Porsche Taycan? Wir erinnern uns. Genau, die erste Studie dazu gab es bereits 2015 auf der Frankfurter IAA, das wilde Ding, ganz in Weiß, hieß damals noch futuristisch Mission E und weckte bei der betuchten Klientel völlig neue Begehrlichkeiten. Damals war im VW-Konzern die Welt noch in Ordnung, wenige Wochen später begann das Diesel-Desaster. Das Auto jedenfalls wurde bestaunt wie ein UFO, obwohl der amerikanische Elektro-Pionier Tesla da schon länger die Oberklasse-Limousine Model S und ganz frisch das E-SUV Model X im Serienprogramm hatte.
Was Tesla kann, das können wir schon lange, verkündeten damals die Obertechniker unserer tollsten heimischen Sportwagenmarke. Zumindest bald. Tatsächlich hat es fast fünf Jahre gedauert, bis der elektrische Überflieger, der inzwischen auf den Namen Taycan hört, so richtig startklar war. Zwischendurch haben sie für ihn in Zuffenhausen eine komplett neue Produktion hochgezogen. Kostenpunkt: fast eine Milliarde Euro.
Die ist hoch flexibel, denn die internationale Nachfrage ist groß. »Wir haben rund 30.000 Vorbestellungen von Kunden, welche die 2500 Euro angezahlt haben. Und wir schätzen, dass es insgesamt rund 50.000 bis 60.000 Interessenten gibt«, erklärt Produktionsvorstand Albrecht Reimold am Rande der Weltpremiere. Aktuelles Produktionsziel seien 20.000 Exemplare pro Jahr, welche die Arbeiter im Zwei-Schicht-System fertigten. »Wir müssen erst einmal eine sichere Anlaufkurve haben«, bremst Reimold, schließlich seien rund 80 Lieferanten mit im Boot. Klar, Reserven nach oben gäbe es da natürlich. Nächster Schritt ist die dritte Schicht, wetten wir schon mal.
Bänder gibt es in der Taycan-Produktion übrigens nicht mehr, die Autos montieren die Beschäftigten auf autonom fahrenden Transportwagen. Ach ja, die gesamte Produktion des Superstromers soll komplett CO2-neutral ablaufen. Und die Rendite? »Da bin ich optimistisch«, meint Reimold. Mehr will er dazu aber noch nicht sagen. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass sich Porsche wegen des Taycans von seiner 15-prozentigen Umsatzrendite verabschieden würde, schiebt er dann noch lächelnd nach.
Premiere neben einem Solarpark – für den Turbo ohne Turbo
Okay, verstanden. So, und jetzt haben sie offizielle Vorstellung des Taycans für die Weltöffentlichkeit zelebriert, simultan in Nordamerika, China und bei uns in Deutschland. Nein, nicht zu Hause im schwäbischen Ländle, sondern im Brandenburg, wo es gerade schwer um die Zukunft nach der Braunkohle geht. Genauer, auf dem Flugplatz Neuhardenberg (Ex-NVA-Militärflughafen), der wie fast alle Regionalplätze um seine Rentabilität kämpft. Mit Geschäftsflügen und schnellen Kleinfrachttransporten, aber auch mit Beschleunigungsrennen für private Speed-Junkees («Race 1000«), inklusive Bierwagen, Kinderbespaßung und so.
Andererseits befindet sich Europas größter Solarpark (350 ha) auf dem Gelände des Flughafens, das wiederum passt natürlich wunderbar zum vollelektrischen Taycan. Okay, nicht ganz, denn bei diesem Sportwagen geht es, wenn wir uns nicht völlig verhört haben, nicht um die Rettung des Planeten, sondern hauptsächlich um Power a la Porsche.
Gestartet wird mit dem beiden Topversionen namens Turbo S und Turbo (weniger leistungsstärkere Varianten folgen etwas später), was natürlich ein bisschen schräg anmutet, weil Porsche hier einfach die Nomenklatur seiner Verbrenner nutzt. Andererseits ist das natürlich eine schöne Orientierungshilfe für die Gewohnheitstiere unter den Liebhabern der Marke.
