Wer wissen wollte, wie die Zukunft der Mobilität aussieht, musste in den vergangenen Jahren nach Las Vegas fliegen. Nicht zum Zocken in die vielen Kasinos, sondern auf die Consumer Electronic Show (CES), die weltgrößte Hightech-Show. Da das Auto durch die Fortschritte in der Digitalisierung und Elektrifizierung bekanntlich immer mehr zu einem Smartphone auf Rädern wird, nutzen Fahrzeughersteller und Autozulieferer die CES seit einigen Jahren, um ihre wichtigsten Neuerungen im Bereich alternativer Antriebe, autonomes Fahren und Künstliche Intelligenz zu präsentieren.

Dieses Jahr fand die Zukunftsmesse aufgrund der Corona-Pandemie und der zahlreichen Reisebeschränkungen komplett virtuell statt. Neuigkeiten wurden deshalb ausschließlich in Video-Präsentationen im Internet vorgestellt. Neue Entwicklungen in der Unterhaltungselektronik, in der Computer- und Telekommunikationstechnik, für das Gesundheitswesen, die Gebäudetechnik und für das smarte private Heim.

Auch die Autoindustrie war wieder vertreten. Unter anderem stellte Autozulieferer Aptiv, die frühere GM-Tochter Delphi, eine neue Fahreraussistenzplattform namens ADAS für das automatisierte Fahren auf Level 3 vor. Der Start erster Robotaxi-Dienste in Städten sei voraussichtlich 2023 zu erwarten, prognostizierte Aptiv-Technikchef Glen De Vos bei der Gelegenheit vollmundig. Privatleute, so seine Prognose, werden sich voraussichtlich 2030 die ersten Autos kaufen können, die per Autopilot sicher über Land und durch die Stadt fahren können – bis dahin fließt noch viel Wasser den Colorado River hinunter.

Und sonst so?

Wir haben Jan Becker gefragt, den CEO und Gründer des Startups Apix.AI. Das Unternehmen mit Sitz in Palo Alto und München hat sich auf die Entwicklung eines sicheren und standardisierten Betriebssystems für Roboter-Fahrzeuge spezialisiert. Zu den Investoren zählen Toyota, JaguarLandRover und Volvo sowie der Teilehersteller Hella, im Aufsichtsrat sitzt der ehemalige Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. Hier seine persönliche CES-Bilanz.

Jan Becker, CEO von Apex
Der promovierte Ingenieur und Lehrbeauftragte an der Stanford University war früher bei Faraday Future und Bosch für das autonome Fahren verantwortlich. 2007 nahm er als Mitglied des Stanford Racing Teams an der DARPA Urban Challenge teil.

Insgesamt hätte CES nicht enttäuschender sein können. Die digitale Messe-Plattform war schwach, die Beteiligung der Aussteller gering. Und Highlights, die das autonome Fahren künftig voranbringen können, waren diesmal kaum zu entdecken.

Ein paar Eindrücke von interessanten Entwicklungen habe ich dann aber doch mitgenommen. Beispielsweise die Indy Autonomous Challenge. Sie ist im weiteren Sinn eine Art Nachfolger der DARPA Urban Challenge und greift den DARPA-Performance-Gedanken auf. Allerdings treten die Teams bei der Indy Autonomous Challenge auf dem Indianapolis Motor Speedway gegeneinander an und nicht im freien Gelände.

Bei der neuen Challenge wird auf Zeit im Rennmodus mit mehreren Fahrzeugen auf der Strecke gefahren. Die autonomen Systeme der Dallara-Formelrennwagen müssen sich daher blitzschnell auf ständig wechselnde Umgebungssituationen einstellen. Das kommt vielen Gegebenheiten im realen Straßenverkehr durchaus nahe, kann deshalb helfen, die Performance der AD weiter zu verbessern. Große Player der automobilen Welt sind hier mit an Bord, beispielsweise die Zulieferer Aptiv, Bridgestone, Schaeffler und Valvoline, Microsoft ist ein mächtiger Vertreter der Tech-Fraktion innerhalb der Indy Autonomous Challenge.

Bemerkenswert scheint mir auch die Software, die das israelische Start-up Brodman17 im Rahmen der CES vorgestellt hat. Sie verknüpft Deep Learning mit künstlicher Intelligenz, um die Bilder einer Mono-Frontkamera zu interpretieren. Grundsätzlich erinnert mich das an die Technik von Mobileye, allerdings scheint Brodman17 die Software zu einem günstigeren Preis anbieten zu können und eine Kostenreduktion beim autonomen Fahren ist durchaus wünschenswert.

Um das Sehvermögen autonomer Autos will sich auch Adasky mit der Viper genannten Thermokamera kümmern und hat mit ihr ein System vorgestellt, das die Sensorphalanx autonomer Fahrzeuge um weitere Fähigkeiten bereichern und leistungsfähiger machen kann. Die Viper basiert auf einem Fern-Infrarot-Imager, also einer Wärmebildkamera, und sieht Hindernisse auch bei kompletter Dunkelheit oder sehr schlechtem Wetter und sie erfüllt laut Herstellerangabe die scharfen Anforderungen an Automotive Grade-Komponenten. Die auch der Mindeststandard waren, an dem wir unser Automotive Betriebssystem Apex.OS für autonome Fahrzeuge ausrichten wollten, tatsächlich sind wir aber noch einen großen Schritt weiter gegangen und haben eine Zertifizierung durch den TÜV-Nord erreicht. Dafür wurde Apex.OS von der CES Jury mit einem Innovation Award ausgezeichnet.

Ist das autonome Fahren in Form von fahrerlosen Taxiflotten erst einmal im Alltag angekommen, müssen sich die Betreiber nicht nur Gedanken über die Reinigung dieser Fahrzeuge machen. Auch das Desinfizieren des Interieurs wird wohl zwingend zum regelmäßigen Service gehören. Hier können Roboter wie der Coro-Bot von Hills Engineering hoffentlich vielfältige Aufgaben übernehmen und autonom die Fahrzeug-Innenräume sterilisieren. Diese Art der Automatisierung kann die Betriebskosten autonomer Flotten senken und das Angebot für die Kunden attraktiver zu machen.“

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