Im Koalitionsvertrag finden sich auch viele Stromthemen wieder. Mit dabei: Strompreise, die Elektromobilität, Stromnetze sowie der Ausbau der Erneuerbaren. Ein Überblick. Bei der Kraftwerksstrategie findet sich zunächst Bekanntes: Die Koalition aus Union und SPD will bis zu 20 Gigawatt an Gaskraftwerken bis 2030 „anreizen“, und zwar mit einer „zügig zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie“.

Technologieoffenheit sei also nicht vorgesehen, kritisierte etwa Daniel Hölder, Head of Policy & Markets bei dem Direktvermarkter Baywa Re. Die neuen Anlagen sollen vorrangig an bestehenden Kraftwerken entstehen. Um Strompreisspitzen abzumildern, will die künftige Bundesregierung auch Reservekraftwerke heranziehen und wieder in den Markt integrieren. Diese Idee hatten vielen Marktteilnehmern bereits im Vorfeld kritisiert.

Freileitungen vor Erdkabel
Die Union hat sich am Ende der Koalitionsverhandlungen beim Ausbau der Übertragungsnetzen zugunsten von Freileitungen durchgesetzt. Eine entsprechende gesetzgeberische Klarstellung sollte zeitnah umgesetzt werden. Foto: Depositphotos
Freileitungen vor Erdkabel
Die Union hat sich am Ende der Koalitionsverhandlungen beim Ausbau der Übertragungsnetzen zugunsten von Freileitungen durchgesetzt. Eine entsprechende gesetzgeberische Klarstellung sollte zeitnah umgesetzt werden. Foto: Depositphotos

Aus der Branche hatten sich im Wesentlichen der Übertragungsnetzbetreiber Amprion und der Kraftwerksbetreiber Steag dafür ausgesprochen. Letzterer hat sechs Blöcke in der Netzreserve. Auch nach dem Erscheinen des Koalitionsvertrages äußerten sich Marktteilnehmer weiter kritisch – so etwa Enervie-Vorstandsvorsitzender Erik Höhne, aber auch EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler.
Trianel-Geschäftsführer Sven Becker nannte den Schritt einen „krassen Markteingriff“. Als einen der Hauptkritikpunkte führen sie an, dass Marktsignale damit außer Kraft gesetzt würden.

Strompreise sollen sinken

Mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen will Koalition die Strompreise senken, etwa indem sie die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß senkt und die Übertragungsnetzentgelte reduziert. In der Summe soll sich dadurch eine Absenkung der Preise um mindestens 5 Cent/kWh für Unternehmen und Verbraucher ergeben. Für energieintensive Unternehmen soll es einen Industriestrompreis geben.

Marvin Dalheimer, Leiter Energiewirtschaft vom VIK, geht aber nicht davon aus, dass der Preis für die Industrie ebenfalls um 5 Cent/kWh sinken könnte, wie er auf der Jahrestagung Energie steuer deutlich machte. Der Grund: Schon heute sind die Preise für die Industrie zum Teil sehr niedrig. Laut dem Portal Smard der Bundesnetzagentur lagen sie zuletzt mit allen Vergünstigungen bei 10,46 Cent/kWh. Karen Möhlenkamp, Rechtsanwältin bei Maygreen, wies aber darauf hin, dass für ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes bei aktueller Formulierung im Koalitionsvertrag auch eine Erhöhung der Stromsteuer anstehen könne. Diese bezahlen zurzeit den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent/kWh.

Flexibilität und Elektromobilität

Ein hohes Augenmerk legt die neue Koalition auf das Thema Flexibilität. Sie will die systemdienliche Nutzung von Speichern – inklusive der Speicher von Elektrofahrzeugen – stärker vorantreiben. Energiespeicher sollen als im überragenden öffentlichen Interesse anerkannt und in Kombination mit Ökostromanlagen privilegiert werden. Mehrbelastungen durch Steuern und Abgaben sollen entfallen. Zudem will die Regierung dynamische Stromtarife stärken. Konkreter wird der Koalitionsvertrag an dieser Stelle nicht.

