Gäbe es den Titel Sexiest E-Bike alive – das neue Active Hybrid-Rad von BMW hätte für mich gute Chancen auf den Sieg. Denn das City-Bike mit elektrischer Trittunterstützung ist ein echter Hingucker. Vor allem, wenn es wie unser Test-Rad in mattem „Frozen Black“ lackiert und mit Streifen in „Arctic Silver“ verziert ist. Aber auch technische Verbesserungen trugen dazu bei, dass es als Designerstück aus der Masse hervorsticht: Der Akku ist inzwischen ins Unterrohr integriert, der elektrische Hilfsmotor gegenüber dem Vorgängermodell deutlich geschrumpft, so dass man schon zweimal hinschauen muss, um zu erkennen, dass dieses Fahrrad nicht allein von Muskelkraft angetrieben wird.
Damit wird diese umweltfreundliche Form der Fortbewegung auf zwei Rädern auch für solche Zeitgenossen attraktiv, die immer noch meinen, Pedelecs für die Stadt wären nur etwas für Senioren und Untrainierte, hätten einen tiefen Einstieg, einen klobigen Hilfsmotor am Tretlager und ein dickes Akku-Paket unter dem Gepäckträger. Aus, vorbei – das war gestern.
BMW erarbeitet eigenen E-Bike-Stil
Insofern hat sich Evgueni Maslov schon einmal ein dickes Lob verdient. Der Senior-Designer der BMW-Tochter Designworks hatte schon für sein Erstlingswerk, das Cruise E-Bike, viel Lob erhalten. Den vom Motorradbau entlehnten Knick im Oberrohr, das so genannte „Bullneck“, machte er damals zu einem Markenzeichen der BMW-Fahrräder. Es soll für Energie und Vorwärtsdrang stehen. Beim Active Hybrid ist Maslov noch einen Schritt weiter gegangen. Bei der Formgestaltung legte er Wert darauf, alle technischen Finessen so gut wie möglich zu verbergen und die Bauteile für den elektrischen Antrieb so gut es geht zu integrieren.
So wanderte der Li-Ionen Akku in das Unterrohr des Rads, wo er sich in einer Aussparung beinahe unsichtbar macht. Der Energiespeicher wurde kleiner, aber nicht schwächer: Statt 400 speichert er nun 504 Wattstunden Strom. Gleiches gilt für den Motor am Trittlager. Der alte Bosch-Motor mit 50 Newtonmeter Drehmoment wurde gegen eine Maschine des Autozulieferers Brose ausgetauscht, die satte 90 Newtonmeter auf die Tretkurbel wuchtet. Der Effekt ist in etwa vergleichbar mit dem Umstieg von einem Auto mit einem Vierzylinder auf einen Sechszylinder: Der Antritt verbessert sich vehement, die Beschleunigung ist grandios. Fast jede Steigung verliert darüber ihren Schrecken.
Zudem haben die Ingenieure von BMW und Brose in Gemeinschaftsarbeit die Motorsteuerung kräftig überarbeitet. Folge: Nach dem ersten Tritt in die Pedale schießt das Bike nicht mehr abrupt los, sondern beschleunigt gleichmäßig. Und ist die Spitzengeschwindigkeit von 25 km/h erreicht, wird die Trittunterstützung nicht mehr so abrupt heruntergeregelt, dass der Fahrer das Gefühl an, auf eine Mauer gestoßen zu sein.
Reichweite des Active Hybrid reicht so oder so
Der vollverschalte Brose-Motor ist aber nicht nur klein und stark. Anders als beim immer leicht sirrenden Bosch-Motor des Vorgängers läuft das 250 Watt starke Aggregat dank einer Kraftübertagung per Riemen statt per Zahnrad absolut geräuschlos. Dies erweist sich während des Tests fast noch als größerer Fortschritt als die Zunahme der Reichweite: Ob man mit einer Akkuladung bei mittlerer Trittunterstützung 80 oder 100 Kilometer weit kommt, ist im Alltagsbetrieb nebensächlich und nur am Radfahrer-Stammtisch von Bedeutung. Denn wie beim Auto bestimmt letztlich der Fahrer, wie weit einen die zur Verfügung stehende Energie trägt.
Bei meinen Fahrten durchs Ruhrgebiet habe ich die Energiereserven – des Akkus wohlgemerkt – nie voll ausgenutzt. Ob nun auf den zu kreuzungsfreien Schnellradwegen umfunktionierten alten Zechenbahntrassen oder auf den auch hier lauernden gelegentlichen Steigungen – immer wäre noch genügend Saft für weitere Kilometer vorhanden gewesen.
