Deutschland schneidet beim Klimaschutz gerade so ab wie beim (Herren-)Fußball: einst Weltmeister, heute eher Schlusslicht. Die selbstgesteckten Ziele wie auch die internationalen Verpflichtungen, den Ausstoß an Treibhausgasen zu senken, verfehlt die Bundesrepublik deutlich (siehe Grafik unten). Im Verkehrssektor steigen die CO2-Emissionen sogar.
Lange haben Politik und Wähler das ignoriert. Doch die Schüler mit ihren Fridays-for-Future-Protesten und die messbare Zunahme an Klimaextremen wie den Hitzerekorden zuletzt in Europa haben vielen klar gemacht: So kann es nicht weitergehen. Selbst die Große Koalition in Berlin reagiert auf den Stimmungswandel. Sie will ab dem Herbst im Klimakabinett mit den verantwortlichen Ministern – von Umwelt über Verkehr bis Finanzen – konkrete Maßnahmen beschließen.
„Bisherige Klimapolitik ist ineffizient“
Und hat dafür den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung um Empfehlungen gebeten. Die fünf Wirtschaftsweisen haben jetzt ihr Gutachten vorlegt – und kritisieren die bisherige deutsche Klimapolitik als „kleinteilig, teuer und ineffizient“, so Christoph M. Schmidt, der Vorsitzende des Gremiums.
Er und seine Kollegen raten der Bundesregierung, international ein Vorbild darin zu werden, „klimapolitische Ziele auf volkswirtschaftlich effiziente Weise und ohne größere gesellschaftliche Verwerfungen zu erreichen“. Wenn Deutschland sich besonders anstrenge, könnte es andere Länder eher dazu bringen, ebenfalls ambitionierte Klimaschutz-Ziele zu verfolgen. Das ist wichtig, um die Wettbewerbsposition Deutschlands als Exportnation nicht zu gefährden.
Die Ökonomen wünschen sich einen umfassenden Emissionshandel ab spätestens 2030 in Europa, der auch Verkehr und Gebäude einschließt. Bisher betrifft er nur Industrieproduktion und Stromerzeugung. Dann würden CO2-Emissionen über alle Sektoren hinweg einen einheitlichen Preis bekommen.
Bürger sollen entlastet werden – durch eine Pauschale oder Wegfall der Stromsteuert
Doch das dauert. Um möglichst schnell den Druck zu erhöhen, den Ausstoß an Treibhausgasen durch Verkehr und Gebäude zu senken, tendieren die Experten zu einer CO2-Steuer. „Es liegt nahe, … bei einem zwischen 25 und 50 Euro [pro Tonne CO2] angesiedelten Wert einzusteigen“, raten sie. Je niedriger der Preis anfangs sei, desto höher müssten allerdings künftige Steuererhöhungen sein, warnen die Wirtschaftsweisen. So oder so müsste die Politik den Steuersatz laufend anpassen.
Um die Bürger aber nicht zusätzlich mit Öko-Abgaben zu belasten – was etwa in Frankreich die Proteste der Gelbwesten angestachelt hat -, soll der Staat die eingenommenen Gelder wieder an die Haushalte zurückzahlen. Entweder über eine Pauschale oder über eine Senkung der Stromsteuer. Bei einer Steuer von etwa 35 Euro pro Tonne CO2 sollte laut Modellrechnung des Rates der Staat jedem Einwohner 140 Euro pro Jahr zurückzahlen. Wer dann besonders kräftig CO2-Emissionen vermeidet, profitiert doppelt: durch eine niedrigere Energierechnung und durch die Prämie. Ein ähnliches Modell praktiziert bereits die Schweiz.
Alternativ könnte die Bundesregierung auch die Stromsteuer sowie die EEG-Umlage komplett streichen und die Mehrwertsteuer für Elektrizität auf 6,4 % senken. Das hätte den zusätzlichen positiven Effekt, dass Strom als Alternative zu fossilen Energieträgern noch günstiger würde. Dann zahlt sich für viele Verbraucher der Umstieg auf ein Elektroauto oder der Einbau einer Wärmepumpe noch schneller aus.
Die Wirtschaftsweisen gaben keine klare Empfehlung für eines der beiden Entlastungs-Modelle. Jetzt ist es an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die das Gutachten des Gremiums entgegen nahm, -wie im Fußball – die Vorlage zu verwandeln.