Mitte Oktober ging die „Hywind Scotland“ getaufte Anlage erstmalig ans Netz. Mit einer Gesamtleistung von 30 Megawatt von fünf Turbinen mit jeweils sechs Megawatt kann sie bei Spitzenleistung angeblich bis zu 20.000 Haushalte mit Strom versorgen.
Gebaut wurde Hywind Scotland vom Unternehmen Statoil. Moment – von Statoil? Dem norwegischen Ölgiganten, der Milliardenverluste schreibt und dessen Öl- und Gasbohrungen immer wieder für Konflikte und Umweltprobleme sorgten?
Nun, ja. Seit einigen Jahren diversifiziert sich das Unternehmen (wie übrigens auch Fossil-Konkurrent Shell), stößt in den Bereich der Offshore-Windenergie vor und hat auch schon vor der Ostküste Englands einen Windpark errichtet. Bei diesen Unternehmungen hat der norwegische Staatskonzern einen entscheidenden Vorteil. Durch die Erfahrungen von Tiefsee-Öl- und –Gas-förderung kennen sie sich bei Statoil aus mit den Herausforderungen und Bedingungen in schwierigen Gewässern.
Und genau diese Erfahrungen haben sie sich 25 Kilometer vor Peterhead an der schottischen Küste zu Nutze gemacht. Dort ist das Meer zwischen 95 und 120 Meter tief. Das ist doppelt so tief wie bei deutschen Offshore-Anlagen, die auch weit vor der Küste, aber lediglich bei Wassertiefen von 20 bis 50 Metern gebaut werden.
Sauganker statt starrer Befestigung
Bei solchen Tiefen ist es extrem kostspielig und hochkompliziert, die Anlagen zu befestigen. Statt sie fest im Meeresboden einzubauen, nutzt Statoil eine Methode aus der Ölförderung. So hängt jedes Windrad an drei auf dem Grund befestigten Saugankern. Das sind quasi riesige leere Fässer, aus denen nach Aufsetzen auf dem Grund die Luft herausgesaugt wird. Dadurch ziehen sich die Anker in das Sediment hinein und halten sich selbst fest.
Nachdem die Anker befestigt sind, werden die eigentlichen Anlagen an ihnen befestigt, 176 Meter über der Wasseroberfläche und 78 Meter darunter. So schwimmen sie anschließend stabil in tiefen Gewässern, die bislang nicht zur Windenergiegewinnung genutzt werden konnten. Die Turbinen selbst sind genau wie ihre Verankerung auf dem neusten Stand der Technik. Sie regulieren die Stellung und Position der 154-Meter-Durchmesser Rotoren selbstständig je nach Windstärke und -richtung, um die Energieerzeugung zu maximieren und gleichzeitig die eigene Stabilität zu garantieren.
Aber warum baut man überhaupt Windkraftanlagen so weit draußen im Meer? Zum Einen hat das physikalische Gründe. Weiter weg von der Küste auf dem offenen Meer sind die Winde in aller Regel stärker und konstanter, also deutlich geeigneter zur kontinuierlichen Stromerzeugung. Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit über der Nordsee beträgt 36 Kilometer pro Stunde, in küstennahen Gebieten erreicht sie gerade Mal zwei Drittel davon.
Zum Anderen sparen sich die Unternehmen bei solchen Projekten Probleme mit Anwohnern und Geschäften in Küstennähe, die sich ihren Meerblick nicht verbauen lassen wollen. Und schließlich lassen sich die großen Teile für die Anlagen einfacher über den Seeweg anliefern, was erneut kosten spart.
Technologische Entwicklung senkt den Verbraucherpreis
Trotzdem ist Hightech natürlich kein Schnäppchen – das schlägt sich im Strompreis für die Verbraucher nieder. So hat Statoil wohl rund 200 Millionen Pfund (circa 227 Millionen Euro) in den Bau der Anlagen gesteckt. Eine Menge Geld, doch ist man sich beim norwegischen Unternehmen sicher, ähnliche Anlagen in Zukunft schneller, effizienter und somit günstiger errichten zu können. So soll sich laut Irene Rummelhoff, Vizepräsidenten der Statoil-Abteilung New Energy Solutions, der Preis pro Megawattstunde Strom bis 2030 zwischen 40 und 60 Euro einpendeln, also bei rund fünf Cent pro Kilowattstunde.
Die neuen Entwicklungen und Lösungen schlagen sich auch im gesamten Wirtschaftszeig nieder: In den letzten vier Jahren sind die Kosten für Offshore-Windenergie um 36 Prozent gefallen, vermeldete „The Crown Estate“, also die Verwaltung des Grundbesitzes der britischen Krone. Diese verpachtet auch das Gebiet an Statoil, auf dem die Hywind Scotland-Anlage errichtet – oder besser: verankert wurde.