Herr Hajesch, die ersten Ladesäulen stehen und sind in Betrieb. Auf der Karte mit den geplanten Stationen tauchen immer mehr Punkte auf. Wie geht es jetzt weiter?
Man darf nicht vergessen: Wir haben erst vor zehn Monaten den Betrieb aufgenommen. Inzwischen sind wir 50 Leute, die sich aus den verschiedensten Bereichen in München zusammengefunden haben. Es freut uns natürlich, wenn es auf unserem Zeil von 400 High-Power-Charging-Stationen in Europa vorangeht. Die Arbeit, bis wir an dem Punkt sind, es als „under construction“ auf der Karte einzutragen, ist enorm. Das ist wahnsinnig viel Papierkram.
Beschreiben Sie doch den Prozess.
Wenn wir die Baugenehmigung haben und endlich mit den physischen Arbeiten loslegen können, ist bereits 85 Prozent der Arbeit getan. Die Arbeit mit den verschiedenen Behörden über ganz Europa verteilt ist entsprechend komplex, wir müssen natürlich alle Bedingungen erfüllen. Der Prozess ist jeweils unterschiedlich lang, auf die Arbeit der Behörden haben wir keinen Einfluss. Der eigentliche Bau, die Abnahme und das „Going live“ sind dann relativ schnell erledigt.
Bevor wir überhaupt einen Antrag stellen können, müssen wir die Location sichern. Für einen Großteil des Netzwerks ist das bereits der Fall, nur in einigen Bereichen müssen wir noch nachjustieren oder die Verträge unterschreiben.
Die 400 Stationen sollen bis Ende 2020 stehen, das Zwischenziel für dieses Jahr sind 100 Stationen. Aktuell sind 12 in Betrieb und knapp über 20 im Bau. Schaffen Sie das noch?
80 Stationen stehen bis Jahresende sicher. Beim Rest fehlt noch mindestens ein Teil des Puzzles, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen. Nochmals: Wir haben vor zehn Monaten die Arbeit aufgenommen, managen über 20 Baustellen und leisten die Vorarbeit im Hintergrund.
Ist der Bau selbst dann noch komplex oder sind es die Genehmigungen?
Am Ende bauen wir eine Art Musterhaus. Der Aufbau der Stationen ist immer gleich, die Größe variiert leicht. Die Ladetechnik selbst beziehen wir von drei Unternehmen, die Säulen sehen aber immer gleich aus und haben das selbe Interface für den Kunden. Die Komplexität liegt in der Tat darin, dass wir in 23 Ländern mit 23 leicht verschiedenen Gesetzgebungen aktiv sind.
Wenn die Genehmigung vorliegt: Ist der Rest der „Lieferkette“ gesichert?
Wir haben uns bei großen Baufirmen und Planungsbüros entsprechende Kontingente gesichert, dass wir dann sofort loslegen können und nicht erst einen Partner suchen müssen. Die Ladetechnik kommt von ABB, Tritium und Porsche Engineering. Auch diese Partner müssen ihre Produktion hochfahren und auch anpassen. Denn Ionity-Ladesäulen werden immer gleich aussehen, egal wessen Technik darin verbaut ist.
Aussehen ist das eine. Ist auch die Funktionalität gleich?
Der Kunde soll davor gar nichts mitbekommen. Für den Kunden sind drei Faktoren wichtig: Verfügbarkeit, der Lade-Standard und der Preis. Die Zuverlässigkeit der Anlage setze ich voraus.
Der Lade-Standard ist gesetzt: Ionity nutzt ausschließlich das Combined Charging System CCS mit dem Combo-2-Stecker, bis zu 350 Kilowatt Ladeleistung. Reden wir über die anderen beiden Punkte. 2020, wenn die 400 Stationen stehen sollen, ist schon nah. Was kommt danach? Planen Sie weitere Stationen oder werden die bestehenden Ladeparks von derzeit sechs auf mehr Ladesäulen aufgerüstet?
Da haben Sie schon zwei Möglichkeiten genannt – das ist beides valide und eine Überlegung wert. Ich möchte noch eine dritte Variante ins Spiel bringen: Wenn wir uns heute die Städte anschauen, sehen wir sehr selten, dass die Bewohner zuhause laden können. Was wir etwa in München oder Frankfurt an wichtigen Ausfallstraßen sehen, sind acht oder mehr Tankstellen auf nur wenigen Kilometern. Warum so etwas nicht mit Ionity machen?
Also kommen ab 2021 Ionity-Schnelllader in die Stadt?
Die Menschen fahren dort in die Stadt rein und raus und haben offenbar Bedarf, dort zu tanken. Das können wir auch mit Schnellladern für die Elektromobilität bieten, wir beherrschen die Technologie. Es ist sicher ein interessantes Szenario, das wir evaluieren werden. Noch ist nichts entschieden. Das gilt übrigens auch für einen möglichen Ausbau der 400 Autobahn-Stationen für die Langstrecke.
A propos noch nichts entschieden: Beim Preis berechnen Sie derzeit acht Euro pro Ladevorgang pauschal – egal wie viel am Ende tatsächlich geladen wird. Wann kommt eine verbrauchsbasierte Abrechnung bei Ionity?
Derzeit ist die Pauschale gesetzt, richtig. Zu Ihrer Frage können wir derzeit noch nichts sagen, werden es aber natürlich rechtzeitig vor dem Launch tun.
Bleiben Sie beim reinen Gleichstrom-Schnellladen oder werden künftig auch 22- oder 43-Kilowatt-Wechselstromlader an Ionity-Standorten installiert?
Wir bleiben bei Gleichstrom, ein Wechsel steht derzeit nicht zur Debatte.
Wie werden die bisher installierten Säulen angenommen?
Das ist von Location zu Location unterschiedlich. Wir sind gerade dabei, die ersten Stationen in den nordischen Ländern in Betrieb zu nehmen. Dort ist die Marktdurchdringung von Elektroautos und die damit verbundene Nachfrage nach Ladestationen per se höher. Die Zahlen, die wir bisher vorliegen haben, sind sehr konstant. Ein Bild, wie eine neue Station in Deutschland, Österreich, Frankreich oder einem der Benelux-Länder angenommen wird, lässt sich daraus aber noch nicht ableiten.
Was erwarten Sie, wenn jetzt die ersten Fahrzeuge kommen, die mit 150 Kilowatt laden können?
Darauf haben wir unser Konzept ausgelegt! Wir sind mit bis zu 350 Kilowatt für alle Fahrzeuge gerüstet, die in den kommenden Jahren auf den Markt kommen und zugleich abwärts kompatibel, damit wir jedes Auto mit CCS-Plug bedienen können. Zahlen möchte ich aber nicht nennen. Wir wollen nicht über Erwartungen sprechen, sondern lassen Sie uns erneut reden, wenn echte Zahlen vorliegen. Wichtig ist: Der Kunde muss nicht mehr überlegen, ob es klappt. Er kann laden und es funktioniert.