Wie viel Trittunterstützung er erfährt, entscheidet der Fahrer auch bei diesem Pedelec selbst – per Knopfdruck. Über den Regler am linken Lenkerende lassen sich drei Fahrstufen einstellen – Tour, Sport und Turbo. Tour bietet sich bei Fahrten entlang topfebener Passagen wie dem Ruhrtalradweg an, dann schöpft man auch aus der maximalen Akku-Reichweite. Meistens unterwegs war ich jedoch in der zweiten Stufe, geschuldet dem während der Testdauer regelmäßig von vorn kommenden Herbstwinden.
In der höchsten Stufe „High“ – bei Bosch Motoren heißt sie beziehungsreicher „Turbo“ – legt sich der E-Motor dann am stärksten ins Zeug und trug mich zwar nicht gleich über das Stilfser Joch, aber dafür über die Steilanstiege auf die Höhen des Niederbergischen Landes um Velbert und Wuppertal.
Display zu klein – aber vernetzt
Welche Stufe gerade eingelegt ist, sehe ich gleich oberhalb der Taster auf einem Display. Allerdings ist hier das Bestreben der Designer zur Miniaturisierung zu weit gegangen: Die Anzeigen sind auf dem kleinen Marquardt-Display nur schwer abzulesen und die Tasten sind mit dicken Handschuhen nur schwer zu bedienen. Micro-USB-Schnittstelle und Bluetooth-Funktion ermöglichen es immerhin, das Smartphone anzuschließen um beispielsweise die Batterie zu laden.
Und wo wir gerade schon bei den Schwachpunkten sind: Ich hätte auch noch ein paar Vorschläge, wie sich die Umgebung rund um den neuen Akku verbessern ließe. Ja, er lässt sich zwar relativ leicht aus dem Unterrohr herausnehmen. Allerdings liegt das Schloss zum Entriegeln sehr tief unten am Rahmen. Und im Dunkeln braucht es eine Taschenlampe, um den Schlitz zu finden. Zudem fehlen an der Seite des Akkus auch LED-Leuchten, die während des Ladevorgangs Auskunft über den Füllstand geben. Wird die Batterie im eingebauten Zustand geladen – was über einen separaten Anschluss nahe am Tretlager möglich ist – muss sogar erst das Fahrrad gestartet werden, um dann auf dem Lenkerdisplay den Ladezustand ablesen zu können. Kurz gesagt: Hier wäre mir die Praktikabilität wichtiger als das Design.
Nichts zu meckern gibt es an der Suntour-Federgabel, die in der Stadt und auf Feldwegen brav ihren Dienst tut. Die Scheibenbremsen und die (DeoreXT-) Zehngang-Schaltung von Shimano sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Gute Arbeit leistet auch die serienmäßige Lichtanlage, die sich in Abhängigkeit vom Tageslicht automatisch ein- und ausschaltet. Neu ist auch eine Tageslichtfunktion, mit der sich das Licht auch unabhängig vom Sonnenstand zuschalten lässt – an grauen Novembertagen ist das eine sehr sinnvolle Funktion. Das Rücklicht ist nun nicht mehr wie beim Vorgänger an die Sattelstütze geklemmt, sondern formschön ins Alu-Schutzblech integriert. Saubere Lösung.
Pedelec-Sattel hilft bei Beschleunigung
Neu ist auch der Sattel von Selle Royal, der am Testrad montiert war: Das Modell „eZone“ wurde speziell für Pedelecs entwickelt. Die Besonderheit: Der hintere Teil ist leicht hochgezogen, um dem Gesäß des Fahrers beim Beschleunigen einen besseren Rückhalt zu geben. Eine Griffmulde am hinteren Ende erleichtert zudem das Tragen des Fahrrads über Stufen hinweg. Um es kurz zu machen: Der neue Sitz ist seinen Aufpreis von knapp 90 Euro wert. Speziell an zügigen Bergauf-Passagen und beim Losspurten aus dem Stand entfaltete es seine angenehme Wirkung. Fein austarierte Gel-Polster sorgen dafür, dass auch auf längeren Strecken keine Schmerzen im Gesäß auftreten.
Damit kommen wir zu meinem Fazit: Mit dem neuen Active Hybrid E-Bike hat BMW ein tolles Pedelec für Pendler aufgelegt, mit cool-minimalistischem Design und fortschrittlicher Technik. Den UVP-Preis von 3400 Euro würde ich mit Blick auf die Leistungsdaten und die Qualität der Komponenten als fair bezeichnen, zumal das Rad selbst im unternehmenseigenen Online-Shop bereits günstiger ist. „Freude am Fahren“: Der alte BMW Slogan darf getrost auch auf das neue Active Hybrid Pedelec übertragen werden. Für den Winterbetrieb fehlen eigentlich nur noch ein geheizter Sattel und beheizte Lenkradgriffe. Aber wie zu hören ist, arbeitet BMW schon daran, auch diese Komfortfeatures aus dem Motorradbereich auf die Pedelecs der nächsten Generation zu übertragen. Ich freue mich drauf.