Die Natur macht es vor und der Mensch schaut es sich ab – durch die Bionik ist unsere Welt schon um einige Erfindungen reicher geworden. Flugzeuge, Fallschirme und Klettverschlüsse haben ihre direkten Vorbilder in der Natur.
Deutsche Forscher möchten nun ein weiteres Naturphänomen für die Technik nutzen. Sie wollen die Eigenschaft von Schwimmfarnen, die unter Wasser eine permanente Luftschicht halten können, künstlich an Schiffen nachbilden. So könnte der Treibstoffverbrauch unkompliziert gesenkt werden.
Der Trick des Schwimmfarns ist seine Oberflächenstruktur: Viele kleine Härchen sitzen außen an den Blättern. Die Härchen selbst sind extrem wasserabweisend, aber ihre Spitzen ziehen das Wasser an. So entstehen kleine Wasserzellen um die Luft herum. „Man kann sich das vorstellen wie kleine Luftzelte unter Wasser“, sagt Professor Thomas Schimmel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Die Pflanze kann so unter Wasser weiteratmen und mehrere Tage überleben, wenn sie unter Wasser gedrückt wird. Zusammen mit dem Botaniker Professor Wilhelm Barthlott aus Bonn hat Schimmel den sogenannten Salvinia-Effekt erforscht und das Potential für die technische Anwendung in der Schifffahrt erkannt.
Denn: Eine selbstklebende Folie am Rumpf des Schiffes, die den Salvinia-Effekt nachahmt, könnte viele Vorteile haben. Weniger Schiffslärm beispielsweise. Oder weniger Organismen am Schiffsrumpf, die bislang mit giftigen Beschichtungen ferngehalten werden. Der wichtigste wäre aber: Die Reibung des Schiffes am Wasser könnte durch die Luftschicht extrem verringert werden. Weniger Reibung bedeutet weniger Kraftstoffeinsatz. Und das wiederum weniger Emissionen.
„Enormes Potenzial“
„Das ökonomische und ökologische Einsparpotenzial ist enorm“, sagt Schimmel. Dieses Potential soll nun im Rahmen des Forschungsprojektes AIRCOAT in den kommenden drei Jahren genau untersucht werden. Die Europäische Kommission fördert das Projekt mit insgesamt 5,3 Millionen Euro. Neben dem KIT ist auch das CML (Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen) maßgeblich an dem Projekt beteiligt. Projektkoordinator Johannes Oeffner vom CML schätzt, dass die Folie den Kraftstoffverbrauch und die Abgasemissionen um 25 Prozent verringern kann. Das wäre ein wahnsinniger Sprung.
Dass Luft dabei helfen kann die Reibung von Schiffen zu verkleinern, ist allerdings keine neue Idee. Vor einigen Jahren hat Mitsubishi die Technologie MALS patentieren lassen. Aus dem Schiffsrumpf treten hierbei Luftblasen aus und das Schiff fährt auf einer Art Luftteppich. AIRCOAT funktioniert aber anders: Es müssen keine Luftblasen mehr erzeugt werden, sondern die Lufthülle soll permanent am Schiff haften.
Bis die Technologie aber bei echten Schiffen ankommt, dauere es aber noch: „Den Weg von der Pflanze ins Labor haben wir schon geschafft, jetzt kommt der Weg vom Labor aufs Schiff“, sagt Schimmel.
Im Labor funktioniert der künstliche Salvinia-Effekt schon ganz gut. In Schimmels Labor liegen seit fünf Jahren drei Prototypen aus Kunststoff unter Wasser. Eines liegt in einem Marmeladenglas, eines im Aquarium und ein drittes in einem weiteren Glasbehälter. An den Stellen, an denen die Wissenschaftler die Oberfläche so präpariert haben, dass sie die Zeltstruktur der Schwimmfarne hat, sind die Proben bis heute trocken.
„Wenn man seitlich auf die Proben im Wasser schaut, sieht es aus, als wäre ein Schicht Quecksilber auf der Oberfläche, aber das ist einfach nur die Luftschicht“, beschreibt Schimmel seine mittlerweile patentierte Technik.
Mit dem AIRCOAT Projekt untersucht Schimmel nun zusammen mit Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Bereichen, ob sich die Technologie auch im großen Maßstab umsetzen lässt. Zuerst im Labor, dann auf Forschungs- und Containerschiffen. Schiffe transportieren laut der IMO (internationale Seeschifffahrts-Organisation der UN) rund 90 Prozent der globalen Handelsgüter.
Die von der IMO geschätzten CO2-Emissionen der weltweiten Schifffahrt sind dafür mit drei Prozent zwar vergleichsweise gering, der Anteil der Schwefel- und Stickoxide fällt mit knapp 15 Prozent aber wesentlich mehr ins Gewicht.