Gut 40.000 Produkte enthalten Naturkautschuk. Ob Matratzen, Handschuhe, Klebestreifen oder Reifen – der Rohstoff verleiht extreme Elastizität, Zugfestigkeit und Kälteflexibilität.

Naturkautschuk wird bislang aus dem Baum „Hevea brasiliensis“ gewonnen. Der wächst in den Subtropen. Die Nachfrage macht den Naturkautschuk zum kostbaren Gut. 95 Prozent der weltweiten Gesamtproduktion stammen aus Südostasien.

Um den steigenden Verbrauch zu decken, werden Regenwälder gerodet und in Agrarland umgewandelt. Natürlichen Kautschuk durch künstlichen zu ersetzen war bisher nicht möglich. Forscher des Münsteraner Fraunhofer-Instituts fanden nun aber eine umweltfreundliche und günstige Alternative zum Kautschukbaum. Und die hört auf den Namen „russischer Löwenzahn“.

In ein paar Jahren könnte Naturkautschuk aus Löwenzahn normal sein. Nicht der gesamte Weltbedarf lässt sich durch Löwenzahn decken, doch macht er die Industrienationen etwas unabhängiger von Importen.

Kautschuk aus Löwenzahn-Wurzeln

Nun also Autoreifen aus, nun ja, Pusteblumen. In einer Pressemitteilung des Herstellers „Continental“, der die Münsteraner Forschung mit finanziert hat, heißt es dazu: „Im Taraxagum Lab Anklam wurden die ersten Maschinen installiert, die der Extraktion des Kautschuks aus den Löwenzahnwurzeln dienen. Mit der Anlage wird nun Kautschuk aus den Löwenzahnwurzeln gewonnen. Die Extraktionseinheit klaubt deutlich mehr Kautschuk aus den Pflanzen, als bisher.“

Gefördert wurde das ungewöhnliche Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft – sowie vom Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommerns. Mit „Taraxacum kok-saghyz“, dem russischen Löwenzahn, stießen die Münsteraner Forscher auf einen passenden Ersatz für den Kautschukbaum.

„Die Pflanze ist extrem anspruchslos. Sie kann bei uns und auch auf Böden kultiviert werden, die für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln nicht oder nur begrenzt geeignet sind“, sagt Dirk Prüfer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, hier dem Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen in einer Pressemitteilung des Instituts. „Und Löwenzahn besitzt den Vorteil, dass er von Jahr zu Jahr wächst. Der Kautschukbaum bringt erst nach sieben bis zehn Jahren einen Ertrag.“

Theoretisch schon länger möglich, praktisch erst heute

Dabei ist die Idee nicht neu, sondern ihr wurde nur frisches Leben eingehaucht. Bereits während des Zweiten Weltkriegs forschte man daran – mit wenig Erfolg. „Mit dem heutigen Wissen und neuen Methoden ist es jetzt gelungen, die Grundlagen für die nachhaltige Nutzung des Naturkautschuks aus Löwenzahn zu erarbeiten“, sagt Dirk Prüfer. Continental rechnet nicht vor dem Jahr 2023 mit einem serienreifen Löwenzahn-Reifen.

Ebenfalls beteiligt ist das Zucht-Unternehmen Eskusa, das die Bearbeitung der allgemein als Unkraut eingestuften Pflanze übernahm. Durch gezielte Zucht gelang es, den Kautschukgehalt innerhalb kurzer Zeit zu verdoppeln.

Auf gentechnische Eingriffe verzichteten die Forscher dabei. Für Prüfer ist es ein kleiner Traum, der da in Erfüllung geht: „Hätte man mich vor gut zehn Jahren gefragt, ob es je soweit kommen würde, hätte ich nur ungläubig geschaut.“

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