Fest steht: Die beiden Modellen – 4,94 Meter lang und gerade mal 1,38 Meter hoch – haben keine Turbos, aber jeweils einen E-Motor (permanent erregter Synchronmotor) an der Vorder- und an der Hinterachse, demzufolge Allradantrieb. Und auf das an der Hinterachse verbaute Zweigang-Getriebe ist Porsche ganz besonders stolz. Eine Eigenentwicklung nämlich. Der erste Gang sorgt beim Start für eine extreme Beschleunigung, während der lang übersetzte zweite Gang für hohe Effizienz und Leistungsreserven sorgen soll, »speziell bei sehr hohen Geschwindigkeiten«.
Tempo, Tempo – auch auf der Langstrecke
Geschwindigkeit ist unser nächstes Stichwort. Und sind damit bei den entscheidenden Daten für die verwöhnte Porsche-Klientel. Also: In der Topversion Turbo S entwickelt der immerhin rund 2,3 Tonnen schwere Taycan mit seinen beiden E-Maschinen bis zu 560 kW. Macht brutale 761 PS, die den Sprint auf Tempo Hundert in gerade mal 2,8 Sekunden verblasen. Beim Turbo sind es 3,2 Sekunden. Und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei beiden Allradmodellen bei 260 km/h. Typisch Porsche eben.
Nächste, etwas böse Frage. Wie lange man bitteschön mit diesem elektrischen Feger denn Tempo 260 fahren kann? Wir schätzen rund 30 Minuten. »So ungefähr«, bestätigt Heiko Mayer, Projektleiter Antrieb. »Da liegen Sie gar nicht so falsch«. Andererseits, liebe Porsche-Freunde: Wo kann man in Deutschland denn noch eine halbe Stunde lang mit 260 km/h düsen. Die Zeiten sind quasi vorbei, von den gefühlt einer Million Autobahnbaustellen mit Tempo 80 gar nicht zu reden.
Immerhin liegt die Gesamtkapazität der im Taycan zum Einsatz kommenden Performance-Batterie Plus bei 93,4 kWh. Dennoch sind die ehemals angesagten »über 500 Kilometer Reichweite« inzwischen leider Makulatur. Davon bleiben nämlich nach der neuen, realitätsnäheren WLTP-Norm nun nur noch 412 (Turbo S), beziehungsweise 450 Kilometer (Turbo) übrig. Und da muss man, das wissen erprobte E-Fahrer, draußen auf der Piste, wenn der Porsche nicht permanent stromsparend schleichen soll, noch mal locker 80 bis 100 Kilometer abschreiben. Der Stromverbrauch? Porsche verspricht Werte von 26,9 (Turbo S) und 26,0 kWh auf hundert Kilometer. Richtig, nicht für Vollstrom-Etappen.
Die beherrscht der Taycan aber auch. Um das zu beweisen, haben die Porsche-Leute schon Ende Juni mit einem Vorserienfahrzeug auf einem Flugplatz im Badischen den Extremfall exerziert: 26 maximale Beschleunigungen hintereinander aus dem Stand von null auf 200 km/h. »Ging völlig problemlos«, schwören die Techniker des Hauses. Durchschnittlicher Beschleunigungswert: unter zehn Sekunden. Klare Aktion gegen Tesla, denn deren Modelle, das wissen selbst die härtesten Fans der schnell aufgestiegenen US-Marke, sind nicht unbedingt die prädestinierten Dauersprinter.
