Wer gerne im Geld schwimmen möchte, der sollte rasch Fahrradhändler werden. Denn der Rubel rollt gerade im Zweirad-Gewerbe: 720.000 neue E-Bikes verließen 2017 die Verkaufsräume der Händler, das ergibt, Rad an Rad, eine Fahrrad-Kolonne von 1440 Kilometern Länge – pro Jahr. Die Deutschen haben mittlerweile mehr als vier Millionen elektrifizierte Räder in ihren Garagen und Kellern stehen. Und die Nachfrage ist ungebrochen, ja dürfte durch die Produktneuheiten, die demnächst auf der Eurobike in Friedrichshafen werden, noch einmal angefeuert werden.
Die Angebots-Vielfalt ist jetzt schon riesig. Fachkataloge listen über 50 namhafte Hersteller auf. Rechnet man alle Manufakturen für Kleinserien und Spezialgebiete ein, beschäftigen sich weltweit rund 500 Hersteller mit elektrischen Antrieben für Fahrräder, Lastenbikes und Transport-Dreiräder. Sie machen gute Geschäfte. E-Bikes mit Standard-36 Volt-Antrieb gibt es beim Discounter schon ab 1500 Euro. Und in Fachgeschäften ist bei Preisen von 10.000 Euro längst noch nicht Schluss. Vom Sonderangebots-Rad mit leichtem Rückenwind bis zum High-End-Superbike-Carbon-Fully werden eindrucksvolle technische Lösungen bis hin zum Carbonrahmen-Racer geboten. Testberichte belegen: Wer allzu ramschige Sonderangebote mit namenlosen Antriebsquellen meidet, der bekommt gute Ware in die Hand.
Drei unterschiedliche Motor-Varianten
Die Fahrradantriebe gibt es grob gegliedert in drei Varianten: Entweder sitzt der Motor in der Radnabe vorne oder hinten – oder mitten im Tretlager. Der Mittelmotor ist die gängigste Darreichungsform: Über 95 Prozent aller E-Bikes haben ihn. Und bis vor kurzem schien es, als würden praktisch alle diese Antriebe von Bosch gebaut.
Aber die Konkurrenz schläft nicht. 13 verschiedene Hersteller wetteifern mittlerweile mit den bewährten Bosch-Antrieben. Das Mittelmotorkonzept hat seine hohe Tauglichkeit seit Jahren in hunderten von Testberichten unter Beweis gestellt. So ein Motor zwischen den Pedalen wiegt mit Getriebe und Regelelektronik je nach Hersteller und Ehrlichkeit seiner Marketing-Abteilung zwischen 3,2 und 6,5 Kilogramm. Sein Gewicht stört unten im Rahmen angebracht am allerwenigsten und der Vortrieb kann so funktional recht einfach in den Kettentrieb integriert werden. Marktführer Bosch (der tatsächlich auf über 70 Prozent Marktanteil kommt) hat seit 2010 vorgemacht, wie man mit dieser Bauart die Talente eines überzeugend fahraktiven und zuverlässigen Bikeantriebs herausstellt. Es gab vorab freilich gute Vorbilder von Shimano und Yamaha, wo derartige Konzepte seit Jahrzehnten existierten. Newcomer Brose errechnet sich Vorteile aus der millionenfach bewährten Großserientechnik, indem man einen Elektromotor für die Servolenkung gängiger Automodelle auf 48 Volt umstellt und mit maximal 90 Newtonmeter Drehmoment kraftvoll antreiben lässt.
Autozulieferer Conti geht den umgekehrten Weg und macht ein filigran wirkendes Kugelgetriebe mit raffinierter Verstellmechanik als eine Art stufenloses Planetengetriebe für den Mittelantrieb im Fahrrad serienreif. Das Nuvinci-Getriebe, das die Niedersachsen einsetzen, geisterte vor der Umsetzung bei Conti bereits seit Jahren in Kleinserien durch die Bike-Branche der USA. Nun hat es bei Conti eine solide Basis gefunden. Und Conti kann seinen Antrieb nun mit einer stufenlosen Automatik koppeln. Ob sich die raffinierte Uhrmacher-Mechanik im E-Bike-Alltag bewähren kann, muss sich freilich noch zeigen.
Kein klarer Gesamtsieger
Gibt es im aktuellen Angebot den heißen Tipp für einen überlegenen Gesamtsieger? Eher nein. Die Hersteller agieren auf Schulterhöhe und mit pfiffiger Modellpflege, was Performance und Dosierbarkeit angeht. Das Stichwort vom „natürlich wirkenden Antrieb“ hat sich für die beste Eigenschaft von allen festgeschrieben: Man merkt in Fahrt nichts Störendes vom Antrieb, außer dass es zügig voran geht.
