Die Carpool-Plaketten liegen in der Post. 22 Dollar haben sie gekostet. Knapp sechs Wochen hat die kalifornische Straßenverkehrsbehörde gebraucht, um sie zu versenden. Schön sehen die Sticker nicht aus. Zumal die vormals dezenten weißen Aufkleber für abgasfreie Autos seit März durch knallrote ersetzt sind.

Doch die Scheußlichkeit gewährt ein Privileg: Im Berufsverkehr kann man so die Sonderspuren benutzen, die sogenannten „HOV Lanes“. HOV steht für High Occupancy Vehicles und beschreibt ihren ursprünglichen Zweck. Bis vor knapp 15 Jahren waren sie ausschließlich Autos mit mindestens zwei Insassen, Bussen sowie Motorrädern vorbehalten.

Ende der sechziger Jahre eingeführt, sollten sie Fahrgemeinschaften fördern, um so Staus und Abgase zu mindern. Im Silicon Valley sind sie im Berufsverkehr von fünf Uhr bis neun Uhr morgens und von 15 Uhr bis 19 Uhr dafür reserviert. Im staugeplagten Hightech-Tal sowie in Los Angeles und San Diego kann man mit ihnen am Stau vorbeifahren. Oder vielmehr konnte es. Denn die Spuren sind überlastet.

Carpool-Sticker auch für klimafreundliche Autos

Im Jahr 2004 kamen kalifornische Politiker auf die Idee, HOV-Spuren auch für abgasarme Autos zu öffnen, ganz unabhängig von der Zahl der Insassen. Da es kaum Flüssiggas-Autos gab, gingen fast alle Aufkleber an die Käufer von Prius Hybriden. Es war ein sehr wirksames Förderprogramm für Toyota. Denn die Zahl der Sticker sollte eigentlich auf 85.000 begrenzt sein und das Programm 2008 auslaufen. Besonders 2007 gab es deshalb einen wahren Sturm auf Hybride.

Mein örtlicher Toyota-Händler nutzte die Gunst der Stunde und schlug auf den Listenpreis damals gleich mal 2000 Dollar auf. Gebrauchte Prius mit dem begehrten Sticker erzielten im Schnitt rund 1500 Dollar mehr als Autos ohne Aufkleber. Die Genehmigung war an das Fahrzeug gebunden, nicht den Besitzer. Aus Angst vor Protesten stellte die kalifornische Straßenverkehrsbehörde auch nach dem Erreichen des Limits weitere Plaketten aus.

Wie Steuern lassen sich auch Privilegien nur schwer abschaffen. Das ursprüngliche Gesetz wurde erst bis 2011 verlängert. Dann flogen die normalen Hybride raus, allerdings wurde es für Plug-In-Modelle und abgasfreie Autos erneuert. Nun hat es der aktuelle Gouverneur Jerry Brown bis 2025 genehmigt. Wobei die Priusse inzwischen durch Nissan Leaf, BMW i3 und natürlich Tesla verdrängt sind. Die Sticker gelten bis zu vier Jahre nach Erstzulassung.

Stau auf der Überholspur

Brown sieht die Sticker als Katalysator für sein Vorhaben, bis Ende 2025 rund 1,5 Millionen abgasfreie Autos auf kalifornische Straßen zu bringen. Tatsächlich fördert der Sticker den Absatz von Plug-in-Hybriden und Elektroautos kräftig. Etwa 320.000 Fahrzeuge mit HOV-Plaketten sind momentan in Kalifornien registriert. Vor fünf Jahren waren es nur knapp 70.000.

Dieser Ansturm hat dazu geführt, dass sich das Privileg kaum noch auskosten lässt. Besonders im Silicon Valley sind zu viele Autos mit Ausnahmegenehmigung unterwegs. Zu den schlimmsten Stoßzeiten zwischen 7 Uhr und 8:30 Uhr sowie 16:30 Uhr und 18 Uhr macht es kaum noch einen Unterschied, auf welcher Spur man fährt. Ich habe auch schon beobachtet, dass der Carpool voller war als die normalen Spuren. Sonderrechte werden schließlich gern genutzt, selbst wenn sie manchmal gar nichts bringen. Dieses Privileg-Paradox lässt sich auch an Flughäfen oder in Hotels beobachten.

Fahrgemeinschaften profitieren kaum noch

Trotzdem: Mit etwas Planung, so meine Erfahrung, sparen die Plaketten Zeit. Vor allem, wenn man nicht stur auf der Sonderfahrspur bleibt. Doch ihren eigentlichen Zweck, Fahrgemeinschaften zu fördern, erfüllen die HOV-Spuren immer seltener. Wegen Überfüllung sind einige Strecken, beispielsweise nahe San Francisco, mittlerweile sogar auf drei Insassen erweitert. Für normale Fahrzeuge versteht sich.

Das schürt die Wut unter Pendlern mit normalen Autos. Schließlich haben auch sie über Abgaben den Bau der Straßen finanziert. Sozial gerecht ist das Fördern von abgasfreien Fahrzeugen ohnehin nicht. Die meisten Elektro- und Flüssiggas-Autos sind für Geringverdiener unerschwinglich, selbst Normalverdiener müssen sich strecken. Hybride oder Leasing-Sonderaktionen mal ausgenommen.

Schnellspur für Gutbetuchte

Für die weniger gut Betuchten könnte es noch ungerechter werden. Denn kalifornische Verkehrspolitiker diskutieren, die Sonderfahrspuren künftig mit einem Zoll zu belegen. Dann kann jeder sie nutzen, der dafür zahlt. Der Preis ist flexibel und richtet sich nach dem Verkehrsaufkommen. In Los Angeles gibt es das bereits auf privat finanzierten Highways. Das schmerzt Geringverdiener noch mehr. Wird das Modell auch auf die normalen Straßen übertragen, werden die Autofahrer, die die Infrastruktur bereits mit Steuergeldern und Zulassungsgebühren bezahlt haben, nochmals zur Kasse gebeten.

Bleibt zu hoffen, dass die Einnahmen wenigstens in den öffentlichen Nahverkehr fließen. Sicher ist das nicht. Auch in den USA werden Einnahmen der öffentlichen Hand gerne für politische Projekte zweckentfremdet.

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