Die nackten Zahlen sind nicht toll: Auf deutschen Straßen sind Elektrobusse noch seltener zu sehen als Autos mit Batterieantrieb. Von 40.000 Bussen sind lediglich 608 mit alternativer Antriebstechnik ausgestattet. Holprige Einführungen mit Ladeschwierigkeiten und kurzen Reichweiten waren ein Problem, die Verfügbarkeit erfüllt die Erwartungen der Branche häufig nicht und die Kosten für Anschaffung und Infrastruktur sind astronomisch. Ein Elektrobus kostet mindestens doppelt so viel wie die Dieselvariante. Die Infrastruktur verschlingt Millionen.

Aber: Die Fahrer sammeln Erfahrung, die Reichweiten steigen und die Preise dürften noch sinken. Und so nimmt das Interesse bei Betreibern und Kommunen kontinuierlich zu. Mit der Dieseldebatte gerät der ÖPNV immer mehr unter Zugzwang.

Neben einer steigenden Lärmbelastung haben Dieselbusse den Makel eines Umweltverschmutzers. Hamburg und Dortmund wollen ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anzuschaffen, Berlin will bis 2030 vollständig auf alternative Antriebe umstellen.

Deutsche Hersteller ziehen nach

Bisher kamen die Busse mit alternativen Antrieben aus Polen, den Niederlanden, der Türkei und China. Daimler ist jetzt der erste deutsche Hersteller, der den Anschluss an den Markt sucht. Ende des Jahres beginnt die Serienfertigung des „eCitaro“, der kommendes Jahr bei der Berliner BVG eingesetzt wird. „Elektroantrieb ist keine Nische mehr, das ist eine substanzielle Säule“, ist Gustav Tuschen, Entwicklungsleiter von Daimler Buses und Mitglied der Geschäftsführung von EvoBus, überzeugt.

Er prognostiziert, dass in zehn Jahren 70 Prozent aller neu zugelassenen Stadtbusse über einen emissionsfreien Antrieb verfügen. MAN ist der nächste deutsche Hersteller – 2020 bringen die Münchner den „Lion’s City E“ auf den Markt. Auch MAN rechnet mit einem massiven Ausbau des Elektroantriebs bei Stadtbussen. Ihre Prognose liegt bei rund 66 Prozent der neu ausgelieferten Linienbusse im Jahr 2030 und damit in vergleichbarer Höhe von Daimler.

Es ist ein gigantischer Markt. Das zeigt auch ein Bericht von IDTechEx, der das Volumen bis zum Jahr 2027 auf 500 Milliarden US-Dollar weltweit schätzt. Das zunehmende Interesse der Städte zeigt auch der aktuelle E-Bus-Radar der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Danach haben sich die Pläne für den Kauf von rein elektrisch angetriebenen Bussen im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht.

Ein Grund für das Engagement ist nach Ansicht von PwC-Experte Alfred Höhn, dass etliche Städte als Vorreiter glänzen wollen. Für seinen Kollegen Maximilian Rohs ist das eine spannende Entwicklung, und zwar in doppelter Hinsicht: „Einerseits existieren in vielen Städten kurzfristig äußerst ambitionierte Pläne für eine Elektrifizierung der Busflotte, andererseits wird es spannend, ob die Industrie diese Stückzahlen auch zeitnah liefern kann.“

Kein rasanter Start

Vorreiter ist Berlin mit 1590 geplanten Neuanschaffungen, gefolgt von Kiel, Wiesbaden und Bremen mit jeweils mehr als 200 geplanten Käufen bei E-Bussen. Danach folgen Nürnberg (160) und Hamburg (117). Was sich viel anhört, ist im Vergleich zu China minimalistisch: Allein in der chinesischen Provinzstadt Shenzhen rollen bereits 16.000 E-Busse. Zudem werden die Pläne nicht alle im kommenden Jahr umgesetzt. Berlin fängt erst mal mit 30 E-Bussen an.

Nicht alle Batteriebusse ersetzen sofort den Dieselantrieb. Die Praxistauglichkeit wird meist zuerst in Pilotprojekten getestet. Die Experten von PwC sind jedoch überzeugt, dass der Markt für Hersteller zunehmend attraktiver wird – vor allem, wenn deutsche Anbieter wie Daimler und MAN jetzt mitmischen. „Das wird dem Markt einen Bestellschub geben“, erklärt Hansjörg Arnold, Partner und Leiter des Bereichs Infrastructure & Mobility bei PwC.

Das Bundesumweltministerium will das forcieren und stellt Fördergelder von 35 Millionen Euro für die Anschaffung zur Verfügung. Mit rund 130 Millionen Euro werden zusätzlich Bonn, Essen, Herrenberg (Baden-Württemberg), Mannheim und Reutlingen (Baden-Württemberg) als Modellstädte zur Luftreinhaltung gefördert. Sie sollen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verbessern und zur Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung beitragen.

„Ich spüre so viel Rückenwind wie selten für unsere Branche“, sagte vor diesem Hintergrund VDV-Präsident Jürgen Fenske auf einer Fachtagung. Er ist überzeugt: „E-Busse werden die Zukunft sein.“

Es braucht auch mehr ÖPNV

Um eine echte Mobilitätswende einzuleiten, reicht die Umstellung auf alternative Antriebe nicht aus. Dafür, so Arnold, müsse das öffentliche Verkehrsangebot massiv ausgebaut und attraktiver gestaltet werden. „Nur so lassen sich letztendlich die Lebensqualität, insbesondere in den Städten, verbessern und die Klimaziele erreichen.“

Von der Zukunft in die Gegenwart: Von den 186 rein elektrisch angetriebenen Bussen fahren die meisten zurzeit in Stuttgart (13), Kiel (10) und Ludwigshafen (5). Nicht alle fahren mit Batterien. Das sind lediglich 99. Der Rest fährt mit Wasserstoff (12), einer Oberleitungs-Hybrid Technologie (9) – einer Kombination aus Oberleitung und Batterie – oder als reiner Oberleitungsbus (66).

Wie beim Auto gilt der Hybridantrieb als Brückentechnologie – bisher hat sie mit 422 Bussen noch die Nase vorn, wird aber nach und nach an Bedeutung verlieren. Arnold rechnet damit, dass die Verkehrsbetriebe zunehmend auf reine Elektrobusse setzen.

Welcher Antrieb sich in Zukunft an die Spitze vorarbeitet, ist aber noch völlig offen. Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik beim VDV, ist überzeugt, dass es kein entweder-oder geben wird. „Die Zukunft wird nicht einheitlich sein“, sagte er auf einer Tagung in Berlin. „Und wir wollen die Technologien nicht gegeneinander ausspielen, sondern zeigen, dass es auf die einzelnen Einsatzgebiete ankommt.“

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