigend, so die Prognose.

Zwei Lkw mit jeweils unterschiedlichen Antrieben vor einem Bergpanorama.
EV vs H2
Mit Batterie und Wasserstoff auf Alpentour – CO2-neutrale Lkw von Daimler Truck zeigen ihr Können.

Die Daimler Truck AG fährt mit ihrer Lastwagen-Speerspitze der Marke Mercedes-Benz eine „ganz klare doppelte Strategie“, wie EDISON bei den Testfahrten über den Brennerpass erfuhr. Im Gespräch mit Dalibor Dudic, dem Projektleiter Mercedes-Benz eActros, schlüsselte dieser die Vor- und Nachteile der vom Konzern angepeilten alternativen Antriebsvarianten auf. 

Daimler fährt „klare Doppelstrategie“

Herr Dudic, Daimler Truck bietet sowowohl batterie-elektrische wie auch wasserstoffbetriebene Schwerlaster an. Warum so viele Alternativen zum guten alten Diesel?

Wir verfolgen konsequent eine klare Doppelstrategie mit Batterie-elektrischen und wasserstoffbasierten Antrieben; die wird definiert durch Anwendungsfall und Infrastruktur, d.h. wofür benötigt der Kunde das Fahrzeug? Was möchte er damit transportieren. Ist es gekühlte Ware, ist es paketierte Ware, ist es Schüttgut? Dementsprechend gibt es unterschiedliche Aufbauten – mit Kühlkoffern, die auf dem Fahrzeug angebracht werden, mit Müllaufbauten, wie man sie aus dem kommunalen Verkehr kennt oder eben der klassische Euro-Trailer, den wir im Standardgeschäft als den Lkw schlechthin bezeichnen. 

"Wir verfolgen konsequent eine klare Doppelstrategie"
Projektleiter Dalibor Dudic sieht neben Batterie-elektrischen Lastzügen auch einen Markt für Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieben - je nach Einsatzzweck und Fahrstrecke. Fotos: Daimler Truck
„Wir verfolgen konsequent eine klare Doppelstrategie“
Projektleiter Dalibor Dudic sieht neben Batterie-elektrischen Lastzügen auch einen Markt für Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieben – je nach Einsatzzweck und Fahrstrecke. Fotos: Daimler Truck

Je nachdem, was der Fahrer transportieren möchte, muss die Auslegung des Anwendungsfalles erfolgen. Dabei ist für Daimler Truck die Reichweite von hoher Relevanz: Was möchte er über welche Distanzen wohin transportieren? Das definiert den Anwendungsfall.

Schön und gut, Daimler Truck kann alle Anwendungsfälle. Wie aber sieht es mit der Infrastruktur für diese Zero Emission Lkw aus?

Die Infrastruktur ist neben der Wahl der Antriebstechnologie der andere Baustein. Mit anderen Worten: Die Technologie des Antriebsstrangs hängt vom jeweiligen Anwendungsfall und von der verfügbaren Infrastruktur ab. Die Technologie ist das Resultat, wenn die Bausteine, Anwendungsfall und Infrastruktur bekannt sind.

Wasserstoff Lkw beim Tankvorgang samt Zapfsäule
Wasserstoff tanken
Das Betanken mit Wasserstoff ähnelt dem gewohnten Dieseltanken sehr. Auch zeitlich entstehen keinerlei Einbußen.

Also ob voll batterieelektrische, ob Brennstoffzellenantriebe, mit gasförmig gespeichertem H2, oder ob Brennstoffzellenantriebe mit flüssig gespeichertem H2. Bei Daimler entwickeln wir keine Technologie der Technologie halber, um zu zeigen, wie gut und fortschrittlich wir sind – allenfalls mal als Vorzeigetechnik. Wir wollen die Anwendungsfälle unserer Kunden bedienen.

Der Anwendungsfall ist also das A und O? Daimler Truck hat technologisch alles in der Schublade, aber die Infrastruktur und die politische Beschlussfassung klappern hinterher?

Das könnte man so sagen. Je nach den Kriterien, welche Ware zu transportieren ist, über welche Distanzen und welche Infrastruktur <Anm. Redaktion: derzeit> verfügbar ist – wählt der Kunde die passende Antriebstechnologie aus.

Dabei gilt folgende Faustregel: Für planbare Routen ist die batterieelektrische Lösung, die energieeffizienteste. Der Wirkungsgrad der Batterie, die die Sekundärenergie Strom speichert und zur Verfügung stellt, wird direkt verbraucht. Dazwischen findet keine Umwandlung statt. Wir haben Effizienten von größer-gleich 95 Prozent, eher 98 Prozent. Daher ist dies die absolut energieeffizienteste Antriebsart.

E-Laster
E-Actros von Daimler Truck
Dudic schätzt ein, dass BEV-Lkw bis zu einer Reichweite von 500 Kilometern mit größtmöglicher Effizienz unterwegs sind. Darüber hinaus ist Wasserstoff interessant.

Dann kommt die Frage: Wohin trägt uns diese Energie? Wir wissen, mindestens mal bis zu einer Distanz von etwa 500 Kilometern. Alles, was darüber hinausgeht, bedarf so viel an Energie, dass dem Kunden zu große Einbußen bei den Nutzlasten entstehen, die er zu transportieren hat. Mit anderen Worten: Nutzlast geht verloren – was er mitnehmen kann in seinem Auflieger, in seinem Kühlkoffer o.ä. wird einfach weniger. 

Ist hier also der Tipping-Point zugunsten von Wasserstoff?

