Flugwindkraftanlagen nutzen die starken und stetigen Winde in mehreren hundert Metern Höhen – dort, wo  herkömmliche Windräder niemals hinreichen. Betreiber solcher Anlagen wie etwa EnerKite und TwingTec lassen deshalb an Seilwinden große Winddrachen in die Lüfte steigen, um mithilfe der schnellen Bewegungen der Flugkörper Strom zu erzeugen.

Die Entwicklung des schwedischen Start-ups Minesto arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip. Nur dass der Drache hier nicht in die Lüfte steigt, sondern 40 Meter in die Meerestiefe abtaucht. Und genutzt werden zur Stromerzeugung nicht die Winde, sondern die Meeresströmungen. Und das funktioniert schon ganz gut: Minesto hat mit seinem Gezeitenenergie-Kite „Dragon 12“ vor den Färöer-Inseln jetzt erstmalig Strom produziert und ins Netz der nördlich von Schottland gelegenen Inselgruppe eingespeist. Wie viel genau, wurde nicht verraten. Die Turbine an Bord des 28 Tonnen schweren und 12 Meter breiten Tauchkörpers hat immerhin eine nominelle Leistung von 1,2 Megawatt (MW).

Über ein Stahlseil ist „Dragon 12“ im Meeresboden verankert, wo die Flugzeug-ähnliche Konstruktion aus Verbundwerkstoffen durch die Gezeitenströmung in eine vom Steuerungssystem vorbestimmte achtförmige Bahn gelenkt wird, erklärte das Unternehmen die Funktionsweise des patentierten Unterwasser-Kraftwerks. Als Versuchsgebiet haben sich die Erbauer die Meerenge von Vestmannasund ausgesucht, wo das ganze Jahr über eine starke Strömung herrscht. Und durch seine Bewegungen am Seil erreicht der „Drache“ sogar noch eine bis zu zehnfach höhere Geschwindigkeit als die umgebenden Wassermassen wesentliche höhere Geschwindigkeit – und damit eine höhere Energieausbeute. Im Endausbau will Minesto im Gezeiten-Energiefeld im Vestmannasund bis zu 84 Gigawattstunden (GWh) Strom produzieren.

Schwache Gezeitenströmung reicht schon

Für Minesto-CEO Martin Edlund zeigt das Projekt aber bereits jetzt, dass die unter der Bezeichnung „Deep Green“ entwickelten Gezeiten-Kites wettbewerbsfähig sind. „Dragon 12 ist leistungsstark, kosteneffizient und speist berechenbar Strom in das Netz ein“, erklärte der Ingenieur und Lenker des börsennotierten Unternehmens. Nach seinen Berechnungen reichen in Meeresgebieten bereits Unterwasser-Strömungen von 1,2 Metern pro Sekunde aus, um mit den Kites Strom zu erzeugen.

Tauch-Drache im Detail 
Der zwölf Meter breite und 28 Tonnen schwere "Dragon 12" wird mit einem Stahlseil auf dem Meeresboden verankert, wo es in der Gezeitenströmung in achtförmigen Bewegungen schwimmt und mit einer Turbine Strom erzeugt. Grafik: Minesto
Tauch-Drache im Detail
Der zwölf Meter breite und 28 Tonnen schwere „Dragon 12“ wird mit einem Stahlseil auf dem Meeresboden verankert, wo es in der Gezeitenströmung in achtförmigen Bewegungen schwimmt und mit einer Turbine Strom erzeugt. Grafik: Minesto

Da auch die Montage der Anlage sehr einfach ist, kann diese Form von Gezeitenkraftwerk besonders wirtschaftlich betrieben werden kann: Minesto rechnet mit Kosten von 108 US-Dollar pro Megawattstunde in der Anfangsphase, später von 54 Dollar/MWh. Zum Vergleich: Bei einem Offshore-Windkraftwerk betrugen die sogenannten Stromgestehungskosten 2022 je nach Standort zwischen 80 und 140 US-Dollar/MWh.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Minesto hat nach eigenen Angaben Investitionen von über 40 Millionen Euro aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem europäischen Innovationsrat und von Inno Energy erhalten. Das Unternehmen wurde 2007 gegründet und unterhält neben dem Hauptsitz nahe Göteborg Büros in Wales, auf den Färöern sowie in Taiwan. In Vorbereitung ist der Bau einer Anlage auf den Philippinen.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert