Ob Annalena Baerbock die nächste Bundeskanzlerin wird, ist längst noch nicht ausgemacht. Aber die Spitzenkandidatin der Grünen für die nächste Bundestagswahl hat in Interviews bereits klar gemacht: „Künftig muss in Deutschland gelten, dass in der Regel nur noch mit Solardach neu gebaut wird.“ In Baden-Württemberg, wo die Grünen erneut mit der CDU regieren, ist die „Solarpflicht“ auch für Wohngebäude im Koalitionsvertrag „Jetzt für Morgen“ bereits festgeschrieben. Und auch im neuen Klimaschutzprogramm des Landes Schleswig-Holstein ist eine Solardachpflicht vorgesehen – im ersten Schritt nur für gewerbliche Bauten und Großparkplätze.

Die Solarwirtschaft wittert jedenfalls schon Morgenluft. Ihr Bundesverband hat die Politik aufgefordert, den Solar-Turbo zu zünden und freut sich darüber, dass im ersten Quartal dieses Jahres bundesweit bereits 28 Prozent mehr Photovoltaik-Leistung installiert wurde als im Vorjahreszeitraum. Vor allem im Eigenheimsektor hat die Nachfrage nach Solardächern stark angezogen – laut Bundesnetzagentur um 28 Prozent.

Großmodule dominieren den Markt

Profitiert haben davon bislang in erster Linie die Hersteller von Photovoltaik-Modulen zur Stromproduktion, von in Reihe geschalteten, meist 60 Solarzellen in einem schwarzen, rechteckigen Rahmen. Die zumeist dunkelblauen Teile sind mittlerweile hocheffektiv, aber klobig, schwer – und hässlich. Ästheten haben daran keine Freude. Auf denkmalgeschützten Gebäuden sind sie aus guten Gründen meist verboten. Und auf schiefergedeckten Dächern verbieten sie sich von selbst.

Tesla-Ideal 
Ein Solar Roof auf dem Dach, Heimspeicher und Wallbox von Tesla und dazu ein Model S. Jetzt muss Elon Musk nur noch die Kosten in den Griff kriegen. Foto: Tesla
Tesla-Ideal
Ein Solar Roof auf dem Dach, Heimspeicher und Wallbox von Tesla und dazu ein Model S. Jetzt muss Elon Musk nur noch die Kosten in den Griff kriegen. Foto: Tesla

Als Alternative bieten sich Solarziegel an – mit Photovoltaik-Zellen überzogene Dachschindeln. Tesla-Gründer Elon Musk hatte seine „Solar Roof“ genannte Technik bereits 2016 vorgestellt und nach ersten Probeinstallationen in den USA auch außerhalb der Vereinigten Staaten für eine große Nachfrage gesorgt. Doch wie Musk jetzt in einer Investorenkonferenz einräumen musste, habe er die Komplexität der Technik unterschätzt – die ersten Prototypen seien ein “piece of shit“ gewesen.

Sonnendächer von Tesla bald auch in Europa

Die gesamte Sparte Energieerzeugung und -speicherung von Tesla steckt deshalb bis heute in tiefroten Zahlen. Doch seit dem Zusammenschluss mit SolarCity, so Musk, sei die Technik optimiert worden – in diesem Jahr, versprach er, werde das Unternehmen mit der Produktlinie durchstarten – auch in Europa. Noch in diesem Jahr, so twitterte er, hoffe er auch dort Hausbesitzern ein Angebot machen zu können.

Das kann Michael Schneider, der CEO und Co-Gründer von econnext, schon jetzt machen. Zum Firmenkonglomerat des deutsch-niederländischen Unternehmens zählt unter anderem der Solarziegel-Hersteller Autarq aus Prenzlau. Über 250 Dächer von Ein- und Mehrfamilienhäusern in Deutschland und anderen Ländern Europas haben die Brandenburger bereits eingedeckt – mit Solarziegeln, die sich optisch und auch gewichtsmäßig kaum von den klassischen Tonziegeln unterscheiden, aber dank ihrer Beschichtung bis zu 11 Watt Strom produzieren.

Kosten von rund 30.000 Euro pro Dach

Bei einer Fläche von einem Quadratmeter, rechnet Schneider vor, kommen da schnell 150 Watt zusammen, bei einem typischen Dach eines Einfamilienhauses bis zu 10 Kilowatt – je nach Ausrichtung und Sonnenstand. Zu einem Preis von derzeit rund 300 Euro pro Quadratmeter. In Summe macht das bei einer durchschnittlichen Dachfläche von 100 Quadratmetern also rund 30.000 Euro aus.

Zum Vergleich: Tesla berechnete für ein Solardach von umgerechnet 173 Quadratmetern Fläche mit einer Leistung von rund 10 kWp vor knapp zwei Jahren 64.634 Dollar, umgerechnet über 50.000 Dollar. Inzwischen sollen deutlich höhere Preise aufgerufen werden, berichten US-Fachmedien.  

Photovoltaik der dezenten Art
Die Solarziegel unterscheiden sich kaum von klassischen Tonziegeln und sind genauso einfach zu verlegen. Nur ein Elektriker wird zusätzlich benötigt. Foto: Aautarq
Photovoltaik der dezenten Art
Die Solarziegel unterscheiden sich kaum von klassischen Tonziegeln und sind genauso einfach zu verlegen. Nur ein Elektriker wird zusätzlich benötigt. Foto: Autarq

Das Verlegen der Ziegel ist prinzipiell einfach, auch ein Dachdecker könne die Kabelbäume schnell verlegen und die Ziegel miteinander verbinden, wirbt Schneider. Aber natürlich kostet die Verlegung der Ziegel mehr Zeit. Und für den Anschluss an einen Wechselrichter und einen Stromspeicher braucht es zusätzlich einen Elektriker – auch das treibt die Kosten für ein Solardach dieser Bauart. Aber dafür könne der Hausbesitzer anschließend bis zu 70 Prozent seines Strombedarfs selbst erzeugen und damit im Jahr leicht 1000 Euro sparen.

Produktion der Solarziegel in Handarbeit

Und Schneider macht Hoffnung: Bei einer Fertigung der Solarziegel in größeren Stückzahlen werde deren Preis schnell von heute 20 bis 25 Euro auf 15 Euro sinken. Aktuell fertigen in Prenzlau ein Dutzend Leute die laminierten Ziegel weitgehend in Handarbeit. In Zukunft könnten auch hier Roboter die Produktion weitgehend komplett übernehmen – wie schon bei der Produktion der konventionellen Solarmodule für Konstruktionen über der Ziegelfläche.

Aber auch der Wettbewerb dürfte dafür sorgen, dass die Solarziegel in den kommenden Jahren preiswerter werden. Denn Tesla und Autarq sind nicht die einzigen Anbieter: Solarziegel bieten unter anderem auch die Hersteller Paxos aus dem rheinischen Langenfeld und Solteq aus Oberlangen im Emsland an. Aber die Konkurrenz macht econnext-Gründer Schneider keine Sorgen: Arbeit sei für alle Anbieter mehr als genug da bei einem Gesamtmarkt von rund 15 Millionen Dächern allein in Deutschland. Dennoch bleibt er realistisch: Solarziegel „werden sicher nicht die chinesischen PV-Großmodule ersetzen“, sondern eine Nischenanwendung bleiben. Aber auch mit einem Marktanteil von nur einem Prozent bliebe es ein lukrativer Markt.

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3 Kommentare

  1. MichaEL

    Oberlangen (SolteQ) liegt nicht in Ostfriesland sondern im Emsland. 😉

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    • Franz W. Rother

      Gut zu wissen. Sie sehen es bitte einem Rheinländer und Otto-Fan nach. Wird korrigiert.

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  2. Der Diktator

    Die grünen mal wieder: nur Verbote und Zwänge im Kopf.
    Es wäre besser den Einbau von PV zu fördern und zu erleichtern. Z.B. Abbau von Bürokratie, keine Pflicht zur Steuererklärung, keine EEG Umlage, keine Erzeugungsmeldepflichten, keine Beschränkung auf 70%.

    Auch für Gewerbe sollte es Erleichterungen geben.

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