Etwas über 6.400 Kilometer weit ist das panamaische Labor der Firma „Aqua Bounty Technologies“ von Silver Spring im US-Bundesstaat Maryland entfernt. Dort sitzt die „Food and Drug Administration“, kurz „FDA“. Sie wacht über die Zulassung jedes Lebensmittels, das in USA auf den Markt kommt. Über 20 Jahre wägten die Behördenmitarbeiter dort ab, ob die gentechnisch veränderten Zuchtlachse „AquaAdvantage“ auf die Teller der Verbraucher kommen oder nicht.

Im November 2015 fiel die Entscheidung: Der Fisch geht in den Verkauf, doch die Aufzucht im Land bleibt verboten. Ein teures Novum, denn der Kampf um die Zulassung kostete die Firma bisher mehr als 80 Millionen US-Dollar. Ob das Geld gut investiert ist, zeigt sich im Moment. Kanadischen Konsumenten scheint der Fisch zu schmecken. Seit 2017 wurden 13,5 Tonnen Filets verkauft. Der Preis lag bei 10,60 US-Dollar pro Kilogramm.

Noch fehlt der Antrag auf die EU-Zulassung

Doch liegt die Ware vielleicht schon in deutschen Supermärkten? Noch sei kein Antrag für die Zulassung gestellt worden, sagt dazu die Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Michaela Bürgelt. „Die Zulassung des gentechnisch veränderten Lachses als Lebensmittel wird durch die Europäische Kommission erteilt. Vor der Entscheidung prüft die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde, die möglichen Gesundheits- und Umweltrisiken. Die würde nur positiv ausfallen, wenn jener Lachs genauso sicher wäre wie konventioneller Lachs“, so die Sprecherin. Im Ministerium sieht man nur „sehr geringe Vermarktungschancen“ und die „hohen Kosten für das wohl mehrere Millionen Euro teure EU-Zulassungsverfahrens“.

Auch liegen schweren Anschuldigungen von Umweltschützern auf dem Tableau. Jene Kritik könnte US-Konsumenten vom Kauf des neuen Lebensmittels abhalten. GMO-Kritiker nennen die neue Züchtung „Frankenstein Fish“. GMO steht dabei für gentechnisch veränderter Organismus. Der Fisch ist ihnen unheimlich. Doch weshalb eigentlich?

Besuchen wir die Firmenwebseite. Dort heißt es werbend: „Alle Fische, die aus ‚AquaAdvantage‘ Eiern gebrütet wurden, sind weiblich und steril, was es unmöglich macht, dass sich die Tiere mit anderen Lachsen paaren.“

Falsch, sagt die Gegenseite – und zitiert aus den Unterlagen der Zulassungsbehörde „FDA“. Die Sorge: Was, wenn die Tiere aus der abgelegenen Anlage eines Tages entwischen und sich mit herkömmlichen Lachsen paaren? Die Folgen wären unvorhersehbar. Die Umweltschützer fürchten die Folgen, wenn sich der Lachs im natürlichen Habitat nicht nur paart, sondern auch von anderen Tieren gefressen wird – und so in die Nahrungskette gelangt.

In Panama ist man sich der Gefahr bewusst. So sagt die Leiterin der Umweltbehörde „Ancon“ Alida Spadaforma bereits vor Jahren in einem TV-Interview: „Wir wissen nicht, welche Einflüsse das neue Tier auf das Ökosystem hat und was bei Unfällen oder Überschwemmungen passiert, die wegen des Klimawandels hier nun häufiger vorkommen.“ Niemand wisse zudem, was der Konsum des neuen Lebensmittels auf lange Sicht im menschlichen Körper anrichte.

