Bei Bechtle fing alles mit dem BMW i3 an. Der IT-Systemdienstleister mit 8300 Mitarbeitern und 3,5 Milliarden Euro Umsatz legte sich 2014 genau drei dieser E-Autos zu. Als Dienstwagen für die Mitarbeiter am Firmengelände in Neckarsulm.
Drei Jahre später wurde die Bechtle Mobility GmbH mit Sitz in Hamburg gegründet, die sich ausschließlich mit dem Thema Fuhrpark beschäftigt und ein intelligentes Lade- und Buchungssystem aufbaute. „Gerade Fahrzeugflotten in Ballungsräumen sind aufgrund ihrer hohen Auslastung auf kurzen Strecken geeignet, auf Elektrobetrieb umzusteigen“, heißt es im Bechtle-Nachhaltigkeitsbericht. Heute sind 90 Mitarbeiter auf Elektro oder Hybrid umgestiegen. Wobei der Hybrid die Nase vorn hat. Die Reichweite für den reinen Stromer reicht meist nicht aus und die Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum lässt noch zu wünschen übrig. Im Vergleich zur gesamten Fahrzeugflotte von 2800 Dienstautos sind die alternativen Antriebe allerdings noch in der Minderheit.
Ein großes Problem: die Autoindustrie, die nicht liefert. Bereits 280 Autos mit alternativen Antrieben sollten in diesem Jahr im Fuhrpark fahren. Daraus wurde nichts. „Die Wartezeiten für die präferierten Hybridmodelle lagen zuletzt zwischen zwei bis sechs Monate, teils waren die Fahrzeuge vorübergehend gar nicht lieferbar“, sagt Unternehmenssprecher Rainer Kury. Erst im Herbst 2019 erwartet er eine Auswahl an geeigneten Modellen. Bis dahin stockt der Ausbau der klimafreundlicheren Flotte.
Viel mehr Nachfrage als Angebot
Ob im kommenden Jahr die Pläne der Bechtle AG aufgehen, ist fraglich. Ab Januar gelten Steuererleichterungen für E-Dienstwagen, auf die Deutsche Autohersteller nach Aussage von PwC-Analysten nicht vorbereitet sind. Bisher muss ein Arbeitnehmer, der seinen Firmenwagen privat nutzt, monatlich ein Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil versteuern – für Elektro- und Hybridfahrzeuge soll es künftig einen halbierten Satz von 0,5 Prozent geben.
Die Krux: Viele deutsche Hersteller haben ihre Elektro-Strategie auf SUVs ausgerichtet. Die haben die meisten Unternehmen aufgrund ihres hohen C02-Austoßes aber als Dienstwagen ausgeschlossen. „Die bestehenden Fuhrparkvorschriften vieler Unternehmen erlauben den Erwerb der neuen E-SUVs somit momentan nicht, auch nicht als Hybridvarianten. Angebot und Nachfrage passen in Deutschland noch nicht zueinander“, so Felix Kuhnert, Global Automotive Leader bei PwC. Es ist paradox: „Jetzt passiert genau das, was alle immer wollten, aber keiner hat sich darauf vorbereitet.“
Bechtle schafft nicht nur E-Autos an. Das Unternehmen stellt auch die Infrastruktur für ihre E-Mobility-Pläne. Im „Bechtle Parkhaus“ am Hauptsitz in Neckarsulm wurden 50 Ladepunkte installiert, an denen die Dienstwagen und auch die privaten E-Autos der Mitarbeiter geladen werden können. Bisher kostenlos. Die Software ist aber bereits auf eine eichrechtskonforme Abrechnung vorbereitet. Per RFID-Karte können die Säulen freigeschaltet und die Verbrauchsdaten an die Firmenbuchhaltung weitergeleitet werden. Die von Goldbeck, einem Spezialisten für Parkhäuser, entwickelte Software ist so ausgelegt, dass an den Ladepunkten auch die Karte eines Energiedienstleister genutzt werden kann.
Steckdosen im Stahlträger
Statt Ladesäulen aufzustellen, die viel Platz verschwenden, wurden Typ-2-Ladesteckdosen an den Stahlträgern platziert und die Technik in einem zentralen Technikraum verbaut. „Jeweils acht Ladepunkte werden aus einem Schaltschrank versorgt und angesteuert“, erklärt Kury. Es ist ein modularer Aufbau, der einen leichten Ausbau der Ladepunkte ermöglicht. Das spart Raum und erleichtert die Wartung. Ist kein Fahrzeug angeschlossen, ist der Ladepunkt spannungsfrei und damit sicher für die Nutzer. Geladen wird mit einer Leistung von 22 Kilowatt (kW) – soll es schneller gehen, ist das über die von Phoenix Contact entwickelte Ladesteuerung individuell möglich.
Ein wesentlicher Teil des Stroms wird von einer Photovoltaikanlage mit 1900 Modulen mit einer jährlichen Leistung von maximal 525 Kilowatt-Peak (kWp) auf dem Parkhausdach erzeugt und an die Ladesäulen geschickt. Scheint die Sonne nicht, kommt der Strom aus dem Netz. Unter dem Parkhaus befinden sich zudem Geothermiesonden, die die Logistik- und Verwaltungsgebäude der Bechtle AG über Wärmetauscher versorgen. Es ist Teil eines Geothermiefelds, das zu den zehn größten in Baden-Württemberg gehört und das Unternehmen mit 200 Kilowattstunden (kWh) Energie aus dem Erdboden versorgt.
Bonus für alternative Antriebe
Die Mitarbeiter haben die Wahl, ob sie lieber mit einem herkömmlichen Antrieb oder mit Batterie unter der Motorhaube fahren. Um die Akzeptanz zu steigern, wird ihnen der Umstieg mit einem monetären Bonus schmackhaft gemacht. Der Umstieg auf klimafreundliche Autos ist nur ein Teil der Nachhaltigkeitsstrategie, zu der auch gehört, dass Fahrten durch Web- und Videokonferenzen ersetzt werden. Oder die Mitarbeiter steigen auf Dienstfahrräder um.
Zehn Prozent des Gesamtenergieverbrauchs kann Bechtle aus erneuerbaren Energien decken. Das klingt noch wenig. Ist aber ein erster Schritt. So erreichen allein die PV-Anlagen mit einer Nennleistung von über 1.349 kWp einen Energieertrag von rund 1.282.500 kWh pro Jahr, was etwa 676 Tonnen CO2 einspart. Ins öffentliche Stromnetz eingespeist, kann damit rein rechnerisch der Jahresstrombedarf von 321 Vierpersonenhaushalte gedeckt werden. Die Investitionen in regenerative Energiequellen zahlen sich an einigen Standorten für das Unternehmen bereits aus. So reicht in Gaildorf die Energie aus der Erde für die gesamte Heiz- und Kühlleistung aus. Fossile Energieträger sind dort bereits überflüssig.