Der Bundesrechnungshof hat ein vernichtendes Urteil über die Energiewende gefällt. „Die Versorgungssicherheit ist gefährdet, der Strom ist teuer und Auswirkungen der Energie wende auf Landschaft, Natur und Umwelt kann die Bundesregierung nicht umfassend bewerten“, heißt es im aktuellen Sonderbericht zur Umsetzung der Energiewende.
Gegenüber dem vorangegangenen Bericht aus dem Jahre 2021 habe sich die Situation nochmals verschlechtert, so der Rechnungshof. Vor drei Jahren hatte er insbesondere das mangelhafte Monitoring, unrealistische Verbrauchsprognosen und das Abgabensystem moniert, das die Strompreise für die Endverbraucher massiv erhöhe.
Ausbauziele „unrealistisch“?
Auch der aktuelle Bericht moniert die hohen Strompreise sowie das unzureichende Monitoring. Die Bundesnetzagentur gehe von unrealistischen Szenarien aus. So betrachte sie in ihrem Monitoringbericht für die Jahre 2025 bis 2031 lediglich ein „Best Case“-Szenario, in dem die Ausbauziele bezüglich der Erneuerbaren sicher erreicht würden. „Das Szenario ist sehr unwahrscheinlich. Es weicht von den tatsächlichen Entwicklungen erheblich ab“, kritisierte der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller. Es sei absehbar, dass die Ausbauziele nicht erreicht werden.
So habe die Bundesnetzagentur im Jahr 2023 lediglich die Hälfte des Zielvolumens für Windenergieanlagen an Land vergeben: statt 12.840 MW nur 6.380 MW. Um den Zielpfad zu erreichen, müsse sie im Jahr 2024 nunmehr 16.460 MW vergeben. Das sei nicht realistisch. Die Bundesregierung müsse daher verschiedene Eintrittswahrscheinlichkeiten betrachten und dabei auch ein „Worst Case“-Szenario einbeziehen. Zudem müsse sie für ausreichend Back-up-Kapazitäten sorgen, für Zeiten, in denen die erneuerbaren Energien zu wenig Strom liefern.
„Umweltverträglichkeit berücksichtigen“
Mit der Kraftwerksstrategie 2026 werde dies dem Wirtschaftsministerium aber nicht gelingen, „denn die darin vorgesehenen 10 GW H2-ready-Gaskraftwerke werden nicht ausreichen“. Zudem sei auch nicht sichergestellt, ob die Back-up-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar seien. Auch der Stromnetzausbau hinke massiv hinterher. Der Rückstand gegenüber den ursprünglichen Planungen betrage mittlerweile sieben Jahre beziehungsweise 6.000 Leitungskilometer. Der Bundesrechnungshof schlussfolgert, das unzureichende Monitoring und der zu geringe Zubau von Kapazitäten gefährdeten die Versorgungssicherheit.
Auch das Monitoring bezüglich der negativen Umweltauswirkungen beim Umbau des Energiesystems hält der Bundesrechnungshof für unzureichend. Der Zubau der erneuerbaren Energien nehme knappe Flächen und Ressourcen in Anspruch und beeinträchtige die Biodiversität. Die Bundesregierung habe umweltschutzrechtliche Verfahrensstandards abgesenkt, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Dabei hätte sie aber gleichzeitig ein „wirksames Ziel- und Monitoringsystem für eine umweltverträgliche Energie wende“ einführen müssen.
Strompreise weiter zu hoch
Weiterhin ein Dorn im Auge sind den Rechnungsprüfenden die hohen Strompreise, die zu den höchsten in der EU zählten. Damit stellten sie ein erhebliches Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland sowie für die Akzeptanz der Energiewende dar, zumal weitere Preissteigerungen absehbar seien. Diese habe das Bundeswirtschaftsministerium bislang noch nicht in seinen Systemkosten für erneuerbare Energien berücksichtigt. Stattdessen habe die Bundesregierung die Preise punktuell bezuschusst. „Dadurch entsteht ein falsches Bild der tatsächlichen Kosten“, mahnte Scheller. Die Regierung müsse die Systemkosten der Energiewende klar benennen. Darüber hinaus sollte sie „endlich bestimmen“, was sie unter einer bezahlbaren Stromversorgung verstehe.
Habeck weist Kritik zurück
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Kritik des Bundesrechnungshofes inzwischen als „nicht nachvollziehbar“ zurückgewiesen. Die Erzeugungspreise für Strom seien auf Vorkriegsniveau, der Ausbau der Erneuerbaren nehme Fahrt auf, sagte der Grüne am Rande eines Besuchs in Washington. „Ich sage nicht, dass wir durch sind. Aber zu sagen, die Bundesregierung tut nicht genug (…), ist eine erstaunliche Wahrnehmung, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.“
Koalitionspartner FDP nahm den Bericht des Bundesrechnungshofes hingegen zum Anlass, den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck zu kritisieren. „Die wichtigen Ziele günstiger Stromversorgung und hoher Versorgungssicherheit werden mit der aktuellen Politik nicht erreicht“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Die Energiepolitik müsse künftig auf der Intelligenz des Systems statt wie bisher auf blinder Quantität liegen. Speziell der Solarausbau müsse sich mehr an dem Ziel der Versorgungssicherheit orientieren. „Robert Habeck hat mit dem Solarpaket leider genau das Gegenteil vorgelegt: einen verteuerten Solarausbau ohne Speicherstrategie, der die Netze immer mehr belastet“, kritisierte Kruse und forderte entsprechende Änderungen an dem Paket.
BDEW sieht keine Versorgungslücke
Deutlich milder äußerte sich hingegen der Branchenverband BDEW. „Bei aller berechtigten Kritik in einzelnen Punkten: Der Bundesrechnungshof schießt mit seiner Generalkritik über das Ziel hinaus“, erklärte Kerstin Andreae, die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete und heutige Vorsitzende der BDEW Hauptgeschäftsführung. Die vom Rechnungshof befürchtete Versorgungslücke sehe der Verband nicht. Zudem hätten sich die Bedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich verbessert. Allerdings müsse die Bundesregierung jetzt Tempo machen, um den Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu ermöglichen.
Mein Vorschlag: Geothermiekraftwerke. Sie liefern grundlastfähigen Strom und nebenbei auch Wärme, was die Dekarbonisierung der Fernwärmenetze drastisch vereinfachen würde. Besonders dank immer effizienter werdenden Wärmepumpen kommen auch immer mehr Standorte infrage.
Wer bitte zahlt heute 45,19 Cent / kWh?
Wenn ich beispielsweise bei SWM (Stadtwerke München), die mit Sicherheit nicht zu den günstigsten Anbietern zählen, einen Vertrag über ca. 4.000 kWh / Jahr abschließe, dann lande ich bei einem Preis von ca. 31 Cent / kWh.
Stimmt: Wer die Angebote studiert und vergleicht, kann bei einem günstigeren Strompreis landen. Betrachtet und eingerechnet werden sollte aber immer auch der Grundpreis, den der Versorger aufruft.