Rund 10.000 Kilometer: So weit sind ungefähr Kapstadt an der südlichsten Spitze Südafrikas und das ägyptische Alexandria an der Mittelmeerküstedie auf der Autoroute voneinander entfernt. Und diese Distanz entspricht auch der Länge aller Straßen, die Rajagopalan Vasudevan in Indien mit Plastikabfällen gepflastert hat – mindestens, denn manche Schätzungen liegen noch deutlich höher.
Vasudevan arbeitet als Professor für Chemie am Thiagarajar College of Engineering im indischen Bundesstaat Tamil Nadu. 2002 kam ihm die Idee, für einen Straßenbelag trockene zwei Millimeter große Plastikmüll-Fragmente über Kies oder Bitumen zu sprühen, die er zuvor auf 170 Grad Celsius erhitzt hatte. Der Müll schmolz und hinterließ einen hauchdünnen Film. Diese Masse wurde dann dem geschmolzenen Teer zugegeben. Da sowohl Kunststoff als auch Teer Erdölprodukte sind, vereinen sie sich schnell.
Die Technik bringt drei Vorteile mit sich: Zunächst einmal wird Kunststoffabfall weiterverwertet – was angesichts der Mengen des Abfalls natürlich sinnvoll ist. „Plastik ist nicht das Problem, wir sind es“, sagte Vasudevan der britischen Tageszeitung „Guardian“. „Plastik würde unsere Ozeane oder unsere Deponien nicht verstopfen, wenn wir es gar nicht erst dorthin werfen würden. Es gibt so viel anderes, das wir stattdessen damit machen könnten.“ Der zweite Vorteil der Plastikstraßen ist, dass sie langlebiger als üblicher Belag sind.
Material sparen mit Plastik
Und schließlich wird die benötigte Bitumen-Menge reduziert. Für den Bau einer Straße sind pro Kilometer normalerweise zehn Tonnen Bitumen erforderlich. Bei der Kunststoffstraße sind es neun Tonnen Bitumen und eine Tonne Plastikabfall. „Die Wiederverwendung von Kunststoffabfällen im Straßenbau ist eine Lösung für die umweltfreundliche Entsorgung dieses Mülls. Plastikteerstraßen haben eine doppelte Festigkeit im Vergleich zu normalen Bitumenstraßen“, so Vasudevan. Das Material ist für hohes Verkehrsaufkommen geeignet und wird auch nicht stärker als übliche Straßen durch Regen oder stehendes Wasser geschädigt, was im Land mit seinem heftigen Monsunregen wichtig ist.
Schon 2002 baute der Forscher seine erste Straße mit dem kunststoffmodifizierten Bitumen auf dem Unicampus. Diese hält bis heute einwandfrei. 2006 folgte ein Patent für das Verfahren. Als Krönung kam dann im November 2015 die Ansage an alle Straßenbauer Indiens, beim nationalen Wegebau nur noch Vasudevans Material zu verwenden. Und im vergangenen Jahr wurde Vasudevan mit einer der höchsten zivilen Auszeichnungen Indiens, dem „Padma Shri“, für seine Forschung geehrt. Den vermutlich passendsten Titel hat Vasudevan sich aber selbst gegeben. Er nennt sich „The Plastic Man of India“.