Exakt. Denn alles jenseits dieser 500 Kilometer bedarf eines anderen Energieträgers. Und hier kommt, wenn wir in Richtung Zero Emission gehen, der Wasserstoff ins Spiel. Warum? Jenseits 500 Kilometer Reichweite bringt der Wasserstoff im Fahrzeug nicht so viel Gewicht auf die Waage wie die BEVs. Und je höher der Bedarf an Kilometer-Laufleistung beim Kunden, desto attraktiver ist diese Technologie.

Und wann soll ich mich nun für den flüssigen Wasserstoff als Antriebsform, wann für den gasförmigen entscheiden? 

Ok: Ich habe den in gasförmiger Form gespeicherten Wasserstoff, den ich dem Antriebsstrang in gasförmiger Form zur Verfügung stelle. Auf der anderen Seite gibt es den flüssigen Wasserstoff. 

Der Unterschied, ob gasförmig oder flüssig, ist das Druckniveau. Beim gasförmigen ist der heutige Industriestandard 350 bar. Das ist, was Sie heute handelsüblich tanken können. Die nächste Stufe, die in puncto Druck kommen wird, sind 700 bar. Durch den höheren Druck lässt sich mehr Energie im selben Volumen speichern. Das resultiert natürlich in größerer Reichweite.

Warum brauche ich dann überhaupt flüssigen Wasserstoff?

Beim flüssigen Wasserstoff geht es nicht um Druck, sondern um den Aggregatzustand. Mit anderen Worten: Man führt eine Verdichtung und eine Abkühlung durch. Wir sind hier bei etwa -253° Celsius, die wir im Tanksystem haben, um genau die großen Energiemengen wasserstoffseitig speichern zu können.

Druck macht den Unterschied
Je nach ausgeübtem Druck liegt Wasserstoff flüssig oder eben gasförmig vor – so will es die Physik. Je Dichter man das Element packt, desto mehr Energie lässt sich pro Volumen mitführen.

Mit der Reichweite verhält sich, grob gesprochen so: Im gasförmigen Bereich bei 350 bar können wir Reichweiten um 500 Kilometer abbilden. Bei 700 bar erreichen wir bis zu 800 Kilometer. Und beim flüssigen Wasserstoff beträgt die Reichweite 1000 Kilometer und mehr. Natürlich immer bei gleicher Tankgröße.

Damit kann flüssiger Wasserstoff als Energieträger mit dem Diesel locker konkurrieren und ist dabei deutlich flotter unterwegs, wie wir mit dem auf 40 Tonnen beladenen Prototypen bei der Fahrt zum Brennerpass merkten.

Genau das ist der Sinn dieser Technologie.

Flüssiger Wasserstoff klingt absolut schlüssig und logisch. Warum hat man das jetzt erst auf dem Radar? 

Nun, die 350 bar Technologie bzw. der Druckwasserstoff ist seit längerer Zeit in der Industrie präsent. Die Anwendung als solche ist bekannt. 

Was neu ist, sind die Mengen. Wir sind jetzt einfach bei mehr Mengen, die wir auch für den Betrieb eines industriellen Guts wie eines Lkw benötigen. Man kann hierfür bestehende Infrastrukturen nutzen, man kann theoretisch auch ein Pipelinenetz dafür umwidmen.

Ein Wasserstoff Lkw nimmt den Brennerpass
Egal wo: Infrastruktur zählt
Da fossile Brennstoffe über viele Jahrzehnte hinweg günstiger als andere waren, richtete sich auch die Infrastruktur nach ihnen aus. Ein Wechsel auf Wasserstoff bringt zukünftig ihre eigene mit – und das im besten Falle flächendeckend.

Es sind Technologien, die seit Jahrzehnten bei uns verfügbar sind, die aber ihre Grenzen kennen. Ihre Grenzen, wenn es darum geht – wie ich vorhin erwähnte, über größere Distanzen große Mengen effizient zu produzieren, zu speichern und zu transportieren. Transportieren auf dem Seeweg – das sind bis heute die günstigsten Routen, auf der Schiene und auf dem Lkw und zwar flexibel. Die Pipeline ist ortsgebunden – sie strömt einen Punkt an, wird abgenommen. Da sind wir einfach flexibler, wir können an den Standort A die Energie oder den Energieträger hinbekommen, ohne große infrastrukturelle Maßnahmen umzusetzen.

Warum also hat sich flüssiger Wasserstoff nicht schon durchgesetzt?

Der Bedarf der hohen H2 Mengen ist schlichtweg nicht dagewesen. Wir haben fossile Energieträger – die haben bislang unser globales Business bestimmt und werden es kurzfristig auch noch bestimmen. 

Wenn wir als Gesellschaft vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens, mit dem Ziel der vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 – im Bund, in Europa und weltweit – nachkommen wollen, brauchen wir alternative Energieträger. 

Diese alternativen Energieträger werden sicherlich in einer Form vorliegen, in der sie flüssig sind und global gehandelt werden. Die Prämisse dafür ist, dass er sich auch zu einem großen Geschäftsfeld entwickeln kann. Dort wird der flüssige Wasserstoff – und ich rede hier nicht nur von einer Transportindustrie – alle Industrien bedienen können. 

Unser Fazit

Dudics Ausführungen klingen bislang speziell in punkto flüssiger Wasserstoff, dem neuen Verfahren, noch nach etlichen Unbekannten. Bedenkt man aber, welch forsche Gangart Kalifornien im Nutzfahrzeugbusiness aktuell beschlossen hat, dürfte der Ruf nach flüssigem Wasserstoff nicht lange auf sich warten lassen – gerade auch in Europa.

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