BMW hat kürzlich den BMW i3 mit neuem 120-Amperestunden-Akku vorgestellt. Das Konzept des i3 ist schon fünf Jahre alt – was nach Branchenmaßstäben viel ist. Was erhoffen Sie sich von dem zweiten Batterie-Update?
Wir wollen die Anforderungen unserer Kunden noch besser erfüllen als bisher. Am Ende des Tages verlangen die Kunden immer noch mehr Reichweite. Wir glauben, mit dem 120-Amperestunden-Speicher nochmals einen großen Schritt gemacht zu haben, denn das sind 30 Prozent mehr als bislang.
Wir haben jedes Jahr mehr i3 in den Markt gebracht als zuvor und das wollen wir fortschreiben. Der i3 als solcher wird noch einige Zeit auf dem Markt bleiben. Deshalb ist es wichtig, unsere Produkte frisch zu halten. Aus diesem Grund haben wir mit dem Batterie-Update auch noch weitere Neuheiten wie unter anderem eine neue Außenlackierung oder ein neues Farbschema für den Innenraum gebracht.
Werden solche Batterie-Updates Standard bei Elektroautos? Es ist ein größerer technischer Eingriff als leichte Retuschen zwischen zwei Modelljahren.
Ich glaube, dass es das in der Anfangszeit der Elektromobilität geben wird. Solange der Kundenwunsch nach mehr Reichweite nicht erfüllt ist, werden wir neue Technologie ins Auto bringen, sobald sie für uns verfügbar ist. Als Hersteller müssen wir genau diesen Wünschen nachkommen, bis der Kunde mit dem Zusammenspiel aus Reichweite, Ladezeit und Verfügbarkeit der Infrastruktur zufrieden ist.
Wie weit liegt dieser Punkt entfernt? Sprechen wir da über reale Reichweiten von 400 bis 500 Kilometern? Die Dichte an (Schnell-)Ladesäulen? Welche Rolle spielt künftig die Ladezeit?
Da haben Sie die wichtigsten drei Punkte bereits angesprochen. Die Fahrzeuge müssen eine Reichweite bieten, mit der der Kunde sein normales Verhalten erfüllen kann. Nehmen wir einen Benzinmotor, sind 500 Kilometer Reichweite kein Problem. Das heißt, wir brauchen noch mehr als die 300 Kilometer, die wir jetzt im i3 bieten. Es gibt allerdings auch schon sehr viele Kunden, die mit 300 Kilometern zufrieden sind. Die nächsten Schritte sind schon vorgezeichnet: Der iX3 wird nach WLTP über 400 Kilometer schaffen, mit dem iNext und i4 werden wir die 600-Kilometer-Grenze überschreiten. Wir kommen dann aus unserer Sicht in einen Bereich, der die allermeisten Kundenwünsche erfüllen kann. Dabei reden wir aber nicht über Stadtfahrzeuge wie einen i3, sondern andere Fahrzeugkonzepte für die Langstrecke.
Und die Infrastruktur?
Eine noch so große Reichweite hilft nicht, wenn ich keine Infrastruktur habe. Mit der Verfügbarkeit der Infrastruktur korreliert auch die Ladezeit: Da müssen sowohl die Autos als auch die Ladesäulen darauf vorbereitet sein. Beim i3 in seinem urbanen Einsatzbereich ist das noch nicht so bedeutend, hier haben wir auch gesehen, dass sehr viele Kunden zuhause über Nacht laden. Will ich aber mit dem Auto von Paris nach Hamburg, benötige ich zwei Ladestopps und will dort möglichst schnell laden. Der iX3 wird mit 150 Kilowatt laden können, wir werden bei dem iNext aber auch deutlich größere Zahlen sehen. Auf der Infrastrukturseite sind wir an Ionity beteiligt, um ein Ladenetz mit mindestens 300 Kilowatt Ladeleistung aufzubauen.
Welche Reichweite benötigen wir dann noch?
In dem Zusammenspiel der drei Themen wird sich eine Reichweite einpendeln, die vernünftig ist. Ich will mich da auf keine Zahl festlegen. Es kann aber auch sein, dass die Reichweiten eines Tages wieder sinken werden. Wenn die Infrastruktur zuhause und an den Straßen so gut ist, kann ich auch ein Fahrzeug mit 400 Kilometern anbieten. Mit kleineren Batterien wird das Auto leichter, wir verbrauchen weniger Ressourcen und können das Auto auch zu einem anderen Preis anbieten.
