Städte haben heute rund um die Welt ähnliche Probleme: Sie wachsen immer weiter, ersticken aber gleichzeitig an ihrem Erfolg. Verstopfte Straßen, verdreckte Luft, kaum mehr Natur – das ist der hässliche Alltag für viele Bewohner. Eine Lösung für das Problem: die vernetzte Smart City. Von ihr versprechen sich viele Menschen Abhilfe für eine ganze Reihe urbaner Alltagsprobleme. Eine smarte Metropole ist nach dieser These umfassend digitalisiert. Das ermöglicht neue Dienstleistungen und andere Lösungen, von denen Bürger, Wirtschaft und damit die gesamte Zivilgesellschaft profitieren sollen. Diese grundsätzliche Idee immerhin setzt sich in immer mehr Kommunalverwaltungen durch. Wie stark Städte rund um den Globus das Vorhaben aber tatsächlich umsetzen, hat eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger untersucht. Das Ergebnis: Geredet wird viel, sinnvoll gehandelt eher wenig.
Zwar haben sich bis heute 153 Kommunen einer Smart-City-Strategie verordnet. Das sind fast doppelt so viele wie noch 2017, als Roland Berger die Studie zum ersten Mal in Angriff genommen hat. Allerdings könne man von einer ernsthaften Umsetzung des Projektes Smart City in lediglich acht Kommunen auf der ganzen Welt sprechen, heißt es. Nur dort fänden sich neben schönen Worten auch eine sinnvolle Strategie und deren spürbare Umsetzung. Das beste Konzept setzt laut Roland Berger übrigens Wien um. Auf dem zweiten Platz des Index folgt London. Als einzige deutsche Stadt schaffte es Berlin immerhin in das obere Drittel der untersuchten Metropolen. Größe ist der Studie zufolge kein Kriterium für Erfolg. Die drittplatzierte Smart City St. Albert in Kanada zählt gerade einmal 65.000 Einwohner. Das hindert sie nicht daran, mit Erfolg smart zu werden.
Wien punktet mit WLAN und vernetzten Ampeln
„Die österreichische Hauptstadt überzeugt mit ihrer ganzheitlichen Rahmenstrategie und innovativen Lösungen“, lobt Thilo Zelt, Partner bei Roland Berger. In der Donaustadt seien bereits zahlreiche Projekte angestoßen worden. Sie stammen aus den Bereichen Mobilität, Bildung, Umwelt, Gesundheit und Verwaltung. Als Beispiele hebt die Studie den flächendeckenden Ausbau von WLAN-Zugängen im Stadtgebiet oder den Test von vernetzten Verkehrsampeln hervor. Auch die Stadtverwaltung sei in weiten Teilen für die Bürger bereits digital erreichbar.
Viele urbane Probleme ließen sich zwar mit digitalen Technologien lösen – allerdings nicht, wenn ein durchdachtes Konzept fehle. Zu einem überzeugenden Konzept für E-Mobilität gehöre beispielsweise unbedingt ein vernetztes Verkehrsmanagement und intelligente Stromsysteme. Eine Stadt müsse sich deshalb ein ganzheitliches Konzept verordnen, sagen die Roland-Berger-Forscher. Doch offenbar hakt es genau daran bei noch immer 90 Prozent der Städte, die erklärtermaßen gerne smart wären.
Positive Gegenbeispiele finden sich rund um den Globus, besonders häufig aber in Asien. Singapur etwa heben die Berater wegen seiner autonomen Shuttles und der Angebote zur Telemedizin hervor. London als weltweite Nummer zwei konzentriere sich derzeit stark auf die smarte Infrastruktur wie vernetzte Straßenlampen und Bänke. Diese enthalten WLAN-Sender, Sensoren für die Luftqualität und Ladegeräte für E-Fahrzeuge.
Oft sind Verwaltungen noch überfordert
Alle Pläne und Aktionen nützen der Studie zufolge aber wenig, wenn ihr Fortschritt nicht kontinuierlich beobachtet werde. Das sei zwar in den meisten untersuchten Städten üblich. Wien und London seien aber auch hier noch einen Schritt weiter. Die Wiener evaluieren nicht nur viele Einzelprojekte. Sie stellen diese auch in Relation zu langfristigen Zielen, etwa der Reduzierung von Emissionen. In London können die Bewohner online den Fortschritt einzelner Vorhaben in Echtzeit verfolgen. Mit einem derartigen Maß an Transparenz würden nicht nur die Erfolge von Smart-City-Projekten sichtbar. Sie machten zugleich auch deutlich, wo die Kommunen noch nachbessern müssten.
Aber woran scheitert es, wenn zwar schöne Pläne erstellt, diese aber nie umgesetzt werden? Ein Grund seien überforderte Stadtverwaltungen, sagen die Autoren. „Die Vorbereitungen kosten viel Zeit und sind oft kompliziert. Viele Beamte haben weder Zeit noch Expertise dafür“, heißt es. Die fortschrittlichsten Kommunen hätten daher einen eigenen Chief Digital Officer oder eine ganze Agentur wie in Wien installiert. Hier werden Projekte gebündelt und die Strategie umgesetzt.
Am schwersten zu überwinden ist nach den Roland-Berger-Erfahrungen der Beharrungsgeist. Smart-City-Ansätze gehen oft mit vollkommen neuen Ideen einher, deren Nutzen sich Einwohnern und Politikern zunächst nur schwer erschließt. Sie sehen nur die kurzfristigen Proteste, wenn Innovationen vermittelt werden sollen. Wien scheint auch hier alles richtigzumachen, denn die Stadt habe bereits frühzeitig ihre Bürger in die Pläne und Umsetzungen mit einbezogen.