In der Textil- und Modebranche geht der Trend zu Kabeln in der Kleidung. Smarte Textilien könnten das Leben zu Hause und auf der Arbeit revolutionieren – doch der Durchbruch im Alltag steht noch aus, sagt Michael Haupt, Leiter für E-Textiles an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf. Im Interview mit EDISON erklärt er, an welchen Herausforderungen die Entwickler noch arbeiten müssen.

Herr Haupt, was macht smarte Textilien aus?
Darunter verstehe ich Textilien mit innovativem Zusatznutzen, der auf neuen, intelligenten Funktionen des Basismaterials beruht – zum Beispiel durch eine Verbindung zum Internet, vor allem aber durch ihre elektrische Leitfähigkeit. Die Kleidung selbst wird zum Sensor.

Wer kann so etwas gebrauchen?
Bei Arbeitskleidung im Beruf hat das smarte Element definitiv einen Nutzwert. Für Feuerwehrmänner zum Beispiel gibt es in der Kleidung integrierte Ortungsmöglichkeiten. So kann der Einsatzleiter sein Team jederzeit ausfindig machen. Genauso sinnvoll sind smarte Zusatzfunktionen im Sport. Etwa bei Anzügen, die die Muskelaktivität aufzeichnen können, weil sie direkt auf der Haut aufliegen. In der Mode erweitern smarte Innovationen das herkömmliche Angebot vor allem durch ausgefallene Gadgets. Sie sind nicht zwingend nützlich, heben den Besitzer aber von der Masse ab. Es gibt auch Ideen für ganz normale Alltagssituationen – zum Beispiel eine Jacke für Fahrradfahrer, die beim Abbiegen selbstständig ein Blinkersignal setzt. Oder ein Strampelanzug für Babys, der Atmung, Schlafposition und Herzschlag überwacht.

Wer treibt diese Entwicklung voran?
Das sind vor allem Start-ups, kleine Unternehmen und Mittelständler. Im vergangenen Jahr haben wir mit rund 500 aus dem Bereich zusammengearbeitet. Die großen Konzerne brauchen länger für die neuen Entwicklungen. Insgesamt kommen unsere Auftraggeber vor allem aus der Textilverarbeitung, weniger der Modebranche.

Ist smarte Kleidung alltagstauglich? Kann man sie normal waschen? Und spürt man beim Tragen einen Unterschied?
Das ist eine der größten Herausforderungen für Entwickler. Wie wasche ich Stoff, in den zahlreiche Kabel eingewebt und Elektronik integriert sind? Auch daran forschen wir aktuell. Unser Ziel ist, dass die Kleidung mindestens 30 Vollwaschgänge durchsteht. Dazu kommt der Tragekomfort. Was nutzt die ganze Funktionalität, wenn es überall nur zwickt und zwackt? Wobei die Mode in der Hinsicht öfter Kompromisse eingeht.

Abgesehen von der Bequemlichkeit: Muss man Angst vor einem Stromschlag haben, wenn es regnet oder man schwitzt?
Das eher nicht. Aber kombiniert man Textil mit Elektronik, spielt der Sicherheitsaspekt eine große Rolle – schließlich liegt die Kleidung direkt am Körper an. Hier muss die Forschung eine Lösung finden.

Was ist sonst zu beachten?
Wichtig sind Richtlinien für den Datenschutz, zum Beispiel wenn sich der Pulli über die Internetverbindung Informationen aus sozialen Netzwerken zieht oder dort persönliche Daten freigibt. Genauso herausfordernd ist, wie smarte Textilien recycelt werden. Durch Batterien und Verbindungskabel in der Kleidung sollte der Besitzer sie nicht einfach wegwerfen. Die ganzen Prozesse rund um das Textil, in dem Elektronik integriert ist, verändern sich: Textil- und Elektrotechnikingenieure müssen sich darauf einstellen, stärker zusammenzuarbeiten. Bei Produktionsprozessen ist größeres Know-how gefragt. Außerdem fehlen bisher die Standards – smarte Textilien werden meist noch nicht im großen Stil gefertigt. Das liegt meistens noch an den fehlenden Herstellungsverfahren.

Heißt das, die Modebranche tut sich noch schwer mit smarten Produkten?
Auch in der Mode würde ich die smarte Entwicklung ganz eindeutig als langfristigen Trend bezeichnen. Zwar kommen die meisten Innovationen aus dem Arbeitsschutz- oder Gesundheitsbereich. Ich denke aber, dass diese Ideen die Modewelt zunehmend beeinflussen. Sie kann von der fortgeschrittenen Forschung in dem Bereich profitieren.

Welche Entwicklung wird für Sie als Forscher in der nächsten Zeit spannend?
Wir beschäftigen uns gerade viel damit, wie smarte Textilien die Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen verbessern können. Dazu entwickeln wir Stoffe für beide Seiten: etwa Sensorhandschuhe für Menschen, um bestimmte Reaktionen aufzuzeichnen oder auszulösen, und Textilien für Roboter, damit sie ihre Umgebung besser wahrnehmen. So lassen sich smarte Textilien auch in der Industrie oder Logistik einsetzen.

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