Elektroauto als Stromspeicher 
Die Koalition möchte das bidirektionale Laden auch am Arbeitsplatz unterstützen. Notwendig sind dafür allerdings spezielle Ladestationen. Und auch das Elektroauto muss erst einmal dazu in der Lage sein. Der Nissan Leaf kann es bereits. Foto: Pep Durand
Elektroauto als Stromspeicher
Die Koalition möchte das bidirektionale Laden auch am Arbeitsplatz unterstützen. Notwendig sind dafür allerdings spezielle Ladestationen. Und auch das Elektroauto muss erst einmal dazu in der Lage sein. Der Nissan Leaf kann es bereits. Foto: Pep Durand

Wie aus dem Koalitionsvertrag zudem hervorgeht, wollen Union und SPD bidirektionales Laden auch am Arbeitsplatz unterstützten. Überhaupt liegt den künftigen Koalitionären das Thema Elektromobilität offenbar am Herzen: So will sie nicht nur bidirektionales Laden, sondern die Ladeinfrastruktur insgesamt unterstützen. Für Elektrofahrzeuge soll es Kaufanreize sowie eine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer bis 2035 geben. Kleinen Projekten im Bereich der Elektromobilität könnte es allerdings künftig an den Kragen gehen: Die Bundesregierung will Kleinstprogramme, die bislang noch aus dem Klima- und Transformationsfonds bezahlt werden, auslaufen lassen – wobei alles unter 50 Millionen. Euro Fördervolumen als „Kleinstprogramm“ gilt.

Windkraft: Flächenziel für 2032 soll evaluiert werden

Ein Stopp der EEG-Vergütung ist erstmal nicht vorgesehen, allerdings sollen sich die Erneuerbaren künftig vollständig am Markt refinanzieren können. Es gibt zwar Änderungen in Bezug auf die Erneuerbaren, allerdings keine 180-Grad-Wende, wie einige Marktteilnehmer auf Anfrage halbwegs erleichtert feststellten. So bewertet etwa Juwi die Beschleunigungsambitionen bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die zeitnahe Umsetzung der EU-Richtlinie RED III als positiv.

Daniel Hölder von Baywa Re lobt die geplante Mehrfachnutzung von Flächen bei der Photovoltaik. Unterschiedliche Bewertungen gab es im Hinblick auf die Flächen ziele. Das Zwischenziel bis 2027 soll danach bestehen bleiben, das für 2032 will Schwarz-Rot hingegen evaluieren. Hölder erklärte auf Anfrage, sein Unternehmen sehe das grundsätzliche Bekenntnis für das Zwei-Prozent-Flächenziel als wichtiges Signal. Auch der Windkraftprojektierer WPD erklärte, dies bedeute zunächst Kontinuität.

Wird Offshore-Windkraft ausgebremst?

Abo-Energy-Geschäftsführer Thomas Treiling befürchtet hingegen, die Überprüfung können die künftige Flächenausweisung beeinträchtigen und verlangsamen. Als „sehr problematisch“ sieht Treiling zudem an, dass das Referenzertragsmodell zulasten von Schwachwindregionen überarbeitet werden soll. „Selbst mit dem bestehenden Ausgleichsmechanismus haben diese Standorte einen strukturellen Nachteil“, betonte er. Die aufgrund des schwächeren Winds geringeren Erträge und aufgrund der Topographie höheren Baukosten würden schon bislang nur zum Teil nivelliert. „Es wäre politisch unklug, den ohnehin zu schwachen Ausbau der Windkraft im Süden auszubremsen, bevor er in Fahrt kommt“, warnte Treiling. Denn bestehende Probleme bei der Netzauslastung würden so nur noch verstärkt.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Im Offshore-Bereich will sich Schwarz-Rot der sogenannten Abschattungsproblematik „annehmen“. Das dürfte einen geringen Ausbau von Windkraft auf See bedeuten. Weiteres Ziel der neuen Regierung ist eine hybride Anbindung von Offshore-Windparks, die sowohl den Abtransport von Strom als auch von Wasserstoff ermöglicht.

Neuerungen für das Stromnetz

Auch den Energienetzen ist ein eigener Unterpunkt im Koaliti onsvertrag gewidmet. Die Regierung verspricht, den Smart-Meter Rollout zu beschleunigen, die Überbauung von Netzverknüpfungspunkten zuzulassen und ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen zu verhindern. Freileitungen sollen nur noch bedingt Vorrang vor Erdkabeln haben.

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