Was auf der Sonne seit Jahrmillionen funktioniert (wobei ein Ende nicht abzusehen ist) hat jetzt erstmals auch auf der Erde geklappt: Deuterium- und Tritium-Atome haben sich miteinander vereinigt und Wärmeenergie freigesetzt. Und zwar mehr, als direkt hineingepumpt worden ist. In Zahlen: Zwei Megajoule lieferten die Laser. Daraus wurden durch Kernfusion drei Megajoule. Allerdings schluckten die Laser auch stolze 300 Megajoule an Energie.
Ungeachtet dieses Missverhältnisses könnte damit der Fusionsreaktor geboren worden sein, gäbe es nicht noch einen gewaltigen Haken: Die Reaktionskammer war gerade mal stecknadelkopfgroß und sie ist nicht wieder befüllbar. Nach dem Bruchteil einer Sekunde war alles vorbei. An eine kontinuierliche Wärme- und darauf basierende Stromerzeugung durch Kernfusion ist weiterhin also nicht zu denken.
Reaktion in winziger Kammer
Trotzdem feiern das Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien, das zum US-Energieministerium gehört, überschwänglich das Ereignis als einen historischen Durchbruch. Tatsächlich haben die Forscher gezeigt, dass sie keinem Phantom hinterherjagen, sondern dass Fusionsenergie machbar ist – wenngleich der Weg zum stromerzeugenden Fusionsreaktor noch in weiter Ferne zu liegen scheint.
Die „National Ignition Facility“ (NIF) am LLNL, an der die Kernfusion der beiden Wasserstoff-Isotope gelang – Deuterium hat im Kern einen, Tritium zwei Neutronen –, ist eine gewaltige Anlage. Sie besteht aus der winzigen Reaktionskammer und 192 Hochleistungslasern, die ihr energiereiches Licht auf die kleine Kammer schießen. Die darin eingesperrten Wasserstoff-Isotope werden im Bruchteil einer Sekunde auf mehrere Millionen Grad Celsius aufgeheizt. Gleichzeitig baut sich ein gigantischer Druck auf.
Hitze von 100 Millionen Grad
In Kombination sorgen diese beiden physikalischen Effekte dafür, dass die elektrisch positiv geladenen Atomkerne von Deuterium und Tritium, die sich normalerweise abstoßen, so fest zusammengedrückt werden, dass sie miteinander verschmelzen. Dabei werden große Mengen an Energie in Form von hochenergetischen Neutronen freigesetzt. In einem „echten“ Fusionsreaktor würden die Neutronen in einem Mantel aufgefangen, den sie darüber erhitzen. Die Wärmeenergie soll dann im nächsten Schritt genutzt werden, um Dampf zu erzeugen, der wiederum einen Turbogenerator zur Stromerzeugung antreibt.
„Echte“ Fusionsreaktoren bestehen aus einer Kammer, die ein Gemisch aus den beiden Wasserstoff-Isotopen enthält. Gewaltige Magnete mit supraleitenden Wicklungen sorgen hier dafür, dass die Atomkerne die Wände der Behälter nicht berühren. Durch Induktion und andere technische Mittel werden die Wasserstoff-Isotope erhitzt. Da der Druck extrem gering ist, muss die Temperatur entsprechend höher sein, um die Abstoßungskräfte zwischen den Atomkernen zu überwinden. Man geht davon aus, dass eine Kernfusion bei etwa 100 Millionen Grad klappen könnte.
Experimente auch in Europa
Diese Temperatur wird möglicherweise von „Iter“, dem International Thermonuclear Experimental Reactor, erreicht. So heißt der weltweit größte Versuchs-Kernfusionsreaktor im südfranzösischen Cadarache nahe Marseille. In einer Bauform, die Tokamak genannt wird. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Kammer, in der die Fusion von Deuterium und Tritium stattfinden soll, kreisrund ist und einen elliptischen Querschnitt hat. Dieser in der einstigen Sowjetunion entwickelte Reaktor-Typ ist der weltweit am weitesten verbreitete.
Er konkurriert mit dem in den USA entwickelten Stellarator, der aus einem ebenfalls runden Reaktionsbehälter besteht. Anders als beim Tokamak ist er völlig unregelmäßig geformt, ebenso die Spulen, die die heißen Atomkerne im Inneren bändigen und von der Wand entfernt halten. Das weltweit größte Experiment dieser Art namens Wendelstein 7-X betreibt das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald an der Ostsee.
Keine langlebigen Abfallstoffe
Beides sind Experimente, die möglicherweise das schaffen, was die US-Forscher am LLNL jetzt demonstriert haben: Mehr Energie zu erzeugen als reingesteckt wird. Doch auch die Anlagen in Europa sind nicht für einen Dauerbetrieb ausgelegt, und erst recht nicht für die Stromerzeugung. Das ist erst für die Nachfolgegenerationen zu erwarten – irgendwann im nächsten oder übernächsten Jahrzehnt.
Fusionsreaktoren faszinieren aus mehreren Gründen. Brennstoff gibt es praktisch unbegrenzt in den Weltmeeren. Die Anlagen können, anders als Kernspaltungsreaktoren, nicht außer Kontrolle geraten. Wenn ein schwerwiegender Störfall eintritt, sinkt die Temperatur im Plasmagefäß und die Fusion hört schlagartig auf. Zudem entstehen keine langlebigen gefährlichen Abfallstoffe, die tausende Jahre von der Umwelt abgeschirmt werden müssen: Was von Fusionsreaktoren übrig bleibt, strahlt allenfalls ein paar 100 Jahre.
Vielen Dank für den aufschlussreichen Bericht.
Fassen wir also zusammen: Am Ende hat man etwa so viel Energie bekommen (2 MJ), wie in einen eBike Akku passt.
Dafür musste man am Anfang gut 80 kWh (300 MJ) hineinstecken. Damit hätte man ein sparsames Elektroauto 500 km weit fahren können.
Wenn man bedenkt, wie lange und mit welchem ungeheuren finanziellen Aufwand nun schon an Fusionstechnologie geforscht wird, kann ich nur sagen: Beeindruckend. Nicht.