Das Brummen der Dieselmotoren soll auch bei Transportern und Lastwagen in nicht allzu ferner Zukunft vom Surren eines Stromantriebs abgelöst werden. Und das fängt klein an: Auf der IAA Nutzfahrzeugmesse in Hannover, die von 20. bis 27. September mit mehr als 2100 Ausstellern ihre Tore öffnet, präsentieren fast alle Hersteller marktreife Elektrotransporter für kurze Strecken im Stadtverkehr. Denn für Daimlers eSprinter oder den Kastenwagen eTGE von MAN passt die Batterietechnik schon, während bei Schwerlastern für die Langstrecke die elektrischen Pferdestärken noch viel zu schwach und zu teuer sind.
„Ähnlich wie beim Pkw werden Kurzstrecken-Lkw früher vollelektrisch fahren als Langstrecken-Lkw“, erklärt Joachim Deinlein, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Auf langen Strecken von mehr als 500 Kilometern sagen Analysten dem Diesel noch ein langes Leben voraus, weil die Technik noch nicht so weit ist.
So wie bei Autos zwingt auch in der Transportbranche der strengere Klimaschutz und dicke Luft in den Ballungsgebieten alle zum Handeln: Die EU-Kommission hat für Lkw eine Reduktion des Ausstoßes von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) um 30 Prozent von 2019 bis 2030 in Europa vorgeschlagen. Als Zwischenetappe ist bis 2025 ein Minus von 15 Prozent geplant. Außerdem planten Großstädte, die Schadstoffemissionen durch Fahrverbote einzudämmen, das treibe ebenfalls den Umstieg auf Elektrofahrzeuge an, erklärt Wyman-Experte Deinlein. „Dieseldiskussion und City-Bans werden greifbar – wir erwarten, dass da noch mehr in Bewegung kommt.“
Die (elektrischen) Highlights der Nutzfahrzeug-IAA sehen Sie hier:
Der Dieselanteil wird sinken
Das Beratungsunternehmen prognostiziert deshalb, dass im Jahr 2030 ein Viertel der neuen Lastwagen in Deutschland mit alternativen Antrieben fährt, vor allem mit Batterie- aber auch mit dem emissionsärmeren Gasantrieb. Für die nächsten drei Jahre hätten die europäischen Lkw-Hersteller Daimler, MAN, Scania, Volvo, DAF und Iveco elf neue Elektromodelle angekündigt. Auch nach der Prognose der Landesbank Baden-Württemberg wird der Diesel-Anteil von derzeit 95 Prozent bei mittelschweren Lastern bis 2026 auf 80 Prozent sinken, bei Schwerlastern auf 90 Prozent.
Viele Modelle und Konzeptfahrzeuge mit einem „e“ wie elektrisch im Namen sind auf der Messe nach Einschätzung von Jürgen Pieper, Autoexperte vom Bankhaus Metzler, derzeit noch Showexponate. Die Lkw-Bauer seien vom Imageschaden, den der von Volkswagen verursachte Dieselskandal bei Pkw zur Folge hatte, mit betroffen, obwohl sie dank der schon lange schärferen Abgastests nicht selbst am Pranger stehen. „Die Hersteller wollen sich als technologisch fortschrittlich präsentieren“, sagt Pieper. Dabei fahre den Europäern mal wieder der US-Elektroautopionier Tesla davon, der Jahre vor ihnen den elektrischen Schwerlaster Semi für eine Strecke von bis zu 800 Kilometern bauen will. Im kommenden Jahr will Tesla-Chef Elon Musk, der zurzeit noch mit dem Hochlauf des neuen Volumen-Pkw-Modells Model 3 in der Produktion zu kämpfen hat, den Truck mit futuristischem Design in Serie bauen.
Anschubfinanzierung durch den Staat
Ob schick oder nicht, für die Spediteure und Lieferdienste zählen vor allem Anschaffungs- und Betriebskosten sowie die Anforderungen ihrer Kunden, erklärt Dirk Engelhardt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Höhere Preise können sie hinnehmen, wenn die Kraftstoffkosten, die etwa ein Drittel der Gesamtkosten ausmachen, von niedrigeren Stromkosten ersetzt werden. „Es muss nicht billiger sein als der Diesel“, sagt Engelhardt. „Wenn der Verlader es vorschreibt oder die Gesellschaft es möchte und bereit ist, einen höheren Preis zu zahlen, werden auch die Fuhrunternehmen in die Elektromobilität investieren.“ So gäbe es schon erste Kunden, die ausdrücklich emissionsfreie Transporte wünschten – sei es, weil sie den Klimaschutz ernst nähmen oder sei es aus Imagegründen. Dazu gehöre die Autoindustrie selbst, aber auch Chemie- und Lebensmittelproduzenten.
Der Wechsel zu Elektrofahrzeugen wird für die Hersteller nach Einschätzung von Frank Schwope, Autoexperte der Norddeutschen Landesbank, zunächst ein Zuschussgeschäft. Für den Stromstoß bei Nutzfahrzeugen seien womöglich noch mehr staatliche Fördermittel notwendig – nicht nur für städtische Betriebe, sondern auch für Spediteure. So übernimmt der Staat bei der Anschaffung von mehr als fünf Elektrobussen für einen Verkehrsbetrieb des öffentlichen Nahverkehrs 80 Prozent der Mehrkosten. Das ist auch notwendig – denn der neue eCitaro von Daimler zum Beispiel wird mehr als doppelt soviel wie sein Diesel-Bruder kosten.