In einem abgelegenen chilenischen Tal gut 520 Kilometer nördlich von Santiago de Chile ging es lange noch altmodisch zu: Die Frauen in Villaseca mühten sich jeden Tag damit ab, Feuerholz zu sammeln, um ihre Familien mit warmem Essen zu versorgen. Gas- oder Stromleitungen waren damals noch nicht verlegt. Doch das Holz liegt weit verstreut auf den Hügeln und Bergen der Umgebung, wird immer weniger und findet sich so immer schwerer. Dementsprechend waren die Frauen oft stundenlang unterwegs.
Wissenschaftler der Universität de Chile hatten eine Idee, um ihnen das Leben zu erleichtern. Ihr Vorschlag: die Sonne nutzen, die hier an 365 Tagen im Jahr vom Himmel brennt. Die Gegend ist so sonnenreich, dass Hoteliers ihren Gästen sogar den Zimmerpreis erlassen, wenn sich Wolken am Himmel zeigen. Diese kostenlose Kraft könnte man sich für das tägliche Kochen zunutze machen, überlegten die Wissenschaftler – und hatten recht.
Seit mittlerweile 19 Jahre betreiben die Schwestern Martita und Benilda Rojas nun mit großem Erfolg ihr Solarrestaurant. Täglich schauen viele Touristen vorbei, die sich am Hähnchenfilet oder am feinen Ziegenfleisch satt essen. Mit in der Küche werkelt auch der Sohn. Ihre Speisen kochen die Rojas mit der Kraft der Sonne in Solaröfen. Diese stellen sie bis heute im Eigenbau her. Was den DIY-Aspekt noch erstaunlicher macht: Die Öfen bestehen nicht aus Metall, sondern sind aus Holz gefertigt. Einen Ofen zu bauen dauert drei Tage.
Ab sechs Uhr morgens laufen die Öfen heiß
Der Tag beginnt für die Familie früh: Morgens gegen sechs Uhr schieben die Frauen ihre randvollen Töpfe in einen der acht Solaröfen. Nach drei bis fünf Stunden sind die Gerichte fertig. „Die Gäste lieben unser Angebot“, sagt Martita Rajo. Sie ist der Kopf der Küche. Sie bereitet drei unterschiedliche Menüs zu. Mit im Preis von umgerechnet elf Euro ist auch ein frischer Papaya- oder Copaosaft. Beide Früchte sind für die Region typisch.
Villaseca ist ein ganz erstaunlicher Ort. Steigt man im Küstenstädtchen La Serena ins Auto, herrschen 20 Grad. Fährt man die etwa 60 Kilometer bis in das für den Traubenschnaps berühmte Valle, so klettert die Temperatur auf bis zu 33 Grad. Es ist staubtrocken – und die Sonne scheint und scheint und scheint. Will man ins Solarrestaurant Donde Martita, so stehen rote Pfefferbäume am Wegesrand und weisen die Richtung. Hinter dem Lokal findet sich ein großes Areal voll mit Weinreben. Die werden später zum chilenischen Nationalgetränk, dem Pisco-Schnaps, verarbeitet.
Solarkochen fordert Geduld
Martita gab für das Wagnis Solarrestaurant ihren festen Arbeitsplatz in einer Pisco-Brennerei auf. Ein großes Risiko in der strukturschwachen Region. Früher gab es im Miniörtchen drei Restaurants. Alle nutzten die Kraft der Sonne, um für Touristen zu kochen. Doch um so ein Lokal am Leben zu erhalten, gehört viel Einsatz dazu, und die anderen haben inzwischen zu gemacht. Martita Rajo sagt: „Ich verstehe nicht, weshalb die Nachbarn nicht am Ball geblieben sind. Es ist so einfach. Heute sind sie nicht gut auf mich zu sprechen. Sie neiden mir meinen Erfolg.“ Verstehen kann das die Chilenin nicht, schließlich hatten alle Einwohner dieselben Tipps von den Wissenschaftlern bekommen.
Plötzlich unterbricht sie das Gespräch und geht zu einem der rot angestrichenen Öfen. Es ist an der Zeit, das frisch gebackene Brot aus dem Herd zu nehmen. Die Mahlzeiten werden durch die Sonnenhitze sehr langsam gegart. Dadurch bekommen Sie einen ganz besonderen Geschmack und verlieren nach der Aussage der Gründerin auch nicht ihren Nährwert: „Wer keine Geduld hat, der lernt sie hier.“
An einen möglichen Ausbau des Restaurants will die Gründerin nicht denken. Sie plagt sich stattdessen damit, dass ihre Schwester die erste Augen-OP hinter sich hat. Der zweite Eingriff steht bald an. Die brutale Sonnenstrahlung der Region fordert ihren Tribut. Aber für langes Sorgenmachen hat sie keine Zeit, denn schon schreitet das erste Touristenpaar des heutigen Tages aufs Areal. Es ist eine junge französisch-spanische Familie, die gar nicht glauben mag, wie man hier kocht: „Das ist wirklich unglaublich!“