Lithium-Ionen-Akkus werden immer günstiger und speichern gleichzeitig immer mehr Energie. Das ist kein Widerspruch, denn kleinere Akkus verursachen weniger Kosten in der Herstellung. Das Ende dieser Entwicklung ist längst nicht erreicht. In der Theorie reicht ein Kilogramm gebräuchliches Kathodenmaterial aus, um mehr als 1.000 Wattstunden (Wh) Energie zu speichern. Die Theorie wird in der Praxis zwar nie erreicht werden. Jedoch ist fortgeschrittene Technik von Magie manchmal kaum zu unterscheiden. Wo können die Ingenieure also noch zaubern?

In der Praxis erreichen Lithium-Ionen-Akkus heute nur etwa 270 Wh/kg. Das bedeutet sehr viel ungenutztes Potenzial – es braucht also gar keine Magie, um die Energiedichte von Akkus weiter zu steigern. Viel Forschung konzentriert sich auf die Suche nach besseren Materialien für die Kathode, dem Herzstück des Akkus. Dort finden die chemischen Reaktionen statt. Aber auch die beste Kathode nützt nichts, wenn der Rest des Akkus, der dafür sorgt, dass die Energie kontrolliert aufgenommen, gespeichert und wieder abgegeben wird, zu viel wiegt. Nur mit vielen kleinen und großen Verbesserungen können die Ingenieure die Praxis näher an die Theorie heranbringen.

Außer der Kathode besteht ein Lithium-Ionen-Akku aus einer Anode, in der das Lithium beim Laden des Akkus gespeichert wird. Der ganze Akku wird mit einem Elektrolyt getränkt, in dem sich Lithium-Ionen bewegen können. Sowohl die Anode als auch die Kathode können Strom leiten, er wird über eine Kupferfolie von der Anode und über eine Aluminiumfolie von der Kathode abgegriffen. Damit es im Akku keinen Kurzschluss gibt, sind Anode und Kathode durch einen Separator getrennt, der zwar Lithium-Ionen leitet, aber keinen Strom. Ein Gehäuse braucht der Akku auch noch. Doch je größer der Anteil des aktiven Kathodenmaterials im Akku ist, desto mehr kann von der theoretischen Energiedichte in der Praxis übrig bleiben.

Große Akkus mit dicken Kathoden

Das geht teilweise mit sehr einfachen Maßnahmen. Natürlich werden Metallfolien und Separatoren so dünn wie möglich gebaut. Zudem hat zum Beispiel Tesla seine Akkuzellen vom 2170 Format auf das 4680 Format umgestellt. Das neue Format hat ein fünfmal so großes Volumen, aber weniger als die dreifache Oberfläche. Damit macht das Stahlgehäuse der Zelle einen geringeren Teil des Gewichts aus. Allerdings können Akkus nicht beliebig groß gemacht werden, denn über die Oberfläche wird auch die Verlustwärme beim Laden und Entladen des Akkus abgeführt.

Eine ähnliche Idee steckt hinter dem Bestreben, immer dickere Kathoden und Anoden zu verwenden. Das pulverförmige Material wird zusammen mit Bindemitteln und Elektrolyten als Paste in dünnen Schichten auf etwa 10 Mikrometer dicke Kupfer- und Alufolien aufgebracht. Nach dem Trocknen sind die aufgebrachten Schichten im Allgemeinen noch 50 bis 100 Mikrometer dick. Im Grunde sind die Folien für ihre Aufgabe viel zu dick. Sie könnten viel mehr Strom leiten, als nötig ist. Aber gleichzeitig sind sie schon so dünn, dass sie kaum noch dünner hergestellt werden können. Zu den Folien kommt außerdem ein etwa 25 Mikrometer dicker Separator.

Doppelt so dicke Kathoden und Anoden halbieren den Anteil der Metallfolien und Separatoren an Volumen und Gewicht. Bei einer 10 Mikrometer dicken Kupferfolie, die auf beiden Seiten 50 Mikrometer dick beschichtet ist, macht das schwere Kupfer 9 Prozent des Volumens und rund 23 Prozent des Gewichts aus. Eine 100 Mikrometer dicke Beschichtung halbiert diese Zahlen. Außerdem müssen nur halb so viele Folien beschichtet werden, um die gleiche Energiemenge zu speichern – ein wichtiger Kostenfaktor in der Herstellung. Der Nachteil ist, dass die Lithium-Ionen die doppelte Weglänge von der Anode zur Kathode überwinden müssen. Das verdoppelt den Widerstand des Ionen-Flusses, der wegen der doppelten Materialmenge auch doppelt so groß sein muss. Die Ladezeiten vervierfachen sich dabei.

Direkte Pfade statt verschlungene Wege

Mehr Elektrolyt und bessere Elektrolyte sind ein Teil der Antwort. Aber das eigentliche Problem ist, dass in einem möglichst kompakten und leichten Akku auch möglichst wenig Elektrolyt verwendet werden muss. Die Lithium-Ionen müssen sich durch enge, verschlungene Pfade durch unregelmäßige Lücken zwischen den Partikeln des Kathoden- und Anodenmaterials hindurch bewegen. Das klingt für die Ionen nach einer Tortur und heißt auch so: Tortuosität. Die Tortuosität kann durch einen höheren Elektrolyt-Anteil gesenkt werden, was die Energiedichte senkt, oder durch eine bessere Struktur des Materials.

Wenn es einige gerade Pfade zwischen den Partikeln gäbe, könnten die Ionen wie auf einer Autobahn direkt in die hinteren Teile der Kathode oder Anode gelangen. In der Forschung konnten solche Strukturen durch gezieltes Wachstum von Eiskristallen erzeugt werden, die nach dem Trocknen mit Elektrolyt gefüllt wurden. Inzwischen können so im Labor „ultradicke“ Kathoden aus Lithium-Eisenphosphat mit einer Dicke von 900 Mikrometern hergestellt werden, die sich immer noch in einer halben Stunde zur Hälfte aufladen lassen.

Das Verfahren funktioniert auch mit anderen Materialien, aber es ist zunächst für das billigere Lithium-Eisenphosphat und Akkus mit langsamerer Ladegeschwindigkeit interessanter. Denn der Separator und die Anode geraten an ihre Leistungsgrenzen, wenn zehnmal so viele Lithium-Ionen durch die gleiche Fläche fließen sollen. Schon bei der vergleichsweise gemächlichen Ladung in einer Stunde werden sie so stark belastet wie sonst bei einer kompletten Schnellladung in sechs Minuten! Einem Einsatz als Akku in einem Netzspeicher stünde aber auch ohne weitere Verbesserungen nichts entgegen.

Bessere Separatoren und Anoden müssen aber nicht nur wegen der dickeren Kathoden entwickelt werden. Die Anode ist nach der Kathode der zweitschwerste Teil des Akkus und ungefähr genauso dick. Unternehmen wie die VW-Beteiligung Quantumscape betreiben zur Zeit viel Aufwand, um das zu ändern.

Suche nach dem perfekten Lithium-Speicher

In der Anode werden beim Laden des Akkus die Lithium-Ionen zusammen mit je einem Elektron wieder zu Lithium-Atomen, die sich im Elektrolyt nicht bewegen können. So wird das Lithium und damit die Energie im Akku gespeichert. In der Kathode werden beim Entladen ebenfalls ein Lithium-Ion und ein Elektron aufgenommen, die chemische Reaktion läuft dann umgekehrt von alleine ab, sobald Strom fließen kann. Weil der Separator keine Elektronen durchlässt, muss der Strom dabei den Umweg durch die elektrischen Anschlüsse nehmen.

In den üblichen Graphit-Anoden wird Lithium zwischen den Kohlenstoffschichten eingelagert. Dafür sind sechs Kohlenstoffatome pro Lithium-Atom nötig, und der Prozess hat eine begrenzte Geschwindigkeit, ansonsten ist es ein fast perfektes, kostengünstiges Material. Bei der Einlagerung geht nur wenig Spannung verloren, das Graphit muss sich kaum ausdehnen und geht in dem Prozess auch nicht kaputt. Aber die sechs Kohlenstoffatome wiegen zehnmal so viel wie das gespeicherte Lithium-Atom – ein ziemlich schlechtes Verhältnis.

Silizium soll Graphit ablösen

Silizium hingegen kann mit Lithium eine Legierung bilden, ungefähr im Gewichtsverhältnis 1:1. Die Lithium-Ionen können dabei aus beliebigen Richtungen in das Silizium eindringen, was den Prozess beschleunigt. Schon länger werden kleine Mengen davon mit Graphit vermischt, um dessen Kapazität zu erhöhen. Inzwischen wurden verschiedene Anoden-Materialien mit teilweise sehr hohem Silizium-Anteil entwickelt. Jedoch dehnen sich die Silizium-Partikel bei der Aufnahme des Lithiums sehr stark aus und schrumpfen bei der Abgabe wieder. Dabei kommt es zu starken Kräften im Material, die größere Silizium-Partikel zerstören.

Das ist ein Problem. Denn ohne elektrischen Kontakt zum Rest der Anode sind die Bruchstücke verloren. Selbst wenn der Kontakt bestehen bleibt, binden zu kleine Silizium-Stücke zu viel Lithium an sich. Denn um jeden Partikel bildet sich im Elektrolyt eine dünne Deckschicht aus unlöslichen Lithium-Salzen, womit dem Akku Lithium verlorengeht. Kleine Partikel haben im Vergleich zu ihrer Masse aber eine größere Oberfläche, so dass die Kapazität durch zerbröckelndes Silizium schnell einbricht.

Wie lässt sich dieses Problem lösen? Das erfahren Sie im zweiten Teil.

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