Der Entwicklungsdienstleister Lion Smart hat einen i3 mit einem 100-Kilowattstunden-Akku und 700 Kilometern Reichweite gezeigt. Warum kommt so ein Auto nicht von BMW?
Für ein solches Einzelfahrzeug kann ich den Unterboden mit Rundzellen füllen, gehe über das gesunde Nutzungsspektrum der Batterie hinweg und schon habe ich ein Showcar mit beeindruckenden Eckdaten. Das hat aber nichts mit einer Serienfertigung zu tun, wir halten da unser Konzept weiterhin für das bessere.
Das bedeutet weiter prismatische Zellen anstelle von Rundzellen, wie sie Lion Smart und Tesla verwenden?
Prismatische Zellen bieten das Optimum aus Produktionskosten, Energieinhalt, Langlebigkeit, Kühlkonzept und Beladbarkeit. Wir kennen unsere Kundenprofile und wissen, welche Fahrzeuge wie reagieren. Wir wissen auch, dass Tesla bei seinen Rundzellen bleibt und mit dem Model 3 das Format der Zellen leicht verändert hat. Am Ende des Tages sehen wir dort nicht den entscheidenden Unterschied, es wird auf absehbare Zeit also keinen Strategieschwenk geben.
Bleiben die Batterien – egal in welchem Zellformat – der entscheidende Faktor bei der Reichweite? Oder steckt noch Potenzial in den Elektromotoren und der Leistungselektronik?
Wir haben drei Kernkomponenten. Die größte und teuerste ist die Batterie, deshalb sprechen alle davon. Der Antrieb ist auch extrem wichtig, was Leistungsdichte und Effizienz angeht. Jedes halbe Prozent Wirkungsgrad, das wir im Motor finden, müssen wir nicht im Akku durch die Gegend fahren. Das gilt mit Größe und Effizienz auch für die Leistungselektronik, ergänzt um die Ladegeschwindigkeit. Auch dort können wir enorme Prozente an Wirkungsgrad gewinnen.
Warum geht BMW den Sonderweg und unterscheidet seine Batterien nach Amperestunden? Diese Größe ist für Kunden keine geeignete Kennziffer, um den Akku eines i3 mit einem Konkurrenzprodukt zu vergleichen. Hier zählen Kilowattstunden.
Die einzig relevante Größe ist die Reichweite. Das interessiert den Kunden, andere technische Daten sind nachrangig. Wir haben diese Amperestunden-Bezeichnung mit dem i3 begonnen und setzen sie bis heute fort. Für den Kunden ist die Amperestunde als Kennziffer für den Ladungsgehalt einer Zelle in der Tat nicht direkt übersetzbar, was das für den gesamten Energiegehalt des Akkus bedeutet. Wenn wir es im Verhältnis zum Vorgänger sehen, hilft es als Vergleich sehr wohl – von 60 Amperestunden im Jahr 2013 über 94 Amperestunden 2016 auf heute 120 Amperestunden. Am Ende ist die Reichweite von 285 bis 310 Kilometern nach WLTP aber wichtiger als die Batteriekapazität von 42,2 Kilowattstunden.
Was haben Sie mit dem i3 und i8 gelernt, was sie in künftigen Modellen von BMW i besser machen wollen?
Im Grunde genommen das ganze Feld der Elektromobilität. Natürlich sind Erfahrungen aus dem i3 und i8 in andere Plug-in-Hybride mit eingeflossen. Viel wichtiger ist aber, was über Antriebs- und Batterietechnologie hinausgeht, denn wir haben das Thema Nachhaltigkeit verstärkt in die ganze BMW Group gebracht. Dinge wie Wasserverbrauch in der großindustriellen Produktion, Energieverbrauch, saubere Lieferantenprozesse. Oder den Einsatz von Kohlefaser-Materialien über extrem seltene Supersportler hinaus in die Siebener-Baureihe. BMW i hat keinen Selbstzweck, sondern in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle für die gesamte Group.
Was sind die nächsten Schritte?
Wir haben mit dem i3 als urbanes Konzept und dem i8 als Plug-in-Sportwagen den Kunden gezeigt, was möglich ist. Das wurde auch sehr gut angenommen, reicht aber nicht. Die Kunden fragen die Technologie auch in weiteren Modellen nach, wollen einen X5 mit Plug-in-Hybrid oder auch einen Dreier. Deshalb kommt im ersten Schritt der Rollout der Plug-in-Hybride. Der nächste Schritt ist dann der Rollout reiner Elektrofahrzeuge in klassischen BMW-Modellen. Nächstes Jahr kommt der Elektro-Mini, dann der iX3. Mit dem iNext kommt nochmals ein großer Technologiesprung, aber im selben Jahr kommt mit dem i4 auch ein Elektro-Modell, dass als viertüriges Coupé für die Kernwerte von BMW stehen wird. Wir rollen die Elektromobilität in der Breite aus und integrieren sie auch in unseren normalen Produktionsprozess, um flexibel auf sich ändernde Nachfragen reagieren zu können.