Auch haben sie mit einem seriennahen Prototyp des Taycan bei einem Test auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Nardò (Italien) exakt 3.425 Kilometer innerhalb von 24 Stunden zurückgelegt. Die Fahrgeschwindigkeit lag so zwischen 195 und 215 km/h, die Außentemperaturen bei bis zu 42 Grad. Angehalten wurde nur für schnelle Ladestopps und Fahrerwechsel. Noch Fragen? Und natürlich musste der Taycan dann noch den für jede Stammtischdiskussion entscheidenden Rundenrekord auf der 20,6 Kilometer langen Nürburgring-Nordschleife holen. Testfahrer Lars Kern raste mit einem Vorserien-Taycan in 7:42 Minuten um den Kurs. Jetzt war auch Baureihenleiter Stefan Weckbach zufrieden. »Der Taycan hat seine abschließenden Performance-Tests bravourös gemeistert,« lobte er überschwänglich. Und für Porsche-Chef Oliver Blume markiert dieses Auto »den Beginn einer neuen Ära.«
Geladen wird dank exklusiver 800-Volt-Technik ebenfalls sehr rasant. In gut fünf Minuten sollen per Gleichstrom (DC) im Schnellladenetz 100 Kilometer drin sein. Die Ladezeit von fünf auf 80 Prozent soll unter Idealbedingungen nur 22,5 Minuten betragen, versprechen die Zuffenhausener. Vorausgesetzt, der Taycan parkt zum Beispiel an einer dieser speziellen Schnelladern der deutschen Porsche-Zentren, die aber noch ziemlich rar gesät sind. An gewöhnlichen Säulen mit 50 kW dauert das Ganze mit etwa 1,5 Stunden deutlich länger als eine deutsche Kaffeepause. Zuhause können Taycan-Fahrer ihr Auto per Wallbox mit bis zu 11 kW Wechselstrom (AC) aufladen. Das zieht sich bis zu neun Stunden, lässt sich ja aber entspannt über Nacht erledigen.
Ein Fahrwerk voller Elektronik
Und sonst so? Natürlich hat die viertürige Sportlimousine gefühlt tausend technische Tricks an Bord. Beispiele? Seine Allrad- und Traktionssysteme arbeiten fünf mal fixer als konventionelle Regelei. Neigt zum Beispiel ein Rad zum Durchdrehen, wird blitzschnell über die E-Maschinen nachgeregelt. Ja, die integrierte 4D-Chassis Control analysiert und synchronisiert alle Fahrwerkssysteme in Echtzeit. Adaptive Luftfederung mit Dreikammer-Technologie inklusive elektronischer Dämpferregelung, elektromechanische Wankstabilisierung inklusive Torque Vectoring Plus. Alles an Bord.
Im Fahrmodus Sport Plus werden speedige Fahrerwünsche besonders heftig umgesetzt. Die Kühlluftklappen sind geöffnet, der Heckspoiler schwenkt per Active Aerodynamics auf minimalen Auftrieb. Das Fahrwerk bleibt in tiefster Stellung, seine Abstimmung ist nun übers zentral vernetzte Steuersystem für maximale Rundstrecken-Performance optimiert. Richtig, siehe Nürburgring-Nordschleife.
Vermutlich fährt dieser aufregende Porsche, dessen Design sich bemerkenswert puristisch zeigt, auf der Rennstrecke locker Kreise um Teslas adäquates Model S. Andererseits hauen wir Normalos und selbst viele Porsche-Freaks meist weniger auf den Putz, gängiges Terrain sind da eher gewöhnliche Landstraßen oder Autobahnen. Genau dort aber könnte es dem Taycan-Piloten dummerweise passieren, dass der Typ im schlichteren Tesla mindestens einmal und dann vielleicht endgültig an ihm vorbeirauscht, weil seine Version »Maximale Reichweite« (422 PS, 250 km/h, ab 86.800 Euro) bis zu 610 Kilometer mit einer Ladung schafft. Auch wenn das in der Realität je nach Fahrstil mindestens 100 Kilometer weniger sind. Aber sogar die »Performance-Version« des Model S (611 PS, 261 km/h, ab 102.700 Euro), die in nur 2,6 Sekunden auf Tempo 100 düst, soll zumindest nach WLTP-Norm noch 590 Kilometer weit kommen.
Aber so ein Tesla fährt sich eben niemals wie ein Porsche, sind die Stuttgarter definitiv überzeugt. Antriebsexperte Mayer: »Die Leute sollen das Auto mal fahren, dann merken Sie schnell den Unterschied. Geradeaus fahren können auch andere Elektromodelle, aber die große Kunst ist eben die Querdynamik!« Eben die Kurvenkünste und so. Man würde sich selbst intern nicht mit Tesla vergleichen, sondern mit den Spitzenmodellen des eigenen Hauses, hören wir dann noch von ihm.
