In den nächsten 25 Jahren wird die Weltbevölkerung von acht Milliarden auf rund zehn Milliarden Menschen anwachsen – die alle mit Lebensmitteln versorgt sein wollen. Das stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Weil die Agrarflächen aufgrund von Klimawandel und infolge von Überbauung knapper werden. Aber auch, weil immer weniger Menschen auf Farmen und Bauernhöfen arbeiten wollen: In den USA haben 88 Prozent der Farmer massive Probleme, Fach- und Hilfskräfte zu gewinnen. Mit der Folge, dass Landwirte täglich bis zu 18 Stunden am Stück im Einsatz sind, um die Arbeiten auf den Feldern und Plantagen zu bewältigen.
Vollautonom fahrende Traktoren sind da eine willkommene Hilfe. John Deere, mit einem Jahresumsatz von über 50 Milliarden US-Dollar einer der größten Hersteller von Landmaschinen aller Art, hat bereits seit 2022 eine Art Robo-Traktor im Angebot. Jetzt zündete Technikvorstand Jahmy J. Hindman die nächste Stufe der Automatisierung.
„Wir machen heute einen gigantischen Sprung “, strahlte der Ingenieur diese Woche auf der CES in Las Vegas. Anlass war die Präsentation von zwei vollautonom fahrenden Hochleistungs-Traktoren der nächsten Generation. Diese können nicht nur einfache Arbeiten wie das Pflügen und Eggen großer Äcker übernehmen, sondern aufgrund einer zusätzlichen Zahl von Sensoren und Kamerasystemen sowie mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz auch komplexere Aufgaben übernehmen. Etwa die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auf einer Mandelplantage oder das Ernten von Salatköpfen.
Mehrkosten amortisieren sich schnell
Dadurch spart der Landwirt nicht nur Personalkosten. Das Land kann auch effizienter bearbeitet werden. Weil ein vollautonom fahrender Traktor im Unterschied zum Menschen kaum Pausen benötigt, nicht müde wird und im Grunde rund um die Uhr arbeiten kann. Zudem ermöglicht es die Technik, die Wege exakter zu planen, was nicht nur Zeit, sondern auch Energie spart. Damit amortisieren sich die Mehrkosten für die zusätzliche Technik sehr schnell, wie Gregor Sueck im Gespräch mit EDISON argumentiert.
Der Deutsche ist bei John Deere für die Traktorenentwicklung verantwortlich. Um wie viel teurer ein vollautonom fahrender Traktor teurer ist, mochte er zwar nicht genau beziffern. Aber bei Preisen von bis zu einer Million Dollar für die Topmodelle machten Mehrkosten von „einigen zehntausend Euro“ den Braten nicht fett. Zumal die Traktoren viele Jahre und Zehntausende von Arbeitsstunden im Einsatz seien. Gleiches gilt für den neuen Muldenkipper, der dank der gleichen Technik vollautonom in Steinbrüchen verkehren kann – der Personalmangel ist in der Branche mindestens genauso groß wie in der Landwirtschaft..
Lidarsensoren und Kameras weisen den Weg
Die Technik, mit denen sich die Traktoren und Kipplaster den Weg suchen, ist im Grunde die gleiche wie bei einem autonomen Pkw. Mithilfe von Stereokameras misst der Bordcomputer die Entfernung eines Objekts durch Triangulation, Hinzu kommen Lidar-Sensoren der neuesten Generation. Positionsdaten liefert ein Satellitenempfänger. Der 830 PS starke 9RX-Traktor mit Raupenantrieb und Dieselantrieb etwa ist mit 16 Kameras ausgestattet, um sich einen Rundumblick zu verschaffen.
So kann die Zugmaschine schneller fahren und auch breitere Geräte ziehen. Damit die Technik auch im harten Tagesgeschäft durchhält, werden die Kameras passiv gekühlt und sind besonders robust. Die Software ist auf dem neuesten Stand und die Prozessoren arbeiten extrem schnell. Die stammen, wen wundert’s, von Nvidia. Dazu kommt, dass die Robo-Maschinen von der ersten Generation gelernt haben, bei der Mücken, die nachts vom Licht des Traktors angelockt wurden, mitunter noch Fehlfunktionen verursachten.
Hard- und Software von Bear Flag Robotics
So können die selbsttätig agierenden Traktoren eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen: angefangen vom Pflügen, Säen bis hin zum Schneiden. Auch der Weinbau oder der Anbau von Nüssen, bei dem die Umgebung herausfordernder ist als bei einer klassischen Farm, stellt kein Hindernis mehr da. „Heute bringen wir die autonomen Fahrzeuge zu den hochwertigen Nutzpflanzen“, strahlte bei der Präsentation in Las Vegas Igino Cafiero vom kalifornischen Tochterunternehmen Bear Flag Robotics, das für die Fahrzeuge von John Deere die Hard- und Software für das autonome Fahren entwickelt.
Und das klappt mit dem Robo-Obstbautraktor 5ML inzwischen auch unter erschwerten Bedingungen. Wie etwa einer Obstplantage. Hohe Bäume erschweren hier den Einsatz des Ortungssystems GPS. Deshalb ist der Traktor zusätzlich zu dem neuen Autonomiepaket mit LiDAR-Sensoren ausgestattet. Die geplante vollelektrische Version des Obstbautraktors leistet 96 kW oder 130 PS und hat bis zu fünf Batteriepakete für Ganztageseinsätze an Bord. Sie wird in Kalifornien bereits im Alltagsbetrieb getestet und ist aufgrund der fehlenden Emissionen auch für den Einsatz im ökologischen Landbau sowie in Milch- und Viehbetrieben bestens geeignet.
Profi-Rasenmäher kann mit E-Motor auch nachts fahren
Auuch im Gartenbau wird man in Zukunft immer öfter vollautonom fahrenden Maschinen begegnen. Rasenmäher-Roboter erfreuen sich bei Privatleuten bereits großer Beliebtheit. Für die professionelle Pflege großer Rasenflächen hat John Deere in Las Vegas nun ebenfalls einen Robo-Mäher vorgestellt. Dessen Technik ist im Grunde identisch mit der jener Großtraktoren. Allerdings reichen hier für den Einsatz vier Stereo-Kamerapaare. Und natürlich fährt er vollelektrisch. Nicht nur, um die Umwelt zu schonen. Sondern auch, um bei Bedarf auch nachts der Arbeit nachgehen zu können.
Dafür ist auch John Deeres autonomer Gelenkkipper 460 P-Tier konzipiert. Dreht er doch nur in Steinbrüchen seine Runden – fernab von Wohngebieten. Dort nimmt er tonnenweise Erdmaterial auf und bringt es zur Weiterverarbeitung an eine zentrale Sammelstelle. Kein Wunder, dass für diese stupide Arbeiten kaum Fahrer zu gewinnen sind. Und die Automatisierung hilft auch die Produktivität zu steigern. In einem Steinbruch nahe Las Vegas ist ein erstes Exemplar des neuen Typs bereits im Einsatz. Pro Stunde bewegt er aktuell 350 Tonnen Material. Früher schafften die von Menschen bewegten Fahrzeuge aufgrund der Arbeitspausen in der Stunde maximal 120 Tonnen.
(Mit Ergänzungen von Franz Rother)