Ist es komplexer, einen iX3 auf Basis eines Verbrenner-Volumenmodells zu bauen als einen i3 mit eigener Technologie und eigener Fertigung in Leipzig?
Wir haben von 2021 an unsere beiden großen Baukästen – die Frontantriebsplattform und die mit Heckantrieb – grundsätzlich für alle Antriebsarten ausgelegt, in allen Werken in einer Produktionslinie. Das macht uns aus unserer Sicht in einer sehr unsteten Welt was die Antriebsnachfrage angeht voll handlungsfähig. Natürlich ist das sehr komplex, wenn ein Technologieträger wie der iNext auf derselben Plattform aufbaut wie ein Volumenmodell. Aber es ist auch ein Vorteil, wenn wir Technologien schnell übertragen können.
Für die teuren Akkus gibt es langfristige Lieferverträge. Wird die Verfügbarkeit von Batterien in einer flexiblen Produktion zum Flaschenhals?
Wir haben bereits heute zwei Batterie-Lieferanten. Die Zellen im i3 kommen von Samsung, die im iX3 werden von CATL kommen. Die Entwicklungskompetenz ist inhouse, für die Fertigung schließen wir uns mit den besten Lieferanten zusammen, um unser Anforderungsprofil zu erfüllen. Wie immer bei bedeutenden Komponenten wählen wir eine Lieferantenstrategie, die uns maximale Versorgungssicherheit bietet. Ob das jetzt ein, zwei oder drei Lieferanten sind, darüber dürfen Sie gerne spekulieren. Ich denke, bislang läuft es sehr gut. Während andere Elektroautos sehr lange Lieferfristen haben, bekommen Sie bei uns einen i3 genauso schnell wie einen Fünfer ausgeliefert.
Sie haben eingangs gesagt, dass der i3 schon fünf Jahre alt ist. Ich will das umdrehen: Wir haben schon fünf Jahre Erfahrung mit teils rasanten Produktionssteigerungen. Da haben wir viel für unsere internen Prozesse gelernt, aber auch über die Lieferantenbeziehungen. Da hat sich viel etabliert, auf das wir jetzt aufbauen können.
Was bedeutet ein Batterie-Update für den Kunden? Wird die Wartung komplexer, sinken die Restwerte?
Das ist vergleichbar zu Verbrennungsmotoren. Auch dort haben wir verschiedene Motoren-Updates über die Laufzeit eines Modells. Kommt ein Neuer, sinkt der Wert des Alten ein wenig. Das ist nichts, was wir nicht schon kennen, da werden sich Elektroautos sehr ähnlich verhalten. Auch in der Wartung sehe ich keine Probleme, wenn i3s mit unterschiedlichen Akku-Generationen zum Service kommen. Der Grundaufbau, die Befestigung, die Kühlung, die Verbindungstechnologie und die Module sind gleich. Es hat sich nur die Chemie in der Zelle geändert. Da müssen wir dann unterschiedliche Teile auf Lager haben – aber das ist auch keine andere Ersatzteilhaltung als bei anderen Modellen.
Tesla-Chef Elon Musk hat neulich getwittert: „Pace of innovation is all that matters in the long term.“ Stimmen Sie dem zu?
Das greift mir zu kurz. Geschwindigkeit, also Dinge zuerst zum Kunden zu bringen, ist das eine. Das Zweite ist die Dinge zum Kunden zu bringen, die der Kunde mag. Und der dritte Punkt aus Unternehmenssicht: Innovation kann kein Selbstzweck sein, sie müssen Geld damit verdienen. Ich kann auch ein Auto nur aus Kohlefasern bauen. Oder ein Elektroauto mit 1200 Kilometern Reichweite und 1000 Kilowatt Leistung. Das ist technologisch möglich, bezahlt aber kein Kunde. Die richtigen Innovationen in einem Fahrzeug zu haben, um die Zahlungsbereitschaft beim Kunden auszulösen, damit wir kommende Innovationen aus eigener Kraft stemmen können – da wollen wir sein.