Wenn es um die Technik der Premium Platform Electric (PPE) geht, ist im VW-Konzern die Sprachreglung schön sauber und klar vorgezeichnet. „Wir entwickeln die PPE gemeinsam auf Augenhöhe“, erklärt Dominik Hartmann, der beim Porsche Macan am Fahrwerk tüftelt. Hakt man nach, rennt man gegen eine Mauer des Schweigens oder erhält nicht unverbindliche Aussagen. Die Konzernräson ist gerade bei Gemeinschaftsprojekten der beiden süddeutschen Marken besonders ehern. Aus gutem Grund: Bei der Entwicklung des ersten Porsche Macan und des Schwestermodells Audi Q5 vor zehn Jahren waren sich die Ingenieure beider Marken nicht immer grün.
Auch jetzt bei genauem Hinhören sind gewisse Differenzen durchaus herauszuhören. „Der nächste Macan soll wieder das sportlichste Modell in seinem Segment sein“, sagt Powertrain-Manager Antoon Janssen. Klingt in der agilitätsvernarrten Porsche-Welt ganz selbstverständlich, ist aber genau betrachtet eine klare Abgrenzung zum Entwicklungspartner in Ingolstadt, bei denen die Fahrdynamik auch nicht unbedingt auf den letzten Seiten des Lastenhefts steht.
Umso wichtiger ist es, dass die Positionierung der beiden PPE-Technikbrüder Audi Q6 e-tron und Porsche Macan mit feiner Klinge erfolgt. Dass das möglich ist, zeigen der Porsche Taycan und der Audi e-tron GT, die beide die J1-Architektur nutzen. Während der Zuffenhausener Sportwagen „spitzer“ agiert und die Agilität zelebriert, macht der Ingolstädter seinem Kürzel GT alle Ehre. Er gilt als das „rundere“ Elektroauto, das den Komfort etwas mehr betont, ohne die Sportlichkeit zu sehr zu vernachlässigen.
Ladeleistung steigt auf über 270 kW
Diese Blaupause ist wichtig, wenn man den Porsche Macan mit dem Audi Q6 e-tron vergleicht, die beide 2024 auf den Markt kommen sollen – wegen Softwareproblemen ein Jahr später als ursprünglich geplant. Bei Porsche immerhin laufen die Tests mit dem elektrischen Macan bereits auf Hochtouren. Wohl auch deshalb lüftet Porsche jetzt den Schleier von der neuen PPE-Architektur. Und wenn man das Selbstverständnis der beiden Marken im Hinterkopf behält, lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede herausarbeiten.
Die 100 kWh-Stunden Batterie, die mit prismatischen Zellen bestückt sein wird, ist für beide Fahrzeuge gesetzt. Nicht umsonst verwendet Audi seit der Modellpflege des Q8 e-tron diese Energiespeicher. Auch die 800-Volt-Technik, die ultraschnelles Laden ermöglicht, ist fester Bestandteil der Akkutechnik. So soll das Stromtanken künftig mit Ladeleistungen von über 270 kW möglich sein – der Macan-E wäre damit noch einmal schneller startbereit als das Topmodell Taycan. Bei Porsche hat man sich das Ziel gesetzt, die die Akkus in weniger als 25 Minuten von fünf auf 80 Prozent zu füllen.
Eine spannende Innovation ist auch das so genannte Bankladen: Wenn die Ladestation nur 400-Volt-Technik anbietet, wird ein Hochvoltschalter umgelegt und die Batterie virtuell in zwei 400-Volt-Akkus aufgeteilt, die dann flotter geladen werden können. Porsche spricht in diesem Zusammenhang gerne von der Reisedauer-Effizienz: Nicht immer bringen weniger Tankstopps den Stromer schneller ans Ziel.
Antriebsleistung von vorerst 450 kW
Zum geringen Stromverbrauch tragen auch die Motoren dabei, die bei Porsche nicht nur viel Leistung haben sollen, sondern diese auch reproduzierbar bereitstellen können. Deswegen kommen beim Macan permanenterregte Synchron-Elektromaschinen (PSM) zum Einsatz, die für das Porsche-SUV optimiert wurden. Passend zum stärkeren Triebwerk an der Hinterachse verbaut Porsche beim Macan dort einen Pulswechselrichter (PWR) an der Hinterachse mit Siliziumkarbid (SiC) statt Silizium.
Nimmt man das Brüderpaar Audi e-tron GT und Porsche Taycan zum Vorbild, wird sich der Macan bei der Antriebsleistung wieder etwas von seinem Ingolstädter Technikbruder absetzen. Beim Topmodell gibt Porsche 450 kW (612 PS) an und ein Drehmoment von 1.000 Newtonmetern. Wer die Cleverles in Weissach kennt, sollte nicht überrascht sein, wenn die Spitzenleistung rund 470 kW oder 639 PS beträgt. Nicht umsonst schreibt Porsche in Bezug auf die Leistung „zunächst einmal“.
Damit die porschetypische Agilität auch beim E-Crossover gewährleistet ist, platzieren die Zuffenhausener den Heck-E-Motor hinter der Hinterachse und bestücken diese mit bei der Topversion, die vermutlich wieder den irreführenden Namen „Turbo S“ trägt, mit einem elektronisch geregelten Differenzial. Porsche spricht in diesem Zusammenhang von einem „Performance-Hinterwagen“. Ob Audi diese Konstruktion übernimmt, wird noch nicht verraten. Dass der Allradantrieb auch ohne die Sperre die Antriebskraft radselektiv verteilen kann, wird die Kunden beider Marken erfreuen. Ebenso wie dessen hecklastige Auslegung. Porsche strebt eine Achslastverteilung von 48 (vorne) zu 52 an.
Mit Hinterachslenkung und Luftfederung
Interessant wird es beim Thema Packaging, denn da dürften sich Unterschiede zwischen dem Audi Q6 e-tron und dem elektrischen Macan offenbaren. Porsche muss Platz sparen, um im Macan die Hinterachslenkung unterzubringen, die die Räder mit maximal fünf Grad einschlägt. Deswegen haben die Zuffenhausener Techniker eine sogenannte „Integrated Power Box“ zum Patent angemeldet, bei der Onboard-AC-Lader, Hochvolt-Heizer sowie der AC/DC-Wandler in einem Bauteil zusammengefasst sind. Ob Audi die Allradlenkung bei seinem Q6 e-tron unterbringt, darf bezweifelt werden. Denn die nimmt Platz weg und in Ingolstadt wird die Alltagstauglichkeit etwas höher gehängt als in Zuffenhausen.
Auch beim Fahrwerk eröffnen sich Ansatzpunkte zur Unterscheidung der beiden Modelle. Dass Porsche bei der Lenkung traditionell einen guten Job macht, ist nichts Neues. Audi hat sich auf diesem Gebiet verbessert, aber in Weissach werden sie alles daransetzen, dass dieser Vorsprung nicht verloren geht. Porsche packt zudem 22 Zoll-Reifen in die Radkästen und bestückt die optionale Luftfederung mit Zweiventil-Dämpfern, die noch feiner abgestimmt werden können.
Allerdings kostet so ein Technikarsenal auch Geld und da kommt den Zuffenhausenern bei seiner zahlungskräftigen Klientel der Luxus-Sportwagen-Bonus zugute. Audi zieht zwar auch die Premium-Karte, stößt aber preislich nicht ganz in die Porsche-Höhen vor. Also bekommen die Fahrer der Marke mit den vier Ringen wohl nicht die volle Fahrwerks-Kapelle geboten. Zumal ja auch die Dynamik beim Q6 e-tron nicht die gleiche Priorität genießt wie beim Macan Electric.