Schlachtreif in 18 statt 30 Monaten

Die Geschichte der neuartigen Tiere ist schnell erzählt. Vor gut 30 Jahren kommen Forscher auf die Idee, Lachse mittels genetischer Veränderung schneller zu riesenhaften Tieren heranwachsen zu lassen, als üblich. Ende der 1980er Jahre verpassen Firmenforscher „Atlantischem Lachs“ ein Wachstumsgen. Das stammt aus dem „Königslachs“. Der Clou: Hinzu kommt ein Genschnipsel, der den Fisch in nur 15 bis 18 Monaten heranwachsen lässt. Normalerweise dauert das 2,5 Jahre. Weiter sei der CO2-Abdruck bei der Produktion der Tiere deutlich geringer, als bei der bisherigen Produktion von Zuchtlachsen.

Vom Zuchterfolg und dem baldigen Verkaufsstart überzeugt, baute das Unternehmen in Panama eine kleine Fabrik. Die Firma zeigte sich wenig später engagiert und begann im Dorf Boquete flugs mit der Lachsproduktion. Die verwegene Idee sah die Produktion von jährlich je 50 Tonnen Lachs vor, wie das Fachmagazin „Nature“ berichtet. Dazu kam es nicht. Die „FDA“ verschob die Zulassung. Daher musste der Lachs-Produzent sämtliche – eigentlich schlachtreifen – Tiere töten. Mitarbeiter vergraben die Kadaver flugs nahe der südamerikanischen Farm. So ging das jahrelang – bis November 2015. Endlich erbarmt sich die „FDA“ – und gibt ihr Einverständnis.

„Am meisten studiertes Lebensmittel“

Zur Sicherheit erklärt der Firmen-CEO Ron Stotish in einem Videointerview: „Wir verwenden keinerlei Medikamente und die Gewässer unserer Küsten werden nicht verseucht. Das macht unser Produkt attraktiv.“ Und weiter: „Leider hören die Verbraucher immer nur die Informationen von Menschen, die sich nicht mit dem Fisch auskennen. Das Produkt ist wohl eines der am meisten studierten Lebensmittel in der Geschichte.“ Weltweit will man nicht nur die Lachsfilets anbieten. „Aqua Bounty Technologies“ möchte auch die New-Design-Eier des Lachses in andere Länder verkaufen, darunter Argentinien, China und Chile, wie die kanadische Zeitung „HillTimes“ schreibt. Besonders in Chile wäre das pikant, ist dort doch die heimische Lachsindustrie einer der größten Arbeitgeber. Und: Wie reagiert die sensible Umwelt auf die Neuerung?

Druck der Firma

In Kanada war die „Food Inspection Agency“ für die Zulassung zuständig. Wie der TV-Sender „CBC“ berichtet, geschah die unter enormen Druck, da das Abnicken des Produkts viel Geld für das Unternehmen bedeutet. Firmenmitarbeiter riefen immer wieder bei der Behörde an und schauten persönlich vorbei. Tenor: Man möge doch die Testreihen schneller abschließen und die Exportpapiere fix ausstellen. Doch: Eine geplante Risiko-Analyse des Produkts fand nicht statt. Auch hielt man die Fischeier nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, 21 Tage lang in Isolation.

Der Druck zahlte sich aus. Die kanadischen Behörden folgten ihren amerikanischen Kollegen und gaben grünes Licht. „AquaBounty“ konnte seine Lachseier für die kommerzielle Fischproduktion nach Brasilien senden. Jene Eier stammten aus „AquaBounty’s“ Zuchtstation auf Prince Edward Island.

Auch in Panama geschah Anfang 2016 Wunderliches. Aus dem bisherigen, jahrzehntealten Forschungs-Exportzertifikat wurde nun – Simsalabim – ein Papier, das die kommerzielle Zucht erlaubt. Alles nur Zufall?

Fraglich bleibt, welches Tier bald modifiziert wird, um den wachsenden Appetit der Menschen auf tierisches Eiweiß zu stillen. Fragen wir dazu den „Guardian“. Der schreibt: „Etwa 30 weitere Arten von gentechnisch verändertem Fisch – darunter Tilapia und Forellen – befinden sich weltweit in der Entwicklung, ebenso wie gentechnisch veränderte Kühe, Hühner und Schweine.“ Na, dann guten Appetit.

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1 Kommentar

  1. Johanna Gathmann

    Gut

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