In Thüringen wird eine der größten Batteriezellen-Fabriken für Elektroautos Europas gebaut. Der Vertrag für das Großprojekt des chinesischen Herstellers CATL (Contemporary Amperex Technology Ltd.) wurde im Juli unterzeichnet, noch am selben Tag vergab BMW als erster Kunde des neuen Werkes BMW einen Milliarden-Auftrag an die Chinesen.
Die Hoffnung war bereits zu diesem Zeitpunkt, dass andere deutsche Autokonzerne folgen. Wegen der stark wachsenden Zahl von Elektroautos in Europa steigt in den nächsten Jahren auch die Nachfrage nach Batterien sowie Batteriezellen rasant. VW, Daimler und BMW kaufen Zellen in Asien und bauen diese dann selbst zu großen Akkus für ihre Elektroautos zusammen. Bundesregierung und Gewerkschaften befürchten eine zu starke Abhängigkeit von asiatischen Zulieferern und dringen seit längerem auf eine nationale oder zumindest europäische Lösung.
Nach nur wenigen Monaten zeichnet sich ab, dass diese Hoffnung berechtigt war: CATL korrigiert seine Planungen offenbar massiv nach oben. Wie der Branchendienst „Electrive“ berichtet, hält der Konzern inzwischen sogar eine Kapazität von 100 Gigawattstunden (GWh) für realistisch. „Wir haben Mitte des letzten Jahres gedacht, die großen Aufträge sind vergeben. Aber dem war nicht so. Es geht weiter nach oben“, sagte CATL-Europachef Matthias Zentgraf dem Portal. „Die Anfragen der Automobilhersteller sind da! Bei realistischer Planung gehen wir – niedrig gerechnet – von einem Bedarf in Höhe von 100 GWh im Jahr 2025 aus.“
Laut den ursprünglichen Planungen wollte CATL bis 2022 rund 240 Millionen Euro in das Werk in dem Industriegebiet „Erfurter Kreuz“ investieren und dort 600 neue Arbeitsplätze schaffen. Das hätte für eine Kapazität von 14 GWh pro Jahr in der ersten Ausbaustufe gereicht.
„Unsere Initialplanung wird gerade überarbeitet“, sagte Zentgraf weiter. Soll heißen: Die Anlage wird jetzt schon größer als gedacht. CATL hatte sich in dem Industriepark zwei Flächen mit je 35 Hektar gesichert und weitere 17 Hektar für einen Zulieferer-Park, in dem Vorprodukte für die Batterien hergestellt werden sollen. Ursprünglich waren auf dem ersten 35-Hektar-Feld zwei Fertigungshallen angedacht. „Womöglich werden die Hallen jetzt größer“, so Zentgraf.
Da sich die Anlage in Erfurt auf mehrere Hallen und Flächen aufteilt, wird die CATL-Batteriefabrik der Tesla Gigafactory 1 wohl nicht den Titel als größtes Gebäude der Welt abspenstig machen. In der riesigen Anlage in Nevada fertigt Tesla mit seinen Zulieferern auch die Vorprodukte unter einem Dach. Langfristig peilt Elon Musk auch eine Kapazität von 100 GWh Batteriezellen pro Jahr an. Es bleibt also spannend, welches Projekt diese Marke zuerst erreicht – der Vorsprung von Tesla und Panasonic ist allerdings groß.
Während Tesla nur für den eigenen Bedarf fertigt, will CATL mehrere Konzerne in Europa beliefern – neben BMW auch Daimler, der französische PSA-Konzern sowie auch Volvo und Jaguar Land Rover. Volkswagen fehlt noch in dieser Liste. In China arbeiten die Wolfsburger zwar bereits mit CATL zusammen, in Europa überlegt VW aber eine Fabrik zusammen mit SK Innovation aus Korea hochziehen. Auszuschließen ist ein späterer Deal mit VW laut Zentgraf aber nicht. Angesichts des EU-Beschlusses, den CO2-Ausstoß von neuen Pkw bis 2030 um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 abzusenken, geht allein Volkswagen davon aus, bis 2030 jährlich etwa 600.000 Elektroautos mehr verkaufen zu müssen, als ursprünglich kalkuliert wurde.
Chinesische Akku-Hersteller haben den Ruf, nicht gerade über eine gute Klimabilanz zu verfügen – was auch, aber nicht ausschließlich, an dem sehr hohen Kohlestromanteil in China liegt. In der Erfurter Vorzeige-Fabrik soll das besser werden, etwa durch den Einsatz erneuerbarer Energien. Diese wären in Osteuropa (in der Diskussion waren auch Ungarn, Polen und Slowenien als Standort) kaum verfügbar gewesen. Ebenso hätte es laut Zentgraf aus CO2-Sicht wenig Sinn ergeben, Rohstoffe wie Kobalt aus den Nordsee-Häfen nach Osteuropa zu transportieren, um dann fertige Batteriezellen wieder zu den Autobauern in Deutschland zu verfrachten.
Bei der Logistik will CATL vor allem auf die Schiene setzen. Bei einer Kapazität von 100 GWh würden 93 Container das Werk pro Tag verlassen. Dafür soll sogar ein neuer Bahnanschluss an das Erfurter Werk gebaut werden.
Erstkunde BMW wird die Zellen ins 400 Kilometer entfernte Dingolfing fahren, wo sie zu Modulen zusammengesetzt und in die Fahrzeuge eingebaut werden. Das wird vor allem in dem BMW i-Next der Fall sein, der 2021 wohl als i5 auf den Markt kommt. Der Auftrag hat ein Volumen von 1,5 Milliarden Euro. Zellen für weitere 2,5 Milliarden Euro kauft BMW bei CATL in China.