Es bleibt den Technik-Freaks vorbehalten, die eine oder andere Eigenschaft vom Testparcours zu ihrem Lieblings-Feature zu befördern. Geräuscharmut, geschmeidiger Lauf und Top-Wirkungsgrad liegen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Solange manche Antriebe mehr als ein Kilogramm Gewichtsvorteil aufweisen, kann man sich als Power-Pilot ein Wunsch-Bike mit beachtlichen Federwegen an beiden Rädern zusammenstellen, das nur knapp über 20 Kilogramm wiegt und vor keinem noch so intensiven Offroad-Einsatz zurückschreckt. Nur wenige kommen auf die Idee, mit so einem Superbike die Semmeln vom Bäcker zu holen. Dort stehen, ebenso wie am Firmenparkplatz und Supermarkt, die anderen Bikes aus Stahl mit 25 bis 30 Kilogramm Fahrzeuggewicht.
Wobei die Regel konsequent umgesetzt wird, dass alles, was sich im Härte-Einsatz der Mountainbiker bewährt hat, auf Bummeltour durch den Rentner-Alltag ganz sicher nicht schadet. Shimano hat das an der eigenen Modellpalette erlebt, als nach dem Standardmodell Steps 6000 der Spezialantrieb namens Steps 8000 als Top-Antrieb für die Gilde der Noppenreifen-Artisten eingeführt wurde. Der neue Antrieb reagiert anerkannt geschmeidig, spritzig und fein dosierbar und wurde rasch zum Lieblings-Pusher vieler Tester und Fahrradhersteller. Überraschend häufig findet sich der Steps 8000 heute auch im Angebot bei Touren- und Trekkingbikes, die zuvor mit der wesentlich braver agierenden Version des Shimano Steps 6000 auskommen konnten. Feine Technik macht sich offensichtlich bezahlt.
Der Motor als Rolex im Rad
Diese Vorliebe zu hoch entwickelter Technologie eint das Feld der E-Bike-Käufer. Man leistet sich den guten Antrieb als eine Art Rolex im Rad. Die Gespräche auf den Transversalen zwischen den Hochalmen der Alpen beweisen es ebenso wie die parkende Flotte am Supermarkt, Freibad und entlang der gängigen Fahrrad-Wanderouten: Wer das Auto stehen lässt, der nimmt seinen Stolz auf einen intelligent abgestimmten Power-Antrieb gerne mit für das Leben auf zwei Rädern.
So gesehen ist Autoantriebs-Experte ZF offensichtlich auf dem besten Weg, einen neuen Knaller zu landen: Nur 2,4 Kilogramm soll der neue 48 Volt-Antrieb für das Sachs-Bike von ZF wiegen. Man munkelt von maximal 95 Newtonmeter maximalem Drehmoment, gut 20 Prozent mehr als der anerkannt starke Boschmotor.
Der Aufbau scheint mit Formel 1-Erfahrung konstruiert, wo Weglassen als höchste Kunst gilt. Kleiner 90 mm-Motor, kompaktes Planentenrad-Getriebe, kluge Steuerungs-Elektronik und wartungsfreier Riemenantrieb zum Rad, so berichten die Erlkönig-Spione, die bereits etwas dichter am Antrieb dran waren. Bike-Bremsexperte Magura steuert ein funktionierendes ABS-System von Brake-Force-One für beide Räder mit bei, das im Rahmen versteckt nur 400 Gramm wiegen soll. So viel zur ersten Ausbaustufe, die zweite liegt noch leicht unscharf im Dunst der Entwicklungslabors. Der Clou steckt im elektrischen Feld des Antriebs: der ZF-Motor kann bald rekuperieren, lädt also bergab und beim Bremsen den Akku wieder voll. Das konnte unter den Mittelmotoren bisher keiner.
Kundendienst ist wichtiger Faktor
Man sieht: So ähnlich sich die Antriebe in Leistung und Reichweite auch geworden sind, so unterschiedlich liegen die Eigenschaften im Premium-Bereich verteilt, die bisher in Fachmagazinen der Biker-Branche kaum herausgestellt werden. Ein Händler aus dem schwäbischen Raum, zu dem die kaufende Kundschaft von weither gereist kommt, nennt als wichtigste Ergänzung das Stichwort Kundendienst: „Es gelingt uns mit vergleichsweise geringem Aufwand, die Bosch-Antriebe auch im strapaziösen Dauereinsatz am Laufen zu halten, wenn mal was defekt sein sollte. Auf Wunsch schaut der Bosch-Experte eben jede Woche vorbei, damit alles läuft. Andere Modelle zeigen dagegen öfter mal ihre Zicken, auch wenn unser Service-Computer beim Auslesen auf null Fehler kommt. Dann hilft nur ausbauen, einschicken, abwarten. Und in der ungeliebten Wartezeit – Bike-Antriebe versagen scheinbar nur bei allerschönstem Wetter – ist uns schon mancher Kunde umgestiegen.“
Es gibt ja genügend Alternativen. Und das Niveau ist durchweg hoch, Tendenz weiter steigend.