Proportionen wie beim 911er
Vielen Dank, jetzt aber ab in den feinen Innenraum des Taycan. Carbon, Leder, Naturholz, alles wie immer gern zu haben. Erstmals gibt es (für die Veganer) auch eine komplett lederfreie Ausstattungsvariante, hinzu kommt der Einsatz von Recyclingmaterialien. Optisch erinnert uns diese Landschaft an die klassischen Proportionen eines Porsche 911, was auch beabsichtigt ist. Kein Tablet auf Rädern wie bei Tesla, es gibt eine richtige Mittelkonsole, alles ist schön auf den Fahrer ausgerichtet, und die mattschwarzen Displays haben mit 16,8 (zentrales Kombiinstrument mit diversen Modi) und 10,9 Zoll (Zentralbildschirm mit Touch-Funktion) keine übertriebenen Dimensionen. Dazu offeriert sich in der breiten Konsole noch dieses 8,4-Zoll-Touch-Bedienfeld für verschiedene Funktionen von Klima bis Navi, inklusive Handschrifterkennung. Gegen Aufpreis bekommt der Beifahrer zum Herumspielen sogar ein eigenes Display, hat aber niemals Zugriff auf wichtige Funktionen wie zum Beispiel die Fahrwerksmodi. Man weiß ja nie.
Ein klassisches Zündschloss hat dieser Taycan selbstverständlich nicht, aber sein »Power«-Button – vulgo Startknopf – befindet sich immer noch links neben dem Lenkrad. Sie wissen schon, diese spezielle Porsche-Macke. Und das Sport-Chrono-Paket bringt als Extra auch die traditionelle Stoppuhr auf dem Instrumententräger, sie ist das einzige analoge Instrument des Autos. Vielleicht wichtiger für Nerds und gerade verkündet: Exklusiv darf der Taycan den Musik-Streamingdienst von Apple anbieten. Werbefrei über 50 Millionen Titel, geht alles easy per Spracheingabe («Hey Porsche!«), egal ob Lieblingssong, Album oder kuratierte Playlist.
Wie man hier denn sitzt? Vorn, wir haben es probiert, gibt es viel Platz und Bewegungsfreiheit, hinten ist der Einstieg durch die abfallende Dachlinie und die relativ schmalen Türausschnitte etwas ungemütlicher, aber durch die »Fußgaragen« — Aussparungen in der sich im Unterboden flach machenden Batterie (450 Kilo ohne Chrashstruktur) im hinteren Fußraum — ist der Sitzkomfort für normal gewachsene Menschen okay. Und für Porsche-Verhältnisse gibt es auch annehmbar Platz fürs Gepäck: vorn einen kleinen Laderaum mit 81 Litern, hinten den größeren mit 366 Litern.
Die USA beliefert Porsche zuerst, dann Europa
Beide Modelle sind ab sofort bestellbar, die ersten Exemplare sollen dann im März bei den deutschen Porsche-Händlern sein, die Amerikaner werden schon drei Monate eher bedient. Was die Vorbesteller denn für Leute sind, wollen wir wissen. »Jünger als unsere Stammklientel, technisch sehr interessiert, und die meisten kommen aus dem urbanen Bereich,« verrät uns Matthias Kirchgässner, der den Vertrieb des Taycans betreut. In Europa kämen viele Interessenten gerade aus Deutschland und aus elektroaffinen Ländern wie Norwegen und den Niederlanden.
Zum Finanziellen: Der Einstiegspreis für den Taycan Turbo S liegt bei 185.446 Euro, den Turbo gibt es ab 152.136 Euro. Mit einigen feinen Extras (wer kauft schon einen nackten Porsche), ist speziell die S-Version natürlich ruck, zuck über der Grenze von 200.000 Euro.
Noch kurz zum weiteren elektrischen Fahrplan der Zuffenhausener. Zum Ende des nächsten Jahres folgt mit dem Cross Turismo die etwas höhere, kombiähnliche Version des Taican und 2022 der neue, nun vollelektrische SUV Macan, für den Porsche gerade das Werk Leipzig massiv umbaut. Vorstandschef Blume, der Porsche und Elektromobilität als perfekte Kombination sieht, hat ja den Ausblick gegeben: „Bis 2022 investieren wir mehr als sechs Milliarden Euro in die Elektromobilität und bis 2025 könnte bereits jedes zweite Neufahrzeug von Porsche einen Elektroantrieb haben.“