Eine Woche noch – dann beginnt für Deutschlands größten Automobilkonzern nach eigenen Worten „eine neue Ära der Mobilität – 100 Prozent elektrisch und digital intelligent vernetzt“. Was pathetisch klingt, hat einen profanen Grund: Am 8. Mai startet die Registrierung für den ID.3, das erste Kompaktmodell auf der neuen Elektro-Plattform MEB – vier Monate vor der Weltpremiere am 9. September auf der IAA in Frankfurt und (nach Stand heute) etwa zehn Monate vor der Auslieferung der ersten Fahrzeuge an Kunden.

Volkswagen hofft damit den Dieselskandal hinter sich lassen zu können und wieder zum Schrittmacher der deutschen Autoindustrie zu werden. Konzernchef Herbert Diess verwendet deshalb seine ganze Energie und Durchsetzungskraft darauf, um das Projekt zum Erfolg werden zu lassen, gegen alle Widerstände intern wie auch gegen die Kritik von außen an seiner Festlegung auf die batterieelektrische Antriebstechnik. Neun Milliarden Euro sollen bis 2023 in diese Spielart der Elektromobilität investiert werden, in acht komplett neue Stromer für unterschiedlichste Einsatzzwecke. Die Erwartungen sind hochgesteckt: Wenigstens 15 Millionen Fahrzeuge der ID-Familie, heißt es in Wolfsburg, sollen in der ersten Generation weltweit abgesetzt werden.

Vorausgesetzt, der Funke springt über und die Kunden akzeptieren die automobile Zukunft, so wie sie Volkswagen gerade neu definiert. Ansonsten: Gute Nacht Wolfsburg!

In der Konzernzentrale am Mittellandkanal ist deshalb die Nervosität in diesen Tagen deutlich zu spüren. Nicht nur wegen der Gespräche über das Sparprogramm und die geplanten Stellenstreichungen, sondern auch wegen der Quartalszahlen, die am Donnerstag den Aktionären mitgeteilt werden und die, wie man hört, hinter den Erwartungen der Börse zurückbleiben dürften. Die Dynamik des chinesischen Marktes hat nachgelassen, noch immer sind einige Modelle wegen der neuen hochkomplexen Zulassungsbestimmungen und Verbrauchsmessungen nicht überall und in allen Varianten verfügbar. „Der Dampf im Kessel könnte darüber noch einmal wachsen“, fürchtet ein Insider.

Topversion zum Start

Und dann ist da noch das Datum 8. Mai und der Start der Registrierung für den ID.3 in einer luxuriösen Start-Edition, mit einem 62 Kilowattstunden großen Akku und einem Verkaufspreis um die 36.000 Euro. Das versprochene Basismodell (mit einem Akku von 48 kWh) für etwa 24.000 Euro kommt erst 2021 – bis dahin soll die Produktion kostendeckend sein. Aber jetzt geht es erst einmal um das Grundprinzip E – die Elektrisierung des Verkaufspersonals für das neue Ökosystem. Die Händlerschulungen laufen bereits auf vollen Touren, ein digitaler ID-Hub soll den Verkäufern, aber auch Kaufinteressenten die nötigen Basisinformationen liefern. Denn die Verkäufer werden in der Startphase und speziell in Deutschland noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen – sehr groß sind hierzulande immer noch die Vorbehalte gegen die Antriebstechnik.

Deutsche erwärmen sich für die Elektromobilität…

Dies belegen auch die Ergebnisse einer aktuellen Befragung der Münchner Leasinggesellschaft Adesion, die EDISON exklusiv vorliegt. Marktforscher von Puls hatten in ihrem Auftrag im März deutschlandweit 1360 Menschen – Autofahrer wie Nicht-Fahrzeugbesitzer befragt, um herauszufinden, was die Deutschen über die Elektromobilität denken.

Ergebnis: Die Neugierde ist groß, die Akzeptanz wächst – aber immer noch kann sich nur jeder Dritte vorstellen, seinen Benziner oder Diesel gegen einen Stromer zu tauschen. Unter denjenigen, die kein eigenes Auto besitzen, liegt die Kaufbereitschaft sogar nur bei 26 Prozent. Vor allem die älteren, meist kaufkräftigeren Kunden fremdeln noch immer mit dieser Antriebstechnik.

Die Gründe für die Ablehnung dürften die Vertriebsstrategen in Wolfsburg aufhorchen lassen: Als größtes Hemmnis für den Durchbruch der Elektromobilität werden die hohen Anschaffungskosten (60 Prozent), die zu geringe Reichweite der E-Autos heutiger Bauart und die Ladeinfrastruktur ins Feld geführt, die nach Ansicht meisten Befragten immer noch unzureichend ist. Allerdings kannten die Befragten das Thema auch nur vom Hörensagen: Besitzer von Elektroautos waren nicht darunter.

…aber es gibt weiter Vorbehalte

Aber noch ein anderes zeigt das Umfrageergebnis: Hartnäckig halten sich zumindest in Deutschland Vorurteile gegen die Elektromobilität, obwohl viele Gegenargumente längst widerlegt sind. Stichwort: Schwedenstudie. Beklagt wird immer noch die umweltschädliche Herstellung der Batterien oder einzelner Komponenten davon sowie der hohe Verbrauch von Rohstoffen dafür . Dass sich Volkswagen verpflichtet hat, den ID.3 frei von Klimaschulden auszuliefern, ist zumindest hier noch nicht angekommen.

Umbruch im Fuhrpark

Immerhin: 48 Prozent der Befragten ist davon überzeugt, dass sich die Elektromobilität „langfristig“ auch in Deutschland etablieren wird – nur 38 Prozent glauben nicht daran. Da sind die gewerblichen Kunden von adesion, der ehemaligen LeaseTrend AG schon weiter, wie Geschäftsführer Gerhard Fischer berichtet: „Der Dieselantrieb dominiert im Fuhrpark zwar weiterhin, ist aber nicht mehr die einzige Option. Viele Unternehmens setzen inzwischen auf einen intelligenten Antriebsmix, der auf unterschiedlichen Fahrt- und Streckenprofilen basiert. Wachsendes ökologisches Bewusstsein und nicht zuletzt die 0,5 Regelung für die Bemessung des geldwerten Vorteils einer privaten Nutzung von elektrogetriebenen Firmenwagen zeigen Wirkung.“

Vielleicht sollte Volkswagen die Werbung für den ID.3 stärker auf Dienstwagen-Fahrer denn auf private Autokäufer abstellen, weniger das Lichtdesign, sondern die geringeren Betriebskosten herausstreichen. Nur so ein Tipp.

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