Harald Praml will es ganz genau wissen: Der Mittelständler aus der Nähe von Passau hat einen 1500 Quadratmeter großen Testpark mit nicht weniger als 33 Ladepunkten zum Energietanken für Elektroautos eingerichtet – von der Wallbox für die heimische Garage bis hin zur Ultra-Schnellladesäule für den gewerblichen Einsatz (siehe Bild oben).
Der Chef der auf Energie- und Gebäudetechnik spezialisierten Praml-Group will so „eine Menge Praxiserfahrung mit den unterschiedlichen Modellen sammeln“. Die Geräte steckten „zum Teil noch in den Kinderschuhen“, klagt der Unternehmer. Schließlich will er richtig einschätzen können, welche Säulen er seinen Kunden empfiehlt. Zur Einweihung des bundesweit wohl einmaligen Testgeländes ließ sich sogar Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer blicken, dessen Wahlkreis praktischerweise in Passau liegt.
Genauso unübersichtlich wie die Ladetechnik sind derzeit die Tarife, die E-Autofahrer an den – hoffentlich funktionierenden – Säulen zahlen müssen. Martin Ammon, Leiter des Energiebereichs beim Bonner Beratungs- und Analysehaus EuPD Research, und seine Kollegin Natalja Semerow haben daher den Markt analysiert und die derzeit attraktivsten Angebote ermittelt. (Die vollständige Studie können Interessierte hier beziehen.)
Das kostenlose Laden verschwindet
Wie dicht das Dickicht an Tarifen fürs mobile Laden mittlerweile geworden ist, zeigt eine kleine Statistik: Haben die EuPD-Experten im vergangenen Jahr 92 Tarife erfasst, sind es in diesem Jahr 123, also ein Drittel mehr. Und auch die Zahl der Anbieter stieg von 72 auf 88, weil neue Wettbewerber wie etwa die Deutsche Telekom in den Markt eingestiegen sind.
Immerhin belebt Konkurrenz das Geschäft. „Das Preisniveau ist gegenüber 2018 etwas gesunken“, beobachtet Ammon. Klar ist aber auch: „Die Zeit der kostenlosen Ladetarife endet definitiv“. Manche Stadtwerke wie die in Osnabrück, Duisburg und Aachen haben sie noch im Programm, beschränken sie aber auf ihre Bestandskunden, die bereits Strom von diesen Versorgern beziehen. Angesichts der schnell wachsenden Zahl von Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos fürchten die Ladesäulenbetreiber wohl rasch steigende Kosten.
Was gut für die Zoe ist, passt dem Golf nicht
Für die Kunden sind die Tarife oft nur noch schwer vergleichbar, weil einige Anbieter nach Verbrauch, andere nach Zeit oder einfach nach Ladevorgang abrechnen. Und manche kombinieren auch noch munter die verschiedenen Optionen. Zudem kann derselbe Tarif für die Fahrer unterschiedlicher E-Autos mal höchst attraktiv oder völlig unbrauchbar sein. So sind die Besitzer einer Renault Zoe auf das Laden mit Wechselstrom angewiesen. Andere, die einen E-Golf fahren, können sowohl Wechsel- wie auch Gleichstrom nutzen. Und bei Modellen mit sehr großem Akku – der Trend bei den Herstellern geht in diese Richtung – wie beim Tesla Model S ist Wechselstrom unterwegs immer weniger attraktiv, weil es schlicht sehr lange dauert, bis der Akku wieder voll ist.
Ammon und Semerow haben daher analysiert, wie gut sich die angebotenen Tarife jeweils für die drei genannten Modelle eignen. Siehe da: Die Ergebnisse unterscheiden sich deutlich (siehe Tabellen oben). Zu einer Zoe passt bei einer jährlichen Fahrleistung von 14.000 Kilometern etwa das Angebot von Enercity gut, dem städtischen Versorger aus Hannover. Er bietet zwar mit rund 240 Euro pro Jahr nicht den günstigsten Tarif, aber eine gute Kombination aus Kosten, bundesweiter Verfügbarkeit, Vertragslaufzeit und Service. Beim E-Golf landet derselbe Anbieter mit Jahreskosten von knapp 580 Euro pro Jahr auf Platz 10. Dagegen schafft es in diesem Fall die Envia aus Chemnitz auf Platz 1. Beim Model S liegt wiederum Innogy mit fast 490 Euro ganz vorn.
Große Batterie, niedrigere Kosten
Es mag verblüffen, dass der Tesla trotz seines höheren Normverbrauchs von 22 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Kilometer auf niedrigere Kosten als der VW mit einem Stromkonsum von 15,8 kWh / 100 km kommt. Da aber viele Anbieter die Ladezeit bei der Abrechnung berücksichtigen, ist das Model S im Vorteil, weil es schneller als der Golf laden kann. Außerdem muss der Tesla bei gleicher Fahrleistung seltener an die Ladesäule, weil sein Akku größer ist als der des Volkswagen. Pauschale Gebühren pro Ladevorgang fallen beim Model S naturgemäß seltener an.
Die EuPD-Experten sind davon ausgegangen, dass die Besitzer des E-Golfs bei 20 Prozent, die des Model S bei 80 Prozent der Ladestopps Gleichstrom nutzen. Das erscheint beim Golf angesichts des viel höheren Tempos an diesen Säulen als konservativ, ist aber ihrer noch immer geringen Verbreitung geschuldet. Die Bundesnetzagentur hat derzeit etwas 16.137 Ladepunkte registriert, davon sind 1597 schnellladefähig – weniger als zehn Prozent (Stand 8. 3. 2019).
Natürlich hängt der ideale Tarif für den einzelnen E-Autofahrer noch vielen weiteren Faktoren ab, die sich in keiner Studie berücksichtigen lassen. Kann er kostenlos beim Arbeitgeber laden? Liefert Zuhause womöglich eine Solaranlage Strom fürs Fahrzeug? All das verändert die Kalkulation.
EuPD-Mann Ammon rät jedenfalls, nicht nur auf den Preis zu achten. Wichtig ist auch, ob der Tarif bundesweit gilt und wie viele Ladesäulen er einschließt. Und ob der Kunde auf eine Ladekarte angewiesen ist oder ob er auch per App das Stromzapfen starten kann.
Ganz ohne Studium der Tarifbedingungen, etwas Ausprobieren und testen geht es also nicht. Ganz so wie im bayrischen Ladepark von Firma Praml.