Ning Wang will das Rad neu erfinden. Rund soll es zwar bleiben und drehen wird es sich auch weiterhin. Wenn es nach dem chinesischen Forscher geht, liefert es dabei allerdings Energie, statt sie zu verbrauchen. Bisher geht diese an den Rädern nämlich ordentlich verloren: Zwischen 20 und 40 Prozent des Spritverbrauchs eines Autos ist durch den Rollwiderstand der Reifen bedingt. Diese Zahlen des ADAC zeigen, an wie viel Energie alleine durch den Kontakt zwischen Gummi und Asphalt auf der Strecke bleibt. Ning Wang von der University of Science and Technology in Beijing sieht darin aber vor allem Potenzial. Er will die vermeintliche Verschwendung nutzen und arbeitet seit 2012 mit seinem Team an einem intelligenten Reifen, der einen Teil jener verlorenen Energie recycelt.
Normalerweise bestehen Pneus aus Gummi und Ruß. Wang tauschte den zweiten Bestandteil eines der gut zehn bis elf Kilogramm schweren Reifen gegen Siliziumdioxid aus. Die Substanz wird in der Nahrungsmittelindustrie als Trennmittel und Füllstoff verwendet und heißt dort E 551. Wang hat ihn umfunktioniert. „Wir entwickelten Reifen, die Siliziumdioxid im Laufflächengummi verwenden“, schreibt er in seinem Exposé. „In ihnen finden sich elektrische Nanogeneratoren, sogenannte TENGs.“
Kontrolle des Straßenzustands
Damit möchte er auch seinen Teil zur Verkehrswende beitragen. „Reifen sind wichtige Bestandteile bei der Schaffung eines neuartigen Transportsystems, das die Kraftstoff- und Energieeffizienz erheblich verbessert. Letzteres ist wegen der begrenzten elektrischen Speicherkapazität wichtig für die Laufleistung von Elektrofahrzeugen.“
In den TENG Nanogeneratoren sind zwei Materialien gegenüber montiert. Bei Kontakt und Reibung der beiden Stoffe entstehen auf ihren Oberflächen entgegengesetzte statische Ladungen. Der dann fließende Strom wird direkt in die Autobatterie geleitet. Die Menge der gewonnen Energie hängt von Rad und Untergrund ab. Sie nimmt mit abnehmendem Reifendruck ab – und ändert sich je nachdem, ob der Boden glatt oder holprig ist. Ein nützliches Zusatzfeature, das daraus entsteht: Die neuen Reifen können den im Pneu herrschenden Druck und den Straßenzustand aus den Änderungen der elektrischen Ausgangssignale messen. So helfen die Reifen bei der Straßenüberwachung.
Auch Continental entwickelt smarten Reifen
Die Vorteile der Reifen sind mehrschichtig: Einerseits senkt die Profilmischung auf Siliziumdioxid-Basis den Rollwiderstand, verbessert die Kraftstoffeffizienz und senkt so den CO2-Ausstoß. Andererseits wandeln die TENGs Reibungsenergie in Strom um, ohne dabei die Herstellung der Reifen in den heutigen Fabriken zu verändern. Denn das käme für die Produzenten teuer. Und: Die Nanogeneratoren sind billig und einfach in der Produktion und haben eine hohe Umwandlungseffizienz.
2017 stellte der Reifenkonzern Continental sein Konzept namens ContiSense vor. Hier sind es „leitfähige Gummimischungen“ und keine Nanomotoren, die den Austausch elektrischer Signale zwischen einem Sensor im Reifen und einem Empfänger im Auto ermöglichen. „Gummibasierte Sensoren messen kontinuierlich Profiltiefe und Temperatur. Beim Über- oder Unterschreiten definierter Grenzwerte wird der Fahrer sofort informiert“, heißt es von Continental dazu. Und die Technologie werde bald erweitert. Dann können Informationen über die Fahrbahn wie die Temperatur oder ein Schneefall vom Reifen direkt „erfühlt“ werden.