Die Europäische Union hat sich kürzlich auf verbindliche Ziele zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos und Elektrolaster geeinigt: Bis Ende 2026 soll es an den wichtigsten Verkehrsachsen mindestens alle 60 Kilometer Stromtankstellen für Pkw und alle 120 Kilometer für Lkws und Busse geben. Vorgesehen ist eine Ladeleistung von mindestens 400 Kilowatt (kW). Die Leistung des Netzes soll bis 2028 sogar auf 600 kW erhöht werden, damit auch Lkws und Busse auf Fernfahrten schnell Energie aufnehmen können. Da werden sich die Energieversorger mächtig anstrengen müssen. Nicht nur, um Tausende von neuen Ladestationen zu errichten und ans Stromnetz anzubinden. Sondern auch, um für den nötigen Grünstrom zu sorgen – ansonsten macht die Antriebswende keinen Sinn.

Alternative zu teuren Windkraftanlagen

Windstrom wird derzeit gemeinhin mit riesigen, dreiflügeligen Windkraftanlagen an Land und vor der Küste erzeugt. In Deutschland standen Ende vergangenen Jahres davon 28.443 mit einer Gesamtleistung von 58 Gigawatt (GW). Die Errichtung der bis zu 100 Meter hohen Riesen kostete in vielen Fällen über eine Million Euro.

Klar zum Start
Enerkite arbeitet bereits seit vielen Jahren an Flugwindkraftanlagen. Die großen Winddrachen werden von Rampen gestartet, die auf Lastwagen montiert sind und mit denen sie über ein Seil verbunden bleiben, um Strom zu produzieren. Foto: Enerkite

Deutlich niedriger sind die Kosten der Erzeugung von Windstrom bei einer Technik, an der das Unternehmen Enerkite aus Eberswalde arbeitet. Damit wäre es möglich, „den doppelten Ertrag im Vergleich zu heutigen Windrädern und sogar das Fünffache an Energie im Vergleich zu Photovoltaik-Anlagen bereitzustellen“, sagt das Unternehmen. Der Trick dabei: Das Unternehmen nutzt Starkwinde in Höhen von mehreren hundert Metern. Und nicht mit riesigen Rotoren, sondern ressourcenschonend mit Flugdrachen. Genau: Großdimensionale Exemplaren der Spielzeug-Flieger, mit denen sich Kinder und Erwachsene im Herbst oder an der Küste vergnügen.

Ladestationen ohne Netzanschluss

Das Startup aus Brandenburg arbeitet bereits seit vielen Jahren an Flugwindkraftanlagen. Nun konnte Enerkite einen ersten großen Partner gewinnen: Volkswagen. Gemeinsam wollen beide Unternehmen die Technik nutzen, um ortsflexible und Infrastruktur-unabhängige Strom-Tankstellen für Elektroautos zu entwickeln. Ein Netzanschluss der Ladestation wäre dann nicht mehr erforderlich – der Grünstrom würde an Ort und Stelle produziert. In einem ersten Schritt hätten die beiden Unternehmen nun eine entsprechende Machbarkeitsstudie gestartet, teilte Enerkite kürzlich mit.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Das EnerkitePrinzip in Kurzform: Die Halteseile des Drachens sind in einer Trommel aufgewickelt. Wenn der Wind am Drachen zerrt, wickelt sich die Trommel ab, diese mechanische Rotationsenergie wandelt ein Generator in elektrische Energie um. Ein an Seilen befestigte „Drache“ erzeugt durch Flug- und Segelbewegungen in bis zu 300 Metern Höhe Kräfte, die auf einen Generator am Boden übertragen und dann in elektrische Energie umgewandelt werden.

„Autarke mobile Ladeinfrastruktur“

Der Anlagenbauer ist seit Kurzem Mitglied im Technohyb-Konsortium, das auf dem Wolfsburger Forschungscampus „Open Hybrid Labfactory“ angesiedelt ist. Das Konsortium forscht an funktionsintegrierten Bauteilen. Enerkite soll innerhalb des bis Ende 2024 laufenden Teilprojekts „Autarke mobile Ladeinfrastruktur“ eine zentrale Rolle übernehmen. Diese besteht neben dem Bereitstellen von Flugwindkraftanlagen als Bestandteil einer autarken Ladeinfrastruktur auch in der Effizienzoptimierung dieser Anlagen. Diese solle durch innovative Technologien und recyclingfähige Materialien beim Flügel- und Anlagenbau gesteigert werden, so Enerkite. Die Arbeit des Technohyb-Konsortiums fördert das Bundesforschungsministerium.

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