Die Wärme aus Flüssen wird in Deutschland bislang selten energetisch genutzt. Dabei hat die sogenannte Flusswärmegewinnung oder Flusswasserthermie auch hierzulande große Potenziale. In Bayern etwa könnten Flüsse genug Wärme liefern, um den Heizbedarf des gesamten Bundeslandes zu decken. Dies ergab unlängst eine Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE). Und die Gewässer würde durch die vorübergehende Entnahme von Wasser sogar ökologisch profitieren. Denn nach der energetischen Nutzung kehrt es gekühlt in den Fluss zurück.
Im brandenburgischen Wittenberge ist seit diesem Sommer ein „innovative Kraft-Wärme-Kopplungs (iKWK)-System in Betrieb, das dieses Prinzip nutzt. Der Fluss Stepenitz, der bei Wittenberge in die Elbe mündet, liegt weniger als 300 Meter vom Erzeugungsstandort entfernt. Den Startschuss gab die iKWK-Ausschreibung im Dezember 2020. Neben neun weiteren Unternehmen erhielten die Stadtwerke Wittenberge dort einen Zuschlag von der Bundesnetzagentur.
Um die Wärme aus Flüssen nutzbar zu machen, braucht es lediglich eine Wärmepumpe, die das Temperaturniveau für das Nah- oder Fernwärmenetz anhebt. Der Kommunalversorger in Wittenberge entschied sich für zwei, in Kaskade geschaltete Wärmepumpen mit einer Gesamtleistung von 1,1 Megawatt.
Wichtig ist bei solchen iKWK-Projekten, dass die Anlage groß genug geplant wird, um pro Jahr eine grüne Wärmequote von 35 Prozent zu erreichen. Schafft das iKWK-System dies nicht, ist die Förderung für ein gesamtes Jahr verloren. Das Geld fließt für den Betrieb des Blockheizkraftwerks (BHKW), welches das Wärmesystem vor allem in den Wintermonaten absichern. In der damaligen Ausschreibungsrunde lag der durchschnittliche Wert bei 10,85 Cent/kWh für den BHKW-Strom.
Genehmigung und Bau sind aufwendig
Damit die ökologische Verträglichkeit gewährleistet ist, werden Flusswärmeprojekte eng behördlich begleitet. Der gesamte Flusslauf der Stepenitz ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen, damit war einiges an Kommunikation mit der Unteren Wasserbehörde vonnöten. „Ein Ergebnis ist beispielsweise die Ausstattung des Entnahmebauwerks mit einem engmaschigen Trommelrechen. Heute, nach Abschluss der Bauarbeiten, fällt das Bauwerk kaum noch auf“, berichtete Lutz Kähler, Geschäftsführer der Stadtwerke Wittenberge, kürzlich auf einer Fernwärmetagung. Die Vorkehrungen verhindern, dass Fische oder andere Tiere eingesaugt werden.
Das Entnahmebauwerk befindet sich im Überschwemmungsgebiet des Flusses und kann auch ohne Probleme überflutet werden. Das um vier Kelvin abgekühlte Wasser wird anschließend wieder in die Stepenitz zurückgeleitet.
Mit dem Bau des Wärmesystems beauftragte der Kommunalversorger das Berliner Unternehmen SES Energiesysteme GmbH, das sich früher auf BHKW spezialisierte, inzwischen aber komplette CO2-sparende Energiesysteme aufbaut. Neben den beiden Wasser-Wasser-Wärmepumpen gehörten noch ein Flusswasser-Wärmeübertrager und die Installation der Power-to-Heat-Anlage (700 kW), die bei jedem iKWK-System Pflicht ist, zum Auftrag. Aufgebaut werden musste eine intelligente Steuerung, welche die Fahrweise der Wärmepumpen automatisch steuert.
In den Wintermonaten, in denen das Flusswasser abkühlt, übernimmt ein bestehendes Blockheizkraftwerk mit 2,3 MW Leistung die Wärmeversorgung. Die Grenze liege bei einer Betriebstemperatur von 10 Grad, erläuterte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage. Darunter bestehe eine Vereisungsgefahr im Verdampfer. Das Wasser aus der Stepenitz geht auch nicht direkt zur Wärmepumpe, sondern es gibt noch einen Zwischenkreislauf, durch den das Wasser nochmals abgekühlt wird.
Interesse für Flusswärmeprojekte steigt
Um das Flusswasser vom Schachtbauwerk zum Heizkraftwerk zu fördern, installierte SES im Pumpenschacht des Ein- und Auslaufbauwerks zwei druckwasserdichte Tauchmotorpumpen mit Frequenzumrichterantrieb als überflutbares Blockaggregat. Wirtschaftlich vorteilhaft für die Stadtwerke war, dass in Flussnähe bereits ein Heizhaus nutzbar war und nicht neu gebaut werden musste. Auch die bestehenden Blockheizkraftwerke ließen sich über eine Modernisierung weiterverwenden.
Ursprünglich waren 6,2 Mio. Euro einschließlich der iKWK-Förderung eingeplant, was sich aber angesichts der Kostensteigerungen bei Anlagen und Bauleistungen nicht einhalten ließ. Sowohl für die Stadtwerke als auch für die SES ist es das erste Flusswärmeprojekt. Die Bereitschaft, sich eine solche Wärmelösung bei geeigneten Standorten anzusehen, nehme zu, so die SES-Unternehmenssprecherin. So liefen aktuell einige Ausschreibungen von weiteren interessierten Versorgern.