Salz als Wärmespeicher bietet enormes Potenzial. Denn die kleinen Körner haben große Vorteile: Sie sind weltweit verfügbar, kostengünstig und können bis zu zehnmal mehr Energie aufnehmen als Wasser. Als Speicher wären sie also eigentlich gut geeignet, gäbe es nicht ein Problem: Wird dem Salz Wasser mehrfach entzogen, verklumpt es und kann somit nur einige wenige Male verwendet werden.

Für diese Achillesferse hat das schwedische Unternehmen Salt X eine Idee, die es „EnerStore“ nennt und sich patentieren ließ. Der Gedanke: Man umhüllt jedes Salzkörnchen mit einer Nanoschicht. Die erlaubt, dass Wasserdampf in das Salzkorn eindringt, verhindert aber, dass sich die Struktur der Salzkristalle auflöst. Flüssigkeit wird wie in einem Schwamm aufgesogen. Das Salzkorn bleibt ein Salzkorn. Es verklumpt nicht und kann damit nahezu unbegrenzt oft verwendet werden.

Getestet wird das Nanosalz im Berliner Heizkraftwerk Reuter C, mit dem Vattenfall große Teile Berlins mit Wärme versorgt und gleichzeitig auch der größte Luftverschmutzer in der Bundeshauptstadt ist. Dessen ist sich der Konzern bewusst. Sie sehen sich als Teil des Problems und investierten eine Milliarde Euro, um dazu beizutragen, die CO2-Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 zu halbieren. Eine Machbarkeitsstudie soll außerdem zeigen, wie Vattenfall in Berlin spätestens 2030 aus der Kohle aussteigen kann. Der Gesamtkonzern will bis 2040 klimaneutral sein.

Ergebnisse der Tests bis Ende des Jahres

Salz als Speicher ist dabei ein Teil des Puzzles, um die Menschen in Zukunft auch ohne Kohle mit Wärme zu versorgen. Noch ist es eine Versuchsanlage von Salt X und Vattenfall, mit der die Laborergebnisse in der Praxis überprüft werden sollen. Es gilt herauszufinden, ob die Technik auch im größeren Stil funktioniert und wie sich ein solcher Speicher wirtschaftlich betreiben lässt. „Wir rechnen damit, dass wir Ende 2019 so weit sind, um daraus Ergebnisse ableiten zu können“, so Projektleiter Hendrik Röglin.

Verwendet wird dabei kein herkömmliches Kochsalz, sondern Calciumoxid. Diesem wird heißer Wasserdampf zugeführt. Dafür nutzt Vattenfall überschüssige Abwärme des Heizkraftwerks. Reicht diese nicht aus, kann auch die Abwärme der Turbine, die durch die Energie der Müllverbrennungsanlage der Berliner Stadtreinigung betrieben wird, genutzt werden, die gleich auf der anderen Seite der Spree steht. In der Nähe eines Windparks könnte auch Überschussstrom genutzt werden, um Wasser aufzuheizen und den Dampf zu verwenden.

Durch den Wasserdampf wird im Salz eine stark exotherme Reaktion ausgelöst und das Calciumoxid wird zu Calciumhydroxid. Dabei entsteht Wärme von bis zu 530 Grad. Das Prinzip ist ganz ähnlich wie bei einem Handwärmer. Die Hitze reicht wiederum aus, um per Wasserdampf eine Turbine anzutreiben oder ins Fernwärmesystem eingespeist zu werden. In der Pilotanlage, die über eine Speicherkapazität von 10 MWh verfügt, wird die Wärme über einen Wärmetauscher in das Berliner-Fernwärmenetz eingespeist. Anschließend wird das feuchte Salz mit einem Elektroheizer wieder getrocknet und der Prozess kann von vorne beginnen.

„Vieles ist denkbar, weil das System eine sehr große Flexibilität bietet“, so der Projektleiter. Der Vorteil des Salzspeichers ist, dass nicht die Wärme, sondern der chemische Prozess gespeichert wird. Solange dieser nicht durch Wasserdampf initiiert wird, kann die Energie unbegrenzt lange und in großen Mengen gespeichert werden. Röglin: „Ein Kubikmeter des Materials verfügt über die Speicherkapazität von zirka zehn Kubikmeter Wasser.“

DLR forscht ebenfalls an Salzspeichern

Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) will Salz als Speichermedium marktfähig und gleichzeitig aus Kohlekraftwerken mit hohen Partikel- und CO2-Emissionen gigantische thermische Akkus machen. Dafür wird gerade an einem Kraftwerksstandort im Rheinischen Revier ein Wärmespeicherkraftwerk als Reallabor errichtet, um einen Flüssigsalz-Wärmespeicher einem umfassenden Praxistest zu unterziehen. Ein Speicherkraftwerk umzubauen statt abzureißen hat den Vorteil, dass die ohnehin vorhandene Kraftwerkstechnik genutzt werden kann und so eine Art zweites Leben der Infrastruktur wie Netzanschlüsse und Turbinen entsteht, was Kosten spart.

Im Gegensatz zum Salt X-Verfahren setzt das DLR eine flüssige Salzmischung ein. Bei der Salzschmelze handelt es sich um eine nicht unter Druck stehende, ungiftige Flüssigkeit, die sich gut pumpen lässt und zudem nicht brennbar ist. „Thermische Speicher bieten das Potenzial, ideale Energiespeicher im Gigawattstunden-Maßstab zu sein“, erläutert André Thess, Direktor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik. „Wir brauchen leistungsstarke Energiespeicher mit hohem Wirkungsgrad, die zugleich ortsunabhängig und kostengünstig sind. Sie sind von existenzieller Bedeutung für ein zukünftiges Energiesystem auf Basis von erneuerbaren Energien.“

Wärmeenergie in Flüssigsalz zu speichern, testen die DLR-Forscher bereits seit 2017 mit der Testanlage TESIS (Test Facility for Thermal Energy Storage in Molten Salt) in Köln, um die Kosten um bis zu 40 Prozent zu reduzieren. Karsten Lemmer, DLR-Vorstand für Energie und Verkehr, ist überzeugt: „In künftigen Strom-Wärme-Strom-Speichern werden Salze eine wichtige